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Rassismus und Diskriminierung Basel: Sensibilisierungsworkshops für rechtsextreme Polizist*innen

Politik

Die Basler Regierung zeigt wenig Bewusstsein für die Gefahr des organisierten Rechtsextremismus innerhalb der Polizei. Ihre «Massnahmen» zielen vollkommen am Problem vorbei.

Polizeistreife in Basel, Mai 2018.
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Polizeistreife in Basel, Mai 2018. Foto: Guillaume Vachey (CC BY-SA 4.0 cropped)

30. Juli 2021
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In jüngster Zeit mehren sich Meldungen über Rechtsextremismus in Polizei und Armee in Europa. In Frankreich drohten ehemalige Generäle und Offiziere der französischen Armee offen mit einem Putsch gegen die demokratisch gewählte Regierung, wenn diese die «Islamisierung Frankreichs» nicht stoppe.

In Deutschland wurde bekannt, dass die hessische Polizei von rechtsextremen Beamt*innen durchsetzt ist und dass diese Gewalttaten im Umkreis des NSU unterstützt haben. Der deutsche Innenminister Horst Seehofer hat in diesem Zusammenhang den Rechtsextremismus als die aktuell grösste Gefahr für die demokratische Ordnung Deutschlands bezeichnet (was ihn allerdings nicht davon abhielt, eine Studie zu Rechtsextremismus in der deutschen Polizei zu verhindern).

Auch in der Schweiz haben sich rechtsextreme Gewalttaten gemäss Lagebericht des Nachrichten dienstes des Bundes (NDB) von 2019 in einem Jahr mehr als verdreifacht (wobei der NDB von einem sehr engen Verständnis rechtsextremer Gefahren ausgeht). Belegt ist zudem, dass sich rechtsextreme Kreise international vernetzen. Insbesondere die Neonazi-Gruppen Deutschlands, der Schweiz, Frankreichs und Österreichs pflegen intensive Beziehungen. So schreibt der NDB in seinem Lagebericht von 2020: «Gerade die beiden grossen, internationalen Skinheadorganisationen Blood and Honour und Hammerskins ermöglichen, erleichtern oder festigen nicht nur individuelle Kontakte, sondern auch die Zusammenarbeit.» (Lagebericht NDB 2020, S. 52)

Immer wieder geraten auch Personen innerhalb der Schweizer Polizeikorps – wie etwa zuletzt in Basel – in den Fokus des NDB, weil sie in den sozialen Medien rechtsextreme Inhalte teilen. Bekannt wurde auch, dass Personen, die Kontakt zu rechtsextremen Kreisen hatten, für Schweizer Sondereinheiten Wettkämpfe in Deutschland organisierten. Dies betrifft sowohl die Basler Sondereinheit Basilisk wie die Zürcher Einheit Diamant. Entsprechend wurden sowohl in Basel wie in Zürich 2020 parlamentarische Anfragen zu rechtsextremen Netzwerken in der Polizei eingereicht. augenauf verlangt Antworten augenauf Basel hat den Basler Regierungsrat in einem Schreiben vom November 2020 dazu aufgefordert darzulegen, ob die Möglichkeit des organisierten Rechtsextremismus im Basler Polizeikorps ein Thema der Polizeiführung respektive des Justiz- und Sicherheitsdepartementes ist, und wenn ja, welche Massnahmen dagegen geplant sind.

In seiner Antwort vom 14. Dezember 2020 weist der Regierungsrat den Vorwurf der Untätigkeit (den augenauf Basel im Schreiben nicht erhoben hatte) zurück und schreibt: «Der Regierungsrat, unser Departement sowie die Kantonspolizei Basel-Stadt setzen sich seit mehreren Jahren mit dieser Problematik auseinander und legen grossen Wert auf die Ausbildung und Sensibilisierung des Korps. Gerade letzte Woche fand ein sogenannter Blue-Eyed-Workshop mit Mitarbeitenden der Kantonspolizei Basel-Stadt statt. Im Rahmen des Blue-Eyed-Workshops lernen die Teilnehmenden, wie Rassismus und Diskriminierung funktionieren, welche Wirkung Vorurteile auf Betroffene haben und wie es sich anfühlt, diskriminiert zu werden.»

Die Antwort des Regierungsrates ist exemplarisch für den verharmlosenden Umgang mit Rechtsextremismus in der bürgerlichen Politik. Das Problem des Rechtsextremismus wird auf ein mangelndes Bewusstsein von Individuen reduziert, die nicht wissen, wie sich «Diskriminierung anfühlt». Dabei wird 12 Nr. 108 Juni 2021 übersehen, dass Rechtsextremismus eine politische Ideologie ist, die Diskriminierung bewusst will und bejaht. Rechtsextreme bei uns sind nicht gedankenlos, sondern kämpfen für die Vorherrschaft und Vorrechte der Weissen («white supremacy»). Sie mit Sensibilisierungsworkshops aufzuklären, wäre vergleichbar mit der Hoffnung, Auftragskiller liessen von ihrem Geschäft ab, wenn sie merkten, dass getötet zu werden, keine so angenehme Erfahrung ist.

Nazis wissen genau, was es heisst, bestimmte Bevölkerungsgruppen zu beleidigen, zu entwürdigen und zu terrorisieren. Die Einschüchterung sozialer Minderheiten und politischer Gegner*innen ist Teil ihrer Strategie. Und die Frage, wie weit Rechtsextreme öffentlich auftreten und durch Aktionen provozieren, ist letztlich eine strategische Entscheidung. Dies hält auch der Lagebericht des NDB fest, wenn er, bezogen auf 2020, schreibt: «Das Bild der rechtsextremen Szene in der Schweiz ist seit dem letztjährigen Lagebericht diffuser geworden, von einem allgemeinen Aufbruch kann nicht die Rede sein. Viel eher bestätigt sich die damals formulierte Erwartung, dass sich der gewalttätige Rechtsextremismus in der Schweiz wieder in den Schatten zurückzieht.» (Lagebericht NDB 2020, S. 52)

Wenn Nazis wüssten, wie es sich anfühlt, diskriminiert zu werden … Beim organisierten Rechtsextremismus handelt es sich um eine international vernetzte, kriminelle politische Struktur, die, vergleichbar mit anderen mafiösen Organisationen, staatliche Institutionen infiltrieren und unterwandern will. Die Geheimhaltung ihrer Netzwerke kann daher Teil des Erfolgs sein. Polizeiinterne Massnahmen, die vor allem die Gesinnung einzelner Beamt*innen sensibilisieren sollen, sind für diese Problematik sicher kein taugliches Mittel.

Als Antwort auf unser Schreiben hatten wir erwartet, dass die Basler Regierung mit Rekurs auf die hohe Geheimhaltungsstufe ihrer Untersuchungen gegen potenzielle rechtsextreme Netzwerke in der Basler Polizei eine detaillierte Auskunft verweigert. Nicht gerechnet hatten wir mit einer Antwort, die unterstellt, dass Nazis aufhören, Nazis zu sein, wenn sie wissen, «wie es sich anfühlt, diskriminiert zu werden».

augenauf Basel

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