Anti-Bergbaugesetz verabschiedet El Salvador: Wenn ein Däumling einen Riesen besiegt

Politik

Am 29. März 2017 hat das Parlament El Salvadors einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das dem Metall-Bergbau im gesamten Staatsgebiet einen Riegel vorschiebt. Ein Sieg für das Land, Menschen und Umwelt.

Siegessicher - Umweltaktivist
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Siegessicher - Umweltaktivist Foto: Benjamin Schwab (CC BY-NC-ND 4.0 cropped)

30. Mai 2017
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Jubelschreie von der Besuchertribüne des salvadorianischen Parlaments. Unter Freudentränen und flatternden Transparenten, begleitet von flotten Trommelrhythmen, fallen sich Umweltaktivist/innen, Student/innen und Bauernvertreter/innen in die Arme.

El Salvador ist das kleinste und am dichtesten besiedelte Land Mittelamerikas. Auf einer Fläche knapp so gross wie Hessen leben sechs Millionen Menschen. Am 29. März hat das Parlament einstimmig ein Gesetz verabschiedet, das dem Metall-Bergbau im gesamten Staatsgebiet einen Riegel vorschiebt. El Salvador ist weltweit das erste Land, das die Exploration und den Abbau von metallischen Rohstoffen grundlegend verbietet. Lediglich Costa Rica hat 2010 mit einer ähnlichen Initiative den Tagebau gesetzlich untersagt.

Lina Pohl, ehemalige Leiterin des Landesbüros der Heinrich-Böll-Stiftung und aktuelle Umweltministerin El Salvadors im Kabinett der Linksregierung von Präsident Salvador Sánchez Cerén, ist euphorisch: “Heute ist ein historischer Tag für El Salvador!” Im gleichen Atemzug versichert die Ministerin, dass dies nicht möglich gewesen wäre ohne den jahrelangen unermüdlichen Einsatz von Umweltorganisationen und Kirchengruppen.

Zwölf Jahre Kampagnenarbeit, unzählige wissenschaftliche Studien, Sensibilisierungsreisen in vom Bergbau betroffene Regionen in Mittel- und Südamerika sowie lokale Referenden waren es, die der aktuellen Parlamentsentscheidung vorausgegangen sind.

Alejandro Labrador, einer der Koordinatoren des Landesweiten Netzwerks gegen den Bergbau, ist ebenfalls in Siegerlaune: „Es ist ein überragender Erfolg; etwas, das eines Tages geschehen musste. Es war lediglich eine Frage der Zeit. Nach all der Aufklärungsarbeit wussten irgendwann einfach alle, dass der Bergbau unserem Land nur schaden kann.“

Bis zuletzt schien ein Anti-Bergbaugesetz in El Salvador in weiter Ferne zu liegen. Das lag vor allem auch an einer starken Präsenz des Bergbausektors im Land. Im Jahr 2009 hatte der damalige Präsident Elías Antonio Saca ein Moratorium verhängt, das jegliche Abbaukonzession wegen ökologischer Bedenken bis auf weiteres auf Eis legte.

Als Reaktion verklagte der kanadische Konzern Pacific Rim den salvadorianischen Staat vor einem internationalen Schiedsgericht wegen Gewinnausfällen in Berufung auf ein gültiges Freihandelsabkommen.

Es folgte ein jahrelanger Rechtsstreit, den 2013 der kanadisch-australische Bergbauriese Oceana Gold, neuer Besitzer von Pacific Rim, fortführte. Das endgültige Urteil des Schiedsgerichts im Oktober 2016 fiel, zur Überraschung vieler, zugunsten des Staates aus und setzte weltweit einen Präzedenzfall in der Rechtsprechung zwischen Staaten und multinationalen Konzernen.

Zudem betrieb Oceana Gold in den letzten Jahren eine starke Image-Kampagne. Mit Kunstbegriffen wie „verantwortungsvollem“ oder gar „grünem Bergbau“ versuchte der Konzern, Politik und Öffentlichkeit davon zu überzeugen, dass Goldabbau heute keineswegs mehr umweltschädlich sei und, im Gegenteil, Arbeitsplätze schaffe und wirtschaftliches Wachstum und Entwicklung mit sich bringe.

