Eine Normalität übrigens, die bislang wenig friedensbewegten Protest – der ja in der Aufstiegsphase der Grünen Hunderttausende auf die Strasse brachte – erregt hat und auch nicht – wie angesichts der per se internationalistischen Ausrichtung der Gewerkschaftsbewegung eigentlich naheliegend – zu einem Einspruch von Seiten einer immer noch gut organisierten Vertretung der Arbeiter, der „Hauptleidtragenden“ der Kriege (so der DGB-Aufruf 2022), geführt hätte. Das, was hierzulande von DGB-Gewerkschaften kommt, erinnert eher, wie es im Gewerkschaftsforum zum Verdi-Aufruf „Für Solidarität und Zusammenhalt jetzt!“ hiess, an Statements aus dem Verteidigungsministerium.
Was jetzt normal ist
Mit dem 24. Februar 2022, dem Einmarsch Russlands in die Ukraine, soll sich die Welt komplett verändert haben. Ein völkerrechtswidriger Angriffskrieg soll eine ganz neue aussenpolitische Lage geschaffen, ein brutaler Akt – eine Ausgeburt Putin'scher Bösartigkeit – aus heiterem Himmel die europäische Friedensordnung zerstört haben. Die deutsche Aussenministerin teilte mit, dass sie an diesem Tag „in einer anderen Welt aufgewacht“ sei (tagesschau.de, 24.2.22). Auch aus der Opposition, von CSU-Weber, hiess es: „Es ist eine neue Welt, in der wir leben“ (bild.de, 24.2.22).Der aussenpolitische CDU-Experte Röttgen legte ein paar Wochen nach Kriegsbeginn unter dem Titel „Nie wieder hilflos!“ gleich sein „aussen- und sicherheitspolitisches Manifest“ vor, das eingangs feststellte: „Das vor Kurzem Unvorstellbare ist geschehen: Der Krieg ist zurückgekehrt nach Europa.“ Natürlich ist dem Mann bewusst, dass es vorher schon „kriegerische Akte“ gegeben hat, auch in Europa. Aber das ändert für ihn nichts daran, dass jetzt der Grund für die „Zeitenwende“ gelegt wurde, die Kanzler Scholz wenige Tage nach Kriegsbeginn ausrief – einem Sachzwang folgend, der dem angeblich „völlig überraschten“ und „hilflosen“ Deutschland keine andere Wahl liess.
Dass Kriege kein Novum für Europa sind, dass völkerrechtswidrige Kriege auch unter Führung der USA und Beteiligung von NATO-Staaten, inklusive Deutschland, stattfanden, wird dabei definitiv ausgeblendet. Und die ganze Vorgeschichte des Ukrainekriegs, zu der nicht nur die massive Aufrüstung des Westens, sondern auch ein rund achtjähriger Krieg der Kiewer Zentrale gegen abtrünnige Volksteile im Osten des Landes gehörte, darf nicht zur Sprache kommen.
Das Trio der Kriegslügen
Die drei zentrale Lügen – die Rückkehr des Krieges, der absolute Unrechtscharakter des Völkerrechtsverstosses und die unmotivierte bzw. unprovozierte russische Invasion – haben dabei den Charakter einer offen angesagten Amnesie, die regelrecht gegen kritische Nachfragen und Bedenken in Stellung gebracht wird. Und die von den Medien in erstaunlicher Einmütigkeit geteilt, ja zu einem Auftrag gemacht wird, auf die so banalen wie naheliegenden skeptischen Nachfragen Acht zu geben und dabei staatstreu gegen abweichende Meinungen vorzugehen (vgl. „Was heutzutage wissenschaftlich untragbar ist“). Die Medien können also nicht nur lügen, wie Renate Dillmann in ihrer Analyse der „Leo-Kampagne“ jüngst festhielt, sondern regelrecht als Aktivisten einer Kriegspropaganda auftreten, die den Druck einer Vierten Gewalt ins Spiel bringt und in gewisser Weise Politik macht. Merke: „Medien sind mächtiger als Bomben“.Aber die Unwahrheit zu verbreiten, bleibt in Kriegszeiten – wo bekanntlich die Wahrheit das erste Opfer der militärischen Handlungen darstellt – ihre vornehmste Aufgabe. Daher hier im Folgenden eine kurze Überprüfung der gängigen Kriegspropaganda des Westens, d.h. keine Analyse der Kriegsgründe, sondern ein Aufweis der Leichtigkeit, mit der die Volksverdummung Anno Domini 2022 neue Massstäbe gesetzt hat.
