Grundbesitzer und Immobilienentwickler Wohnungsnot & Wohnungsbau – eine deutsche Dauerbaustelle

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Politik

Eine Gipfelleistung der Sozialen Marktwirtschaft war Thema bei einem eigenen Gipfel. Kann man aufatmen?

Schnelle und billige Erschaffung von Miethäusern durch die sogenannte Modulbauweise gegen die Wohnungsnot in Dresden, September 2018.
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Schnelle und billige Erschaffung von Miethäusern durch die sogenannte Modulbauweise gegen die Wohnungsnot in Dresden, September 2018. Foto: Jörg Blobelt (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 13. November 2023
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Bundeskanzler Olaf Scholz und Bundesbauministerin Klara Geywitz (SPD) hatten Ende September zum Wohnungsbaugipfel der Regierung geladen, um ihre Massnahmen zur Anregung der Baukonjunktur bekannt zu geben. „Nach Wohnungsgipfel im Kanzleramt: Keine Entspannung auf Mietmarkt in Sicht“ resümierte Telepolis.

Und auch die Gewerkschaft Verdi klagte unter der Überschrift „Wohnungen bezahlbar bauen!“ darüber, dass die Beschlüsse „letztlich nur der Immobilienwirtschaft und Immobilienbesitzern nutzen“; „neue bezahlbare Mietwohnungen (sind) offenbar nicht das vorrangige Ziel des Ampel-Papiers“ (WiPo aktuell, Okt. 2023). Selbst vom unternehmernahen Institut der deutschen Wirtschaft (IW) kam jüngst (Junge Welt, 28.10.2023) die besorgte Meldung: „Wohnkosten machen das Leben teurer.“

Seit dem Gipfel ist das Thema wieder etwas in den Hintergrund gerückt, aber natürlich nicht aus der Öffentlichkeit verschwunden. Bei einer Kommunalkonferenz im Oktober sprach sich Scholz „für einen Neubau ganzer Stadtviertel im Kampf gegen den Wohnungsmangel in Deutschland aus“ (Junge Welt, 21./22.10.2023). Es brauche vor allem, so die ewig wiederholte Litanei, „geförderten Wohnungsbau und bezahlbare Wohnungen“. Die Wohnungsnot, als deren Lösung der Gipfel angekündigt war, bleibt also nach wie vor akut.

Die Gipfelerklärung war übrigens nicht die erste Ankündigung in dieser Sache. Schliesslich war die SPD mit dem Versprechen in den Wahlkampf gezogen, jährlich 400 000 Wohnungen zu bauen (Gerhard Matzig, SZ, 26.9.2023). Im letzten Jahr waren es weniger als 300 000 und in diesem Jahr werden es wahrscheinlich noch weniger sein. Hätten die Regierenden in der DDR oder in der Sowjetunion solche hochgegriffenen Zahlen verkündet, wäre das in der westlichen Presse mal wieder der Beweis für die Untauglichkeit der Planwirtschaft gewesen. Wenn hierzulande „die Wirtschaft“ nicht in der Lage ist, Grundbedürfnisse von Menschen wie etwa das Wohnen zu befriedigen, will niemand die hiesige Wirtschaftsweise in Frage stellen. Statt dessen beschäftigt Politiker wie Medien in erster Linie die Frage, wie denen, die am Geschäft mit Wohnungen verdienen, geholfen werden kann.

Dass es mit der Erstellung von ausreichendem Wohnraum für die Bürger des Landes nie klappt – das Thema Mieten regt ja die Öffentlichkeit seit Bestehen der Bundesrepublik auf: mal als Wohnungszwangswirtschaft, mal als Frage der zulässigen Miethöhe verhandelt –, liegt eben daran, dass nicht die Regierung die Wohnungen bauen lässt, sondern dass das Erstellen von Wohnraum zu einer Geschäftsgelegenheit gemacht worden ist, an der viele verdienen wollen und laut politischem Beschluss auch sollen. Deshalb hier ein Blick auf die Akteure, die an besagter Dauerbaustelle tätig sind.

