Zum migrantischen Arbeitskampf in Almeria Im Plastikmeer
Politik
Die zwischen Mittelmeerküste und der Betischen Kordillere gelegene Region Almería wird seit den 1990er Jahren durch intensivste Gemüseproduktion in Treibhäusern geprägt.
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Grosse Teile der Region sind durch Gewächshäuser aus Plastikplanen geprägt. Hier werden Tomaten, Paprika und Gurken für den europäischen Markt produziert. Foto: Benreis at wikivoyage shared (CC BY-SA 2.0 cropped)
Die zwischen Mittelmeerküste und der Betischen Kordillere gelegene Region Almería wird seit den 1990er Jahren durch intensivste Gemüseproduktion in Treibhäusern geprägt. Die Mehrheit der in der Landwirtschaft Beschäftigten haben Migrationserfahrungen, in den Gewächshäusern über 90%. Die meisten, ca. 80%, kommen aus Marokko und viele weitere aus subsaharischen Staaten, Osteuropa und Lateinamerika. Etwa 25 % des in West- und Mitteleuropa konsumierten Gemüses und Obstes wird in dieser Region angebaut und der Markt wächst.
Die regionale Gruppe der Gewerkschaft SAT-SOC entstand dort als Antwort auf die gravierenden rassistischen Pogrome Anfang Februar 2000 in El Ejido, einer Gemeinde im Umfeld Almerías. Seit ihrer Entstehung in Almería versuchen die Gewerkschafter*innen unter widrigsten Umständen und grossen persönlichen Aufopferungen die LandarbeiterInnen in den Gewächshäusern gewerkschaftlich zu vertreten und zu organisieren. Sie beraten die zumeist befristet oder als TagelöhnerInnen Beschäftigten in arbeitsrechtlichen Angelegenheiten und bringen jährlich allein in Almería 200 Klagen vor Gerichte. Gleichzeitig machen sie auf rassistische Ausgrenzung aufmerksam und starteten im Juli 2016 ein Programm zur Einbindung und Fortbildung von Frauen mit dem Namen “Area de la Mujer“. Circa 90 % der in den Verarbeitungs- und Verpackungshallen Beschäftigten sind weiblich und haben einen Migrationshintergrund. Für diese Frauen fehlt meist noch häufiger eine gewerkschaftliche Vertretung.
In den letzten Monaten begannen 22 LandarbeiterInnen sich gegen ihren Arbeitgeber Juarez y Maldonado S.L. aufgrund ihrer schlechten Arbeitsbedingungen, vor allem dem niedrigen Lohn und den langen Arbeitszeiten, zu organisieren und Kontakt mit der SOC-SAT aufzunehmen. Dies mündete im November letzten Jahres in einer Streikandrohung, woraufhin ein Schlichtungsverfahren eingeleitet wurde. In diesem kam es zu der Unterzeichnung eines Übereinkommens zwischen dem Unternehmen und 22 ArbeiterInnen, das vorsah, den Lohn und die Arbeitszeiten anzupassen: Anstatt 32 € für 8 Stunden zu zahlen, sollten nun 37,96 € für 6 ½ Stunden gezahlt werden. Ausserdem sollte der Lohn immer zum 5. des nächsten Monats ausgezahlt werden.
Ein erster Erfolg also. Doch als der Lohn für Februar nicht ausgezahlt wurde und die ArbeiterInnen ihre Rechte einforderten, wurden am 7. März alle, die damals das Übereinkommen unterzeichnet hatten, fristlos mit der Begründung entlassen, dass es in den Gewächshäusern nichts mehr zu tun gebe. Den erst nach Beginn des Arbeitskampfes eingestellten ArbeiterInnen wurde nicht gekündigt. Daraufhin reichte die SOC-SAT am 9. März bei der Arbeitsinspektion Beschwerde gegen Juarez y Maldonado S.L. ein. Am 13. März wurde eine Klage erhoben.
Letzten Freitag hielten die Arbeiter_innen mit Unterstützung der SOC-SAT und des Interbrigadas e.V. eine Kundgebung vor dem Eingang des Gewächshauses ab, in dem sie zuvor gearbeitet hatten. Diese brachte auch die leise Hoffnung zum Ausdruck, persönlich mit einem der Vorgesetzten ins Gespräch zu kommen. Vor allem aber zeigten die Betroffenen Präsenz und Mut, ihre Situation publik zu machen und dies ist auch weiterhin ihr Ziel. In den nächsten Tagen sollen weitere Kundgebungen vor dem Gewächshaus und vor dem Büro des Unternehmens stattfinden.
Die Arbeiter*innen sind entschlossen, ihre strukturelle Schutzlosigkeit nicht weiter zu akzeptieren und sowohl rechtlich als auch politisch gegen diese vorzugehen. Vor allem wollen die Arbeiter*innen nicht akzeptieren, dass die Kündigung ohne ihre Unterschrift vollzogen wurde, obwohl dies das spanische Arbeitsrecht so vorsieht.
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