1. Die Rückkehr des Krieges
Die Klage, dass der Krieg nach Europa zurückgekehrt sei, ist von einer derart dreisten Verlogenheit, dass selbst eifernde Aufrüstungspropagandisten wie Röttgen, sozusagen im Kleingedruckten, zugeben müssen, dass man sich, wenn man wollte, natürlich an einschlägige Militäraktionen in „unserer“ Welt erinnern könnte. Im Blick auf einen Aktivisten der ukrainische Kriegsbereitschaft wäre hier etwa die Rolle Grossbritanniens im Nordirland-Konflikt zu erwähnen. Seit 100 Jahren und und in der Folge auch seit dem Ende des Zweiten Weltkriegs hat die britische Armee in ihrer ehemaligen Kolonie Irland Unabängigkeitsbestrebungen brutal bekämpft, zahlreiche „Kollateralschäden“ an der Bevölkerung verursacht und Kriegsverbrechen begangen, die teilweise bis in die Gegenwart hinein einer Aufarbeitung harren. „Der Umgang mit mutmasslichen Verbrechen durch britische Militärangehörige ist eines der heikelsten Themen des nordirischen Friedensprozesses“, schrieb vor gar nicht langer Zeit der Spiegel (spiegel.de, 11.5.21), als weitere Details zu Massakern an der Bevölkerung vor 50 Jahren – neben dem berüchtigten „Bloody Sunday“ in Derry – bekannt wurden. (Man stelle sich nur einmal vor, Putins Kriegsverbrechen würden auch erst ein halbes Jahrhundert später vor Gericht gebracht…)Sachlich näher liegend ist natürlich der Kosovokrieg von 1999, an dem sich Deutschland beteiligte, nachdem es den Separatismus im jugoslawischen Gesamtstaat – gerade auch durch ein Vorpreschen gegenüber den (zeitweise verstimmten) europäischen Verbündeten – jahrelang befeuert und durch einen ersten Militäreinsatz in Bosnien seine Rolle als Aufsichtsmacht zur Neuordnung des Kontinents bekräftigt hatte (vgl. „Krieg in Europa“ – Ein Déjà-vu!). Durch den Wegfall des Ostblocks hatten sich sich hier ja neue Eingriffsmöglichkeiten eröffnet, die mit diplomatischen, im Notfall aber auch militärischen Mitteln zum Erfolg geführt werden sollten. Diese von Deutscheuropa aus vorgenommene Neuordnung von Grenzen, Einflusszonen und Statuszuweisungen bildete ja auch den Ausgangspunkt für den Konflikt, den die Welt derzeit in der Ukraine erlebt. Adressiert (und mit massiver Aufrüstung wie NATO-Erweiterung fundamentiert) war dies an den postsowjetischen Staat, dem seine Zurückstufung zur „Regionalmacht“ (Obama) vorbuchstabiert werden sollte.
2. Der unverzeihliche Verstoss gegen das Völkerrecht
Wer den „völkerrechtswidrigen Angriffskrieg“ Russlands als das absolut geltende Kriterium zur Verurteilung dieser Kriegspartei nimmt, hat wohl auch „den NATO-Krieg gegen Jugoslawien vergessen“, schreibt Auernheimer. In seiner kürzlich erschienenen instruktiven Übersicht zur Genese des Ukrainekonflikts fährt er im Blick auf Jugoslawien fort: „Damals haben 1000 Flugzeuge, darunter deutsche, zweieinhalb Monate lang Städte und Industrieanlagen bombardiert und nicht nur Infrastruktureinrichtungen, sondern auch Kulturinstitutionen und Wohneinheiten zerstört oder beschädigt“ – ein Angriff, der „völkerrechtswidrig“ war, „ebenso wie 2003 der zweite Krieg gegen den Irak, den die USA gemeinsam mit Grossbritannien durchführten“.Zu erwähnen ist in dem Zusammenhang auch, dass bei der Zerlegung Jugoslawiens, wie der Journalist Norbert Mappes-Niediek in seiner neuen, gross angelegten Studie „Krieg in Europa“ vermerkt, der damalige demokratische Senator Joe Biden Kriegstreiber an vorderster Front war. Biden forderte rasches, rücksichtsloses Zuschlagen: „Wenn ich Präsident wäre, würde ich Milošević einfach bombardieren… Die NATO-Verbündeten würde ich mitmachen lassen“. Von US-Seite hiess es übrigens, für eine Intervention sei ein Beschluss des UN-Sicherheitsrates „wünschenswert, aber nicht nötig“. Für Aussenministerin Albright war die Zustimmung der UN aber noch nicht einmal wünschenswert, sie schrieb später in ihren Memoiren: „Wäre eine Resolution im Sicherheitsrat durchgegangen, so hätten wir einen Präzedenzfall geschaffen: nämlich dass die Nato für ihr Einschreiten die Zustimmung des Sicherheitsrates bräuchte“.