Die Grundbesitzer

Grund und Boden ist ein Naturprodukt, also von niemandem erstellt oder geschaffen. Dass dieses eigenartige Produkt einen Preis hat, ist eine staatliche Leistung. Die kommt dadurch zustande, dass die Gesetzgebung Menschen oder Institutionen die Verfügungsgewalt über ein Stück Natur zuspricht. Grund und Boden ist nicht vermehrbar und so haben die Besitzer ein Monopol auf die Nutzung, die alle anderen ausschliesst. Doch Wohnen oder Produzieren braucht Fläche. Damit haben die Grundbesitzer die Möglichkeit, nicht beim Ausschluss stehen zu bleiben, sondern von den Nichtbesitzern Geld – entweder als Pacht oder als Kaufsumme – abzupressen.

Wer am meisten zahlt bekommt die Nutzungsmöglichkeit oder das Grundstück. Dieses Verhältnis voll wirken zu lassen, würde aber die Mehrheit der Bevölkerung im Lande ruinieren und auch die Wirtschaft in grossen Teilen lahm legen. Deshalb ist bei aller Sicherung des Eigentums, die in unserer Wirtschaftsordnung als das A und O gilt, die Nutzung der Eigentumsmacht eingeschränkt. In staatlichen Flächennutzungsplänen ist festgelegt, welche Flächen für welche Zwecke genutzt werden dürfen, und entsprechend ergeben sich daraus unterschiedliche Preise.

Die Landwirtschaft wirft ohne staatliche Förderung kaum Gewinne ab und dennoch wird sie gebraucht. Es werden daher Gebiete zu diesem Zweck ausgewiesen und so sind landwirtschaftliche Flächen relativ billig. Was nicht ausschliesst, dass diese Flächen zu Spekulationsobjekten werden. Das bringt dann die Bauern in Bedrängnis. Die Umwandlung von Agrarland in Bauland oder Gewerbegebiet per politischem Beschluss macht Eigentümer von Agrarflächen von heute auf morgen zu reichen Zeitgenossen. Mit Wohnbebauung oder Industrieansiedlung sind nämlich ganz andere Gewinne zu erzielen – und somit steigt der Preis dieser Flächen.

Wie das Beispiel zeigt, gehört Grundstücksspekulation zum System dazu. Und sie gab es in der BRD von Anfang an, wobei sie in der letzten Zeit wieder besondere Bedingungen vorfand: „Immer höher und höher schossen die Bewertungen für Grundstücke und alte Häuser, nicht nur in Bestlagen. Verlockt von Zinsen nahe dem Nullpunkt steckten Investoren wie Häuslebauer Unsummen in Immobilien – oft schlicht aus Angst, dass es bald noch teurer werden würde.“ (SZ) Eine günstige Geschäftsgelegenheit will natürlich niemand verpassen, der über Geld verfügt. Und mit wachsender Bevölkerungszahl und wachsender Wirtschaft kann man langfristig davon ausgehen, dass Grundstücke immer teurer werden. Dabei gibt es natürlich auch Unterschiede, schliesslich findet in den Metropolen mehr Geschäft statt, werden mehr Menschen gebraucht. Also lässt sich für die Nutzung oder den Verkauf eines Grundstückes dort mehr erzielen als in ländlichen Regionen.

Die Immobilienentwickler

So heissen die Menschen oder Unternehmen, die Grundstücke kaufen und diese Grundstücke für die Bebauung vorbereiten und/oder diese dann realisieren. Egal, ob die Flächen mit Einfamilienhäusern bebaut werden oder mit Bürotürmen, die jeweiligen Grundstücke werden nach dem Kriterium ausgewählt, dass die Erschliessungen und die darauf errichteten Bauten hohen Gewinn versprechen. Dafür wird meistens viel Kredit bei Investoren eingesammelt, die ebenfalls Gewinn machen wollen. Und oft werden die Bauten erst erstellt, wenn die Wohnungen oder Flächen bereits verkauft oder verpachtet sind. Das setzt voraus, dass diese Bauten auch zum kalkulierten Preis erstellt werden können.

