«Remigration» und «Grosser Austausch» Die neue Rechte: Alte Ideologie – neue Strategien

Politik
Als die «Neue Rechte» werden seit den 1970er Jahren Akteur*innen und Institutionen bezeichnet, die sich verbal vom Nationalsozialismus distanzieren und sich von der «Alten Rechten» vor allem durch neue politische Taktiken und ihre Kommunikation unterscheiden.


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Das Aushängeschild der «Neuen Rechten», der Österreicher Martin Sellner, bei einer Aktion in Wien, Februar 2024. Foto: Martin Sellner (CC-BY-SA 2.0 cropped)

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Diese Theorie sagt, dass alle Kulturen und Völker ein Existenzrecht haben, solange sie sich nicht vermischen und sie in «ihrem Land» leben. Denn die grösste Angst, sowohl der Neuen wie auch der alten Rechte, ist die Vermischungen von verschiedenen Kulturen und der vermeintlich damit einhergehende Verlust der eigenen Kultur und Identität. Sie deuten globale Fluchtbewegungen nicht als Folge von Kriegen, Ungleichheit und Umweltzerstörung, sondern erachten es als die Verschwörung des «Grossen Austausch».
Laut dieser Verschwörungsideologie, steuern globale Eliten die Migration nach Europa und streben damit den Untergang der westlichen Kultur an. Genauso wittern sie hinter queerem Leben und feministischen Ideen eine Verschwörung gegen die eigene Kultur. Sie sehen darin «Modetrends» die erschaffen wurden, um Geburtenraten zu senken, in dem Menschen, die von ihnen als Frauen gesehen werden, davon abgehalten werden, ihre einzige Bestimmung im «Mutter sein» zu finden (aus queeren Beziehungen gehen keine Kinder hervor in diesem Weltbild). Daher gehen sie davon aus, dass andere Kulturen grösser werden während die eigene schrumpft und so die westliche Vormachtstellung auf der Welt bedroht ist.
Nebst Menschen anderer Herkunft, queeren Menschen und Feminismus, ist der Liberalismus ein weiteres zentrales Feindbild der neuen Rechte. Sie kritisieren daran aber nicht, dass Gesellschaften durch den Liberalismus unsolidarisch werden und Ungleichheiten aller Art zunehmen. Ihr Problem mit dem Liberalismus ist, dass eine vielfältige Gesellschaft sowie diverse Lebensentwürfe vom Staat geduldet werden. Sie wünschen sich einen starken und autoritären Staat nach dem Vorbild des Faschismus, in welchem kein Platz für Vielfalt und Individualismus ist.
Damit ihr Traum von einem rechten Umsturz Wirklichkeit wird, haben sie einige neue Strategien entwickelt, welche für rechte Parteien, genauso wie für aktivistische Fascho-Gruppen als Handlungsanleitung dienen. Im Vergleich zu herkömmlichen Faschist*innen setzten sie dabei nicht auf rohe Gewalt und offensichtlichen Rassismus, sondern gehen das ganze etwas durchdachter an. Eine der wichtigsten Strategien ist es, Rechtsradikale Ideen wieder Gesellschaftsfähig zu machen.
Den neuen Rechten ist klar, dass ihre Positionen heute jenseits jeder Moral liegen. Deshalb muss das Sagbare scheibchenweise verschoben werden, indem man immer nur gerade jene Positionen vertritt, die an der Grenze zum Inakzeptablen liegen. Rechtsradikale Gruppen versuchen durch Provokationen möglichst viel Aufmerksamkeit zu generieren, denn je öfters Begriffe wie «Remigration» thematisiert und gelesen werden, desto normaler wirken sie auf Menschen. In die so entstehende Bresche können dann Parteien springen, die neben den radikalen Rechten ganz gemässigt aussehen. In Tat und Wahrheit aber rückt der gesellschaftliche Diskurs immer weiter nach rechts und völkische Ideen sind in der Mitte der Gesellschaft angelangt.
In der Schweiz ist das aktuell sehr gut zu beobachten, dass menschenfeindliche Begriffe von Nazi-Gruppen wie der Jungen Tat den Weg in die parlamentarische Politik finden. Eine ihrer zentralen Strategien beschreibt, wie sich ein «Vorfeld» aus «patriotischen» Organisationen wie ein Mosaik um eine politische Partei herum gruppieren soll. Es geht darum, dass es Orte braucht wo Politik stattfindet ausserhalb der Parteien. So haben vermeintliche Jugendgruppen, welche Wandern, Sport machen oder kulturelle Aktivitäten anbieten, eine zentrale Rolle, um eine «konservative Revolution» herbeizuführen.
Wichtig ist dabei, dass das Vorfeld organisatorisch der Partei nicht angehört, da dies zu offensichtlich wäre und auf die Gesellschaft abschreckend wirken könnte. Auch hier gilt: während das Vorfeld Begriffe und Positionen in die Gesellschaft trägt, nutzt die Partei den so bereiteten Boden, um Wahlen und Abstimmungen zu gewinnen um so effektive Verschlechterungen herbeizuführen.
Die Strategien der «Neuen Rechte» funktionieren in den letzten Jahren beängstigend gut und führen dazu, dass es weltweit einen Aufstieg von autoritären und konservativen Kräften gibt. Sie haben erkannt, wie sie die multiplen Krisen für sich nutzen können und machen Stimmung gegen marginalisierte Gruppen. «Hand in Hand gegen den Faschismus» bedeutet also nicht nur, sich zu organisieren und konsequent gegen jeden Faschismus zu stellen, sondern auch revolutionäre Perspektiven auf reale Krisen zu schaffen.