Der Diskurs verschiebt sich immer weiter nach rechts AfD-Festspiele im ZDF

Politik

20. September 2019

Grinsebacke Dunja Hayali und ihr nicht minder wichtigtuerischer Kollege Markus Lanz schossen den Vogel ab.

Alexander Gauland in der WDR-Sendung «Maischberger», Januar 2019.
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Alexander Gauland in der WDR-Sendung «Maischberger», Januar 2019. Foto: © Superbass (via Wikimedia Commons) (CC BY-SA 4.0 cropped)

20. September 2019
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In gemeinsamer Anstrengung schafften sie es wenige Tage nach den Landtagswahlen in Sachsen und Brandenburg, die Spitzen der protofaschistischen AfD an ein und demselben Abend in ein und demselben Programm unterzubringen, im ZDF. Bundessprecher Jörg Meuthen durfte sich im Talk von Hayali ausbreiten, kurz danach der andere Bundessprecher der Partei, Alexander Gauland, bei Lanz. Von „AfD-Festspielen“ sprachen Medien.

Unfreiwillig gaben die Redaktionen der Talkshows damit einen Hinweis darauf, wer einen wesentlichen Anteil am Aufstieg der AfD hat, der am 1. September mit den Erfolgen in den beiden ostdeutschen Bundesländern einen vorläufigen Höhepunkt erreichte. Nicht „die Medien“, wie es inzwischen gern heisst – sondern nur ein Teil dieser Medien, nämlich die bürgerlichen Medien, allen voran die TV-Talkshows der öffentlich-rechtlichen Sender. Sie haben den Salon-Nazis eine Bühne geboten und damit das Fundament zu ihrem Aufstieg gelegt. Unvergessen etwa der Auftritt von Björn Höcke mit Deutschlandfähnchen am Stuhl bei Günther Jauch.

In der linken Debatte über die Erfolge der AfD und den allgemeinen Rechtsruck wird die Rolle der Medien zwar immer wieder thematisiert, aber nach wie vor notorisch unterschätzt. Das gilt auch für die Kehrseite dieser Erfolge, die Probleme der Linkspartei respektive der Linken insgesamt, mit ihren Konzepten im Osten wie im Westen durchzudringen.

Die bürgerlichen Medien stellen die Weichen, sie setzen die Themen. Und der Diskurs verschiebt sich quasi automatisch immer weiter nach rechts, weil Hass und Hetze in einer Gesellschaft, in der die Menschen systematisch dumm gehalten und rund um die Uhr manipuliert werden, einen guten Nährboden finden. Umgekehrt haben Analyse und Aufklärung keine Chance. So kann die Agenda der Rechten sich völlig frei entfalten, nämlich den Unzufriedenen diejenigen als Sündenböcke anzubieten, denen es noch schlechter geht als ihnen – etwa Geflüchtete, Obdachlose oder Drogenabhängige.

Für die Herrschenden ist das eine komfortable Situation. Mit wenigen Stellschrauben lässt sich über ihre Medien die Wut kanalisieren und lenken, ablenken vor allem von den wahren Verursacher*innen und Profiteur*innen von Ausbeutung und Verarmung der Massen. Der Faschismus oder Vorstufen davon bleiben dabei immer eine Option für die Herrschenden, eine Trumpfkarte in ihrem Ärmel. Auch diese systemische Ursache für die Stärke der Rechten wird in linken Debatten zu oft verkannt.

So demonstrieren weite Teile der Partei Die Linke derzeit, wie wenig sie noch mit wirklicher Systemkritik und Antikapitalismus zu tun haben. Die bei weitem bekloppteste Reaktion auf die Erfolge der AfD bei den Wahlen in Sachsen und Brandenburg ist dabei das Gerede mancher Linkspolitiker*innen darüber, man müsse „die Sorgen der Menschen im Osten“ endlich ernst nehmen. Mit derartigen Äusserungen steigt man auf bürgerliche Diskurse ein.

Die meisten Linken-Politiker*innen sind offensichtlich längst vom Parlamentarismus absorbiert worden und zu klarem Denken nicht mehr bereit und in der Lage. Eine radikale Kritik am System liegt ihnen ebenso fern, wie der Glaube an dessen Überwindbarkeit. So ist gegen die Rechten natürlich kein Blumentopf zu gewinnen. Um so mehr kommt es in dieser historischen Situation auf die ausserparlamentarische Linke an, auf Bewegungen und die Antifa.

Kristian Stemmler / lcm