Die speziell zu diesem Zweck gegründete konzerneigene Stiftung El Dorado unterstützte gezielt Bildungsprogramme und Projekte zu vermeintlich nachhaltiger Entwicklung in den Bauerngemeinden der potentiellen Abbaugebiete.

Die grosse Mehrheit der Bauern und Bäuerinnen liess dies jedoch unbeeindruckt. Sie wissen, dass der Abbau von Metallen wie Gold, Silber oder Kupfer nach wie vor eine grosse Gefahr für Mensch und Umwelt darstellt. Bei den aufwendigen Verfahren im Tage- oder Untertagebau kommen hochgiftige Chemikalien wie Quecksilber oder Zyanid zum Einsatz, die Böden und Grundwasser über Generationen hinwegverseuchen.

Immenser Wasserverbrauch

Ein weiterer Faktor ist der riesige Wasserkonsum des Bergbausektors. Eine mittelgrosse Goldmine verbraucht täglich sechs Millionen Liter. Das entspricht in etwa der Menge Wasser, die eine durchschnittliche Bauernfamilie für 30 Jahre benötigt.

Wasser ist in El Salvador ein besonders kostbares Gut. Der Río Lempa ist der einzige grössere Fluss des Landes und Trinkwasserquelle für über 70 Prozent der Bevölkerung. Eine Verschmutzung dieser Lebensader durch Schwermetalle würde eine humanitäre und ökologische Katastrophe bedeuten.

Doch auch wirtschaftlich ist der Bergbau in Mittelamerika laut einer aktuellen Studie von OXFAM und dem Centro de Estudios de Guatemala (CEG) keineswegs rentabel. Während die Minenkonzerne Millionengewinne abführen, bleibt nur ein Bruchteil davon im Land. Dies reicht, der Studie zufolge, nicht einmal aus, um die mittel- und langfristigen Umweltschäden zu beheben.

Don Gerardo Leiva sitzt im Schatten eines Baumes auf dem Platz vor dem Parlamentsgebäude, als die Entscheidung der Abgeordneten verkündet wird. Don Gerardo ist Kleinbauer und an diesem Tag aus der nördlichen Provinz Cabañas, wo eigentlich die Goldmine El Dorado entstehen sollte, in die Hauptstadt gekommen.

„Für uns ist es eine grosse Freude, zu sehen, dass all die Anstrengungen nicht umsonst waren. Es ist ein grosser Triumph für uns Bauern, aber auch für das ganze salvadorianische Volk, denn wir leben alle von dem was die Erde uns gibt und vom Wasser. Wir wissen, dass die Mine nichts als Zerstörung hinterlässt.“

Im Gegensatz zu den Nachbarländern Guatemala und Honduras werden in El Salvador aktuell keine Metalle abgebaut. Mit dem neuen Gesetz soll das auch künftig so bleiben. Ausserdem erlöschen automatisch alle laufenden Explorationskonzessionen. Der „Däumling Amerikas“, wie El Salvador liebevoll von seinen Bewohnern genannt wird, hat den Riesen Oceana Gold geschlagen. Nur wenige Tage nach der Parlamentsentscheidung hat der Weltkonzern seinen vollständigen Rückzug aus El Salvador angekündigt.

Der Widerstand geht laut Alejandro Labrador aber trotzdem weiter: „Es gibt noch viel zu tun. Auch wenn es in El Salvador keine Minen gibt, sind die Quellgebiete unserer Flüsse von laufenden Bergbauprojekten in Guatemala und Honduras bedroht. Ausserdem ist der Zugang zu sauberem Trinkwasser und Grundnahrungsmitteln in vielen Teilen des Landes noch immer nicht gesichert.

Dieser Kampf wird weitergehen. Es ist ein sozialer Prozess, hin zu mehr Demokratie und Gerechtigkeit. Heute können wir feiern, aber wir sind noch lange nicht am Ziel.“

Benjamin Schwab
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.