Oberstes Bundesgericht bestätigte die Ernennung Brasilien: Rassist als Beauftragter für schwarze Bevölkerung

Politik

Das brasilianische Kulturministerium hat einen rechten Aktivisten zum Beauftragten für die schwarze Bevölkerung ernannt.

In den Strassen von Rio de Janeiro.
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In den Strassen von Rio de Janeiro. Foto: Felipe Restrepo Acosta (CC BY-SA 4.0 cropped)

2. März 2020
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Unter dem ultrarechten Präsidenten Jair Messias Bolsonaro hat Brasilien wenig zu lachen: Der umstrittene Präsident fällt immer wieder mit frauen- und schwulenfeindlichen sowie rassistischen Aussagen auf, verteidigt die brasilianische Militärdiktatur, bedroht mit seiner Politik den Regenwald und torpediert die Menschenrechte der indigenen Bevölkerung. In der Vergangenheit sprach sich Bolsonaro unter anderem für den Einsatz von Foltermethoden aus und wollte homosexuelle Menschen mit Schlägen «heilen». Nun geht Bolsonaro auf Konfrontation mit der Schwarzen-Bewegung im Land.

Eigentlich hätte die staatlich finanzierte Palmares-Stiftung die Aufgabe, historisches Unrecht an der afro-stämmigen Bevölkerung Brasiliens aufzuarbeiten und deren politische Rechte zu schützen. Allerdings ernannte das brasilianische Kulturministerium kürzlich Sérgio Camargo zum Leiter, wie das Portal für Nachrichten und Analysen aus Lateinamerika, «amerika21», berichtet. Die Ernennung ist problematisch und führt den Zweck der Stiftung ad absurdum. Camargo relativiert Rassismus und Sklaverei. Mit seiner Ernennung geht der Umbau des brasilianischen Staatsapparates durch die politische Rechte weiter.

Fuchs bewacht Hühnerstall

Sérgio Camargo ist selber afro-stämmig und bezeichnet sich als «rechter Schwarzer». Im Internet äusserte er sich bereits vor seiner Berufung zum Rassismus im Land: Für ihn existiert in Brasilien nur ein «Nutella-Rassismus». Weiter äusserte er sich auch zur Sklaverei, die zwar «schrecklich, aber vorteilhaft für die Nachfahren» gewesen sei. Gemäss seinen Aussagen leben die Schwarzen Brasiliens heute besser als die schwarze Bevölkerung Afrikas.

«Wirklichen Rassismus gibt es nur in den USA. Die hiesigen Schwarzen beschweren sich nur, weil sie dumm und nicht informiert sind», sagt Camargo. Ausserdem forderte er das Ende des gesetzlichen Feiertags zur Erinnerung an die während Jahrhunderten unterdrückte schwarze Bevölkerung. Der Tag sei peinlich, sagte der neue Leiter der Stiftung, der in seiner Funktion mitverantwortlich für zukünftige Gedenkveranstaltungen sein wird.

Mit seinen Aussagen passt Camargo gut zur Linie der Regierung Bolsonaro, die die historische Aufarbeitung und Aufklärung als «linke Meinungsdiktatur» diffamiert. So will sich auch Camargo gegen eine «Opfer-Mentalität und das politisch Korrekte» einsetzen. Damit ist nun ein rechter Aktivist für die Aufarbeitung von historischem Unrecht und für den Schutz der Rechte der schwarzen Bevölkerung Brasiliens zuständig. Und das in einem Land, in dem mehr als die Hälfte der rund 210 Millionen Brasilianerinnen und Brasilianer als schwarz oder afro-stämmig gilt und überdurchschnittlich oft von Armut sowie fehlendem Zugang zu Bildung und Arbeit betroffen ist. Und in einem Land, in dem die Sklaverei bis 1888 legal war.

Wie «amerika21» schreibt, befürchten Aktivistinnen und Aktivisten der Schwarzen-Bewegung nach der Ernennung Camargos noch mehr Widerstand von staatlicher Seite. Die Professorin Ana-Lucia Araujo nannte die Ernennung «den Versuch, alles zu zerstören, was Afro-Brasilianer und ihre Bewegung seit dem Ende der Militärdiktatur aufgebaut haben».

Oberstes Bundesgericht bestätigte die Ernennung

Allerdings verlief die Ernennung von Sérgio Camargo nicht ohne Nebengeräusche. Infolge seines Geschichtsrevisionismus war der Ernennung ein monatelanger Rechtsstreit vorangegangen. Im November 2019 entschied ein Bundesgericht, Camargo nicht für das Amt zuzulassen. Der zuständige Bundesrichter folgte einem Antrag schwarzer Aktivistinnen und Aktivisten, wonach die Aussagen Camargos den Zielen der Schwarzen-Bewegung widersprechen.

Daraufhin kippte das Oberste Bundesgericht das Urteil aus formalen Gründen und gab die Ernennung Camargos zum Leiter der Palmares-Stiftung frei. Die Justiz habe sich unrechtmässig in die Kriterien zur Ernennung eingemischt, hiess es bei der Urteilsverkündung am 12. Februar. Die Kriterien seien aber einzig eine Aufgabe der Exekutive.

Nicht die erste umstrittene Ernennung

Mit der Ernennung Camargos geht der Umbau des brasilianischen Staatsapparates durch die politische Rechte weiter. Dies, nachdem die brasilianische Regierung erst kürzlich den Pastor Ricardo Lopes Dias zum Koordinator der Abteilung für nicht kontaktierte Völker der Indigenenbehörde Funai ernannt hatte. Die Ernennung von Dias stiess nicht nur in Brasilien, sondern auch international auf heftige Kritik. Dies, weil Dias in der Vergangenheit selber als Missionar tätig war und immer wieder bei Missionierungsversuchen im Amazonasgebiet teilgenommen hatte. Zwischen 1997 und 2007 missionierte Dias für die «Mission neue Stammesgruppen Brasiliens» (MNTB). Die in den USA gegründete Mission ist dafür bekannt, den Kontakt zu isoliert lebenden Gruppen erzwungen zu haben. Die MNTB wurde beispielsweise mit Epidemien in Verbindung gebracht, die das Zo'é-Volk 1982 auslöschten.

«Amerika21» beruft sich auf Antonio Eduardo Oliveira, den Direktor des Indigenen-Missionsrats der katholischen Kirche (Cimi). Dieser sagte, dass es bei der bisherigen Verfahrensweise der brasilianischen Regierung bezüglich isolierter indigener Völker um den Schutz und nicht etwa um Annäherung gegangen sei. Die Wahl von Lopes Dias zum Abteilungsleiter widerspreche dieser Philosophie. «Die Ernennung des Pastors steht im Einklang mit dem Wunsch der Regierung, diese Schutzfronten aufzuheben und zu einer Dynamik der Diktatur des Kontakts zu den Völkern zurückzukehren, was einen wahren Völkermord bedeutet, weil diese Völker sehr empfindlich auf jeden Kontakt reagieren».

Tobias Tscherrig / Infosperber