Steuerreform 2016: Mehr im Börsel für Berufspolitiker Österreich: Kommentar zur Steuerreform

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In den zwanzig Jahren seit Österreichs Beitritt zur Europäischen Union hat in unserem Land - so wie in allen anderen Mitgliedsstaaten auch - eine beispiellose Umverteilung von unten nach oben stattgefunden.

Dunkle Wolken über Wien, der Hauptstadt von Österreich.
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Dunkle Wolken über Wien, der Hauptstadt von Österreich. Foto: Mimikama (PD)

20. Januar 2016
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Aus dem aktuellen Einkommensbericht des Rechnungshofs geht hervor, dass das Nettoeinkommen von Kleinverdienern seit 1998 um sage und schreibe 44 % gesunken ist.

Im Klartext: Jene 10 % der arbeitenden Bevölkerung, die 1998 ohnehin schon am schlechtesten dran waren, müssen heute mit der Hälfte jenes Einkommens ihr Auslangen finden, das ihnen damals noch zur Verfügung stand. Die so genannten ‚working poor', die vor zwanzig Jahren noch als amerikanisches Phänomen galten, sind heute also auch bei uns längst traurige Realität geworden.

Was die mittleren Einkommen angeht, so sind sie seit 1998 in etwa gleich geblieben.

Signifikant gestiegen sind hingegen die Realeinkommen der Beamten, nämlich um durchschnittlich 20 Prozent, was möglicherweise daran liegt, dass die meisten Mitglieder unserer Politikerkaste dieser Berufsgruppe angehören.

Noch deutlicher als bei der Einkommensentwicklung zeigt sich die schon erwähnte Umverteilung von unten nach oben bei den Vermögenszuwächsen: Seit 1995 sind die Dividendenausschüttungen und Gewinnentnahmen der Kapitalgesellschaften um unfassbare 360 Prozent gestiegen. Der Vermögenszuwachs der Reichen und Superreichen unseres Landes beläuft sich im Durchschnitt auf sieben Prozent pro Jahr, was zur Folge hat, dass ein Prozent der österreichischen Bevölkerung mittlerweile über mehr als ein Drittel des gesamten Privatvermögens in unserem Land verfügt. Tendenz steigend.

Geld bringt eben Geld. Und damit sich daran auch in Zukunft nichts ändert, wurde das Thema ‚Vermögenssteuern' bei den Verhandlungen zur Steuerreform 2016 sehr rasch wieder unter den Tisch gekehrt, weil reiche Politiker für gewöhnlich auch reiche Freunde haben, und Freundschaften muss man pflegen...

Immerhin wurde von den Regierungsparteien im Vorfeld dieser Reform vollmundig angekündigt, dass vor allem Kleinverdiener von dieser Reform profitieren würden, um ihre Kaufkraft zu stärken und die Kluft zwischen Arm und Reich in unserem Land nicht noch grösser werden zu lassen, als sie ohnehin schon ist. Was dabei herauskam - die Steuerreform, die am 1. Januar 2016 in Kraft getreten ist - wurde von den Abgeordneten der beiden Regierungsparteien unisono als grosser Erfolg gefeiert. Und das ist sie auch. Nur leider nicht für die Kleinverdiener, sondern vor allem für ihr eigenes Börsel.

Tatsache ist nämlich, dass Grossverdiener - und dazu gehören selbstverständlich auch Parlamentsabgeordnete - von dieser Steuerreform viermal mehr profitieren als jene Kleinverdiener, für die sie doch eigentlich gedacht war. Beispielsweise erspart sich eine teilzeitbeschäftigte Arbeiterin mit einem monatlichen Bruttogehalt von 1.300 Euro pro Jahr 431 Euro. Das sind 36 Euro pro Monat.

Bei einem Industriearbeiter mit einem monatlichen Bruttogehalt von 2.000 Euro beträgt die Ersparnis 882 Euro pro Jahr oder 73 Euro pro Monat. Und bei einem Grossverdiener - wie zum Beispiel einem Berufspolitiker - beträgt die jährliche Ersparnis satte 2.180 Euro, also mehr als das Monatsgehalt eines Schwerarbeiters, der dafür seine Gesundheit einbüsst.

Natürlich könnte man an dieser Stelle einwenden, dass auch eine Ersparnis von immerhin 431 Euro pro Jahr nicht zu verachten sei. Und dieser Einwand ist sogar berechtigt, weil gerade Kleinverdiener jeden zusätzlichen Euro bitter, bitter bitter nötig haben.

Wenn man sich allerdings vergegenwärtigt, dass die Kluft zwischen Arm und Reich durch diese Reform nicht bloss nicht verkleinert, sondern sogar noch zusätzlich vergrössert wird, so kann man sie wohl kaum noch ruhigen Gewissens als sozial ausgewogen bezeichnen. Der berühmte Komiker Karl Valentin behauptete einmal, ständig eine Uhr ohne Zeiger mit sich herumzutragen.

„Eine Uhr ohne Zeiger, die hat doch gar keinen Wert“, stellte er sachlich fest. „Aber in dem Moment, wo ich sie dem Uhrmacher gebe, hab ich gar keine, also ist's doch gescheiter, wenn ich wenigstens die habe, wenn sie auch nicht geht.“

Und genauso verhält es sich mit dieser Steuerreform: Sie ist eine Uhr ohne Zeiger.

Dietmar Füssel