Züri brännt: Texte zur Bewegung Zürich: Die legendäre Nacktdemo 1980
Politik
Später in dem Sommer gäbe es die weltberühmte Nacktdemo. Das wollte ich schon zweimal machen, auf dem Hirschenplatz.


Nacktdemo in Zürich, 1980. Foto: strapazin
00:42 Tragt die Kleider nicht bei euch, gebt sie jemand anderem! Und dann sind wir losgelaufen, eine Riesenfreude. Es waren 30, 40 Leute, die nackt waren. Und dann sind wir durch die Stadt gelaufen und das allerschönste für mich war: Die Frauen im Niederdorf, die Striptease-Frauen, die dort gearbeitet haben, sind rausgekommen, standen vor den Bars und haben geklatscht und sich gefreut!
01:14 Das war das Schönste! Sie, die für Geld ihren Arsch hinhalten müssen auf der Bühne und plötzlich sehen sie nackte Leute vorbeilaufen, wunderbar. Auch die Demo war nicht, was man erzählt. Einige sagen, bei der Demo „hatte man den Versuch unternommen, nackt gegen die Gewalt zu kämpfen“.
01:35 Mein Gott! Ich und Josy, wir waren sicher nicht der Meinung, wir machen eine Demo gegen Gewalt. Sondern wir hatten Lust auf eine Nacktdemo, fertig. Und manche haben dann gerufen „Nackt gegen Gewalt, nackt gegen Gewalt!“
01:53 Und die anderen hatten einfach Spass. Ich glaube, die Polizei hatte ein grosses Problem, weil wir das mit den Kleidern gemacht haben. Sie wussten, sie müssten alle einkesseln und sagen, holen Sie jetzt ihre Kleider!
02:11 Ich weiss nicht, wer meine Kleider hat! Dann hätten sie uns nackt verhaften müssen und nackt in den Kastenwagen stecken. Stell dir das vor, die Fotos! Grandios.
02:26 Christoph Schuler: Bullen in Montur und nackte Frauen, das ist nicht gut.
02:28 Fredy Meier: Sie konnten nicht damit umgehen, eigentlich hätten sie uns subito verhaften müssen. Erregung öffentlichen Ärgernisses, in Gruppen. Das war grossartig.
02:40 Christoph Schuler: Manchmal gab es Demos, wo wir erstaunlich unbehelligt von der Polizei geblieben sind. Wie als wir einmal vom Bellevue… wir sind vom Bellevue losgezogen und plötzlich hat jemand gerufen, komm, wir gehen ins Hotel Eden! Nachher ist die ganze Demo in das Hotel reingelaufen. Wir sind in die Bar, der Barkeeper, ein ganz seriöser, hat einfach aufgegeben und gesagt, OK, OK. Dann haben wir die Bar geleert…
03:15 Fredy Meier: Ziemlich viele Flaschen rausgeholt…
03:17 Christoph Schuler: Andere haben Bilder abgeschraubt im Treppenhaus…
03:24 Fredy Meier: Ein Satz zum Bild: Der Flix, der nicht mehr lebt… im Treppenhaus gab es Landschaftsbilder, etwa so gross und wir wollten sie mitnehmen. Und sie waren aber angeschraubt. Und der Flix hat sein Messer rausgenommen und dann ging’s wuff, wuff wuff… Und dann geht das Bild ganz langsam runter…
03:50 Christoph Schuler: Hat es einfach aus dem Rahmen geschnitten.
03:51 Fredy Meier: Es hat sich eingerollt und ist über den unteren Rahmen… es sah so herzig aus. Und übrigens: Der Eintritt in die… was später zum Nacktschwimmen wurde…
04:06 Christoph Schuler: Nachher sind wir schwimmen gegangen.
04:08 Fredy Meier: Da sind zwei Leute aus dem Hotel Eden rausgelaufen und haben gerufen, sie wollen uns kein Zimmer geben! In die Demo runtergerufen. So hat das angefangen. Das war nicht geplant. Alle so: Was, kein Zimmer geben?? Und alle sind hin.
04:28 Christoph Schuler: Es sah so extrem aus, die ganze Demo in das Hotel. Hätte ich dort gearbeitet, ich hätte mich eingeschlossen.
04:35 Fredy Meier: Dann hat eine… der Barmann war cool aber an der Rezeption wollte einer telefonieren. Nimmt das Telefon und jemand hat das Messer genommen und das Kabel durchgeschnitten.
04:58 Christoph Schuler: Nachher sind wir wieder raus, zum Zürihorn gelaufen, haben uns ausgezogen und waren baden. Alle hatten eine Flasche Whiskey oder Grappa in der Hand und es war glaube ich das erste Mal, dass es so eine grosse Nacktbadeaktion gab. Nachher hat es sich ja eingebürgert, dass man nackt baden gegangen ist am Zürihorn.
05:27 Fredy Meier: Ich frage mich heute, das kann man sich heute nicht mehr vorstellen. Eine Welt voller Pornos, voller Nacktbilder, Influencerinnen und so… aber damals war es so… oh, das machen wir jetzt. In der Roten Fabrik gab es auch so eine Situation, da waren verschiedene Leute nackt am Baden, Gruppen, und dann kommen zwei Polizisten, fangen bei den ersten an und sagen, sie wollen den Ausweis sehen, man darf da nicht nackt baden.
06:05 Und es war immer das gleiche Muster. Die zwei haben gesagt, du, sie wollen den Ausweis sehen! Und alle sind aufgestanden und gekommen und dann standen 30, 40 Leute nackt vor der Polizei: Wegen dem Ausweis… ja, wüsste jetzt gerade nicht, wo der ist! Schöne Geschichte.
06:33 Das sind Beispiele von einer Unmittelbarkeit. Die nur möglich ist, weil das Gefühl da ist. Es ist schon alles da. Man diskutiert nicht vor dem Hotel und sagt du, sollten wir vielleicht… wir müssen schon 20 Leute sein, und schnell… Nichts davon! Da sind zwei und sagen, sie hätten kein Zimmer gekriegt – ah ja, OK! Es ging alles so unmittelbar, weil es gestimmt hat. Weil das Gefühl da war.
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