Im Fall des Irak sei hier nur noch – exemplarisch für die zahlreichen Völkerrechtsbrüche der USA – daran erinnert, dass er mit einer dreisten Lüge angekündigt wurde. Der damalige US-Aussenminister Powell lieferte 2003 vor dem UN-Sicherheitsrat eine Rede ab, die voller Falschinformationen über Iraks Massenvernichtungswaffen war und die man unschwer – siehe den damaligen Aussenminister Fischer der BRD, die sich an dem Krieg nicht beteiligte – als schlichte Rechtfertigung eines Angriffskriegs durchschauen konnte. Später äusserte Powell, dass dies „der Schandfleck seiner Karriere“ war – „mit 300.000 toten Zivilisten in Irak“. So billig ist für eine Supermacht ein Bruch des Völkerrechts zu haben: bestenfalls ein paar warme Worte Jahre später...
3. Der unprovozierte „Zivilisationsbruch“
Dass der Krieg völlig überraschend über einen hilflosen Westen hereinbrach, ist genau so grotesk. Der Ukrainekrieg und seine Vorgeschichte sind ausführlich dokumentiert worden, man sehe sich etwa auf den Internetmagazinen Telepolis und Overton die Beiträge seit Anfang 2020 an, die vor dem herannahenden Krieg warnten und die die einzelnen Schritte der westlichen Kriegsvorbereitung – auch in mentaler und kultureller Hinsicht (so z.B. bei der „Massenunterhaltung für Vorkriegszeiten“) – zum Thema machten. Und das wurde seit Anfang 2022 fortgesetzt, sieh zuletzt etwa die Informationen darüber, „wie Washington die Kriegsgefahr im Zuge der Osterweiterung in Kauf nahm“. Der Aussenpolitik-Experte Jörg Kronauer, Redakteur von german foreign policy, hat dazu im Frühjahr 2022 sein Buch „Der Aufmarsch – Vorgeschichte zum Krieg" vorgelegt, das redaktionell bereits vor Beginn des russischen Angriffs auf die Ukraine abgeschlossen wurde und das sich in den militärstrategischen Details als zuverlässig erwies (auch wenn der Autor noch seine Hoffnung auf eine Deeskalation setzte) .Auernheimer hat das jetzt mit seiner Veröffentlichung darüber, wie Russlands Nachbar zum Kriegsschauplatz wurde, fortgesetzt. Der Autor bietet eine ausgezeichnete Übersicht über die Fakten, die in der politischen Öffentlichkeit regelrecht unterschlagen werden. Die Empörung über den russischen Angriffskrieg – die es in dieser Form bei den NATO-Völkerrechtsverstössen oder Angriffskriegen nie gegeben hat – sei leicht zu erzeugen gewesen, so der Autor, da die meisten Menschen im Westen „nichts von den Angriffen der Ukraine auf Städte und Dörfer seit 2014 wussten, nichts wissen konnten, weil die Medien darüber nie berichtet hatten. Der Anschluss der Krim an die Russische Föderation war zur Annexion erklärt worden, ohne dass jemals in Reportagen und Berichten die Interessenlage der dortigen Bevölkerung geprüft worden wäre“.
Den geopolitischen und geschichtlichen Kontext des Konflikts, Details zu den gigantischen Aufrüstungsmassnahmen des Westens trägt Auernheimer nach; er informiert über den Putsch des Euro-Maidan und die nachfolgenden „antiterroristischen“ Operationen, mit denen das Kiewer Regime im Grunde eine ethnische Säuberung des Landes, nämlich seine Befreiung vom russischen bzw. russischsprachigen Einfluss und ein völkisch strikt abgegrenztes Nation Building durchsetzen wollte. Dazu gibt es auch Rückblicke auf die verhängnisvolle nationalistische Tradition der ukrainischen Staatsgründungsaktivisten. Eine Tradition, die im Westen meistens verharmlost wird, da sich die einstmals starken neofaschistischen Kräfte in der Ukraine nicht mehr als eigene politische Kraft formieren, sondern in den Staats- und Militärapparat integriert wurden.
Die Leistung der patriotischen Moral
Dass bei den hiesigen Produzenten und Konsumenten der öffentlichen Meinung das Ignorieren solcher Sachverhalte – deren Aufdeckung wahrlich keiner grossen analytischen Anstrengung bedarf – flächendeckend gegriffen hat, ist ein bemerkenswerter Akt der Volksverdummung. Analoge Vorgänge, das sei hier nur am Rande vermerkt, kann man natürlich auch in der Öffentlichkeit der Russischen Föderation beobachten, wo zudem staatliche Zensurmassnahmen notwendig waren, um einen (anscheinend nicht ganz linientreuen) Medienbetrieb gleichzuschalten. In Deutschland haben die Redaktionen das freiwillig erledigt...Diese erstaunliche Geistesleistung, banale Fakten auszuklammern und damit Rätsel über die bösartigen oder irrsinnigen Absichten des gegnerischen Kriegsherren zu verfertigen, sollte man aber nicht auf fehlende intellektuelle Kapazitäten zurückführen. Hier wird vielmehr eine Gesinnungswende praktiziert, die auf einem festen geistigen Fundament gründet und die eigentlich gar nicht viel an Wende und Umstellung mit sich bringt. Dazu abschliessend nur einige Hinweise. Wenn die deutsche Aussenministerin Russland jetzt einen „Bruch der Zivilisation“ vorwirft und damit „unmittelbar an den Begriff ‚Zivilisationsbruch' (erinnert), der oft im Zusammenhang mit dem Holocaust verwendet wird“ (taz.de, 29.11.22), dann kassiert die grüne Politikerin den Ertrag einer moralischen Veranstaltung ein, die in der BRD gerade von grüner Seite besondere Unterstützung fand: die Vergangenheitsbewältigung in Sachen NS. Man bewältigte die Nazi-Herrschaft nämlich so, dass man gegen das absolute Böse der damaligen Staatsmacher die eigene Güte herausstellte. Indem man sich zur Singularität eines Menschheitsverbrechens bekannte, hatte man den singulären Charakter seiner nationalen Läuterung unter Beweis gestellt.
Dank diesem Moralismus, der die landläufige patriotische Moral bediente und veredelte (teils auch provozierte), kann Deutschland mittlerweile mit imperialer Selbstgerechtigkeit auftrumpfen. Die Nation, die einst mit der Zivilisation brach, hat – weil sie den Fehler ihres damaligen imperialistischen Alleingangs eingesehen hat – alles Recht der Welt, andere Nationen an den Pranger zu stellen. Kurz gesagt, wie es im Overton-Magazin knapp zwei Wochen vor Kriegsbeginn hiess, Deutschland bleibt sich treu und der neue Feind der alte: Russland!
Nationalismus – wo man hinblickt
Es erscheint dabei wie eine Absurdität, dass gerade die grünen Friedensfreunde, die, wie gesagt, in ihrer Aufstiegsphase die Massen zum Protest gegen die NATO-Nachrüstung mobilisierten – damit der Frontstaat BRD nicht zum atomaren Schlachtfeld mutiere –, heute wieder Panzer Richtung Russland losschicken und munter, wie in einem „Kriegsrausch“ (so der neueste Vorwurf von CSU-Söder, SZ, 22.2.23), eskalieren, während die AfD der in Stalingrad gefallenen Soldaten gedenkt und Chrupalla dem russischen Botschafter die Hand reicht. Ja, der AfD-Chef unterschreibt sogar den Friedensappell von Schwarzer und Wagenknecht. So hat der Nationalismus der ehemaligen Friedensbewegung, der das Vaterland vor Krieg schützen wollte, heute seine Heimat bei den Rechten, die nach dem nationalen Ertrag der ganzen Eskalation fragen. Deutsche Interessen müssen für sie eben ganz „unbefangen und tabulos auch für die Aussenpolitik“ an erster Stelle stehen.Dass das ein „linker Protest von rechts“ sein soll, ist natürlich lachhaft. Die AfD ist stramm national, sie hat ja ihren Aufstieg mit einer politischen Dummheit betrieben, nämlich mit der Anklage, die von den demokratischen Gutmenschen betriebene NS-Vergangenheitsbewältigung sei ein „Schuldkult“ (Höcke u.a.), der Deutschland klein mache. Das kann jetzt jedermann als Unsinn erkennen. Mit solchen – geschichtspolitisch genau austarierten – Bekenntnissen trumpft eine Nation diplomatisch auf, weil sie Grosses vorhat. Und das Erschreckende ist, dass aus der Arbeiterbewegung wieder einmal keine Gegenwehr kommt. Wie vor 100 Jahren, als der „Weg ins Zeitalter der Weltkriege“ beschritten wurde, marschieren Arbeiterparteien vorneweg und schliesst sich eine Gewerkschaftsbewegung dem an.
Dass in der Stunde eines nationalen Aufbruchs Gewerkschaften immer in diesem Sog mitschwimmen müssen, ist übrigens kein Sachzwang, worauf der Gegenstandpunkt jetzt noch einmal mit einem Dreiländerbericht (F – GB – D) aufmerksam gemacht hat. Es wird zur Zeit in Europa ja gar nicht verschwiegen, sondern von oben angesagt, dass es – zwar in unterschiedlicher Ausprägung, aber in jedem Fall auf Kosten der Lohnarbeiter – zu einer „in dieser Geschwindigkeit ungekannten Verarmung der Völkerschaften“ kommt. Dabei ist es natürlich „in der freien Marktwirtschaft der lohnabhängigen Mehrheit auch nicht verboten, gegen den allemal bleibenden Schaden anzugehen, sondern ihr ist dafür längst ein Weg gewiesen: Die Gewerkschaften sind für die immer wieder fällige Korrektur der vertraglich ausgemachten Entgelte für unselbstständige Arbeit zuständig und reagieren auf die neue Lage“.
Für Frankreich und Grossbritannien heisst das gewerkschaftlicher Kampf, der sich auch regelrecht mit der Staatsmacht anlegt. Die zeigt dem Kampf seine Grenzen auf: Er ist ins Recht gesetzt, also auch durch neue rechtliche Regeln zu kanalisieren oder zu unterbinden. Damit wird der gewerkschaftliche Widerstand dagegen, dass Arbeitnehmer und Arbeitnehmerinnen wieder einmal die „Hauptleidtragenden“ (DGB) der Grosstaten abgeben sollen, die sich die Nation vornimmt, darauf hin befragt, was er noch dagegen setzen kann und will. „Und in Deutschland? Da weiss der Kanzler, was er an einem DGB hat, der sich umstandslos den Standpunkt zu eigen macht, die Nation sei von einer durch Putin herbeigeführten Notlage betroffen und müsse zusammenstehen, um die unausweichlichen Folgen des alternativlosen Wirtschaftskriegs zu bewältigen“ (Gegenstandpunkt).
So bleibt es hierzulande bei der proletarischen Einverständniserklärung. Zur Stabilität der Heimatfront wollen auch die Gewerkschaften ihren Beitrag leisten. Die wachsende Armut wird vom DGB dabei gar nicht verschwiegen. Sie soll aber im Konsens mit der Regierungslinie nicht als Produkt dieser Gesellschaft, sondern als Ergebnis einer nationalen Notlage betrachtet werden, die nur einen Verursacher kennt: Putin! Das deutsche Volk soll eben – wie im Steckrübenwinter des Ersten und beim Winterhilfswerk des Zweiten Weltkriegs – das Hungern und Frieren als Herausforderung ans Gemeinschaftsgefühl nehmen und nur noch den Feind im Äussern kennen!