Die Spekulation basiert allerdings auf Annahmen der Zinsentwicklung und der Baupreise, die nicht immer aufgehen müssen: „Entwickler wie die Gerch Group aus Düsseldorf, Project Immobilien aus Nürnberg, Euroboden aus München oder Development Partner und Centrum aus Düsseldorf haben in den vergangenen Wochen Insolvenz angemeldet.“ (SZ) Damit ist das Spiel aber nicht zu Ende. Mit der Insolvenzmasse lässt sich ebenfalls spekulieren, gehören doch dazu eventuell Grundstücke oder Bauruinen, die sich billig erwerben und weiter nutzen lassen. Als Insolvenzmasse landen sie in der Regel bei den Banken, die sich ihre Kredite durch Anrechte auf die Grundstücke oder Bauten absichern, die diese aber nicht selber nutzen können. So veräussern sie das Zeug und eröffnen damit die Basis für neue Spekulationen.

Die Bauindustrie

Der Bau von Wohnungen umfasst viele Gewerke, die alle koordiniert sein wollen und auch verdienen wollen. Die einzelnen Gewerke werden ausgeschrieben und so konkurrieren die verschiedenen Firmen mit dem Preis ihrer Leistungen. Sie müssen also billig sein, um den Zuschlag zu erhalten, und dennoch sollen sie selber wieder Gewinn bringen. Der Kostendruck erfährt dabei eine differenzierte Betrachtung: Während die Materialpreise von den Lieferanten vorgegeben sind, lässt sich am Lohn der Beschäftigten drehen.

So vergeben viele Baufirmen Leistungen an Subunternehmen vor allem aus Osteuropa, deren Beschäftigte nach den dort herrschenden Tarifen bezahlt werden und somit billig sind. Und auf dem Bau ist es auch durchaus üblich, dass Arbeitsverträge nicht schriftlich, sondern per Handschlag geschlossen werden – was nicht immer heisst, dass die Unternehmen auch Steuern und Sozialabgaben für ihre Beschäftigten abführen oder überhaupt Löhne zahlen. Schwarzarbeit findet sich daher häufig auf Grossbaustellen und so haben der Zoll und die Gewerbeaufsicht auch eine Daueraufgabe zu bewältigen.

Und was der Druck auf die Beschäftigten noch bewirkt, wird ab und zu als Skandalmeldung in der Zeitung gebracht. So gab es Ende Oktober einen Baugerüst-Unfall in der Hamburger HafenCity, bei dem vier (ausländische) Bauarbeiter umkamen. Laut Pressemeldung „ein tragischer Arbeitsunfall“. Die Tragik, die hier waltet, hat allerdings System. „Alle drei Tage stirbt ein Arbeiter auf dem Bau“ (tagesschau.de, 8,4.2023), denn „Baustellen gehören nach wie vor zum Sorgenkind in Sachen Arbeitsschutz.“ Ausserdem gebe es eine Dunkelziffer, die vermutlich deutlich höher sei: „Zum einen werden viele – gerade kleinere Unfälle – gar nicht gemeldet. Zum anderen werden da, wo ausländische Beschäftigte auf Baustellen arbeiten, Unfälle vielfach bagatellisiert oder vertuscht.“ Warum das so ist, klingt in den Klagen der zuständigen Gewerkschaft IG Bau, die ja die Beschäftigungsverhältnisse am Bau mit den Arbeitgebern regelt, am Schluss auch noch dezent an: „Hoher Kosten- und Zeitdruck“ könnten dazu führen, dass „der Arbeitsschutz vernachlässigt“ wird.

Die Banken

Ob Einfamilienhäuser, Eigentumswohnungen oder Wohnblocks ohne Kredite lassen sich keine Bauvorhaben durchführen und so gehören die Banken zu den sicheren Gewinnern der Baubranche. Durch Zins und Zinseszinszahlungen wächst so der Preis für ein Eigenheim schnell auf die doppelte Summe, die meist über dreissig Jahre getilgt werden muss. Deshalb bestimmt die Zinshöhe wesentlich die Baukosten. Statt für Miete zahlen Eigenheimbesitzer dann so lange Jahre an die Bank, die sich bis zur Tilgung des Kredits den Zugriff auf das Haus und Grundstück sichert und dies im Fall des Falles – siehe die Bewältigung der Finanzkrise 2007/08 auf dem US-Immobilienmarkt – auch gegen die Wohnbedürfnisse der Nutzer brutal geltend macht. Der Wohnungsgipfel sah hier ebenfalls eine Problemlage. Wie damals die Presse meldete (tagesschau.de, 25.9.2023), gebe es für den Rückgang der Bautätigkeit einen wichtigen politischen Grund: „Seit Mitte 2022 (sind) die Leitzinsen durch die Europäische Zentralbank (EZB) deutlich angehoben worden. Dadurch liegen die Bauzinsen derzeit bei vier bis fünf Prozent.“

Der Mietmarkt

Die meisten Menschen im Lande können sich Wohneigentum nicht leisten. Und obwohl Deutschland als wohlhabend gilt, verfügen deutlich weniger Menschen über ein eigenes Zuhause als Bürger von arm geltenden Ländern wie Griechenland oder Italien. Deutschland ist daher „Mietland“. Dass deutsche Bürger meist mehr verdienen als Bürger anderer Länder gilt als Wohlstandsausweis. Dabei wird unterschlagen, dass vom Lohn oder Gehalt hierzulande zunächst einmal 40 Prozent weggehen an Steuern und Sozialabgaben – Geld, das Arbeitnehmer gar nicht erst zu Gesicht bekommen. Und wenn dann noch 30 Prozent für Wohnen drauf gehen (in den Ballungsgebieten werden z.T. noch andere Spitzenwerte erreicht), dann ist die Summe, die übrig bleibt und zum Leben reichen soll, meist sehr beschränkt und zwingt zum Einteilen.

Diese breit beklagte Notlage verdankt sich der Tatsache, dass die Betreffenden ihren Lebensunterhalt als Arbeitnehmer verdienen müssen. Denn sie verfügen über nichts anderes als sich selbst, sprich ihre Arbeitskraft. Ihren Lebensunterhalt können sie nur dann bestreiten, wenn sich ihre Beschäftigung lohnt, nämlich für einen Arbeitgeber, der sich zur Schaffung eines Arbeitsplatzes bereit findet. Lohnend ist die Beschäftigung dann, wenn Kosten für Lohn und Gehalt geringer sind als die geldwerten Leistungen, die diese Menschen erbringen. Deshalb fallen die Einkommen immer so gering aus, dass sie für eine anständige Wohnung kaum reichen.

Verwiesen ist die Masse der Bevölkerung damit auf einem Wohnungsmarkt, auf dem die Wohnungsbesitzer vorgeben, was der Wohnraum pro Zeit kostet. Und so stösst bei den Ansprüchen der Wohnungsbesitzer so mancher, der natürlich die freie Wahl auf dem Markt hat, schnell an eine unüberwindbare Schranke: an die Grenzen seines Einkommens. Gesucht wird daher immer „bezahlbarer Wohnraum“. Das heisst nichts anderes, als dass viele Mieten von normalen Einkommensbeziehern nicht zu bezahlen sind. Mit bezahlbarem Wohnraum wird ein Verhältnis aufgemacht zwischen Einkommen und entsprechenden Wohnungen, wobei dieses Entsprechungsverhältnis immer bedeutet, dass die Menschen ihre Ansprüche an Wohnungen ihren Einkommensverhältnissen anzupassen haben.

So gibt es durchaus Penthouse-Wohnungen und Luxusvillen zu kaufen oder zu mieten, wenn man denn das entsprechende Geld hat. Wer dies nicht hat, findet sich in beengten Wohnverhältnissen an einer lauten Strasse oder jottwede wieder, wenn er denn überhaupt eine Wohnung findet. Bedient wird der Wohnungsmarkt von vielen kleinen Anbietern und von riesigen Wohnungsunternehmen wie Vonovia, LEG, Vivawest und anderen. Diese haben Wohnen zu einem grossen Geschäft gemacht mit entsprechenden Renditen für ihre Anleger. Und dafür müssen die Kosten genau kalkuliert werden. Für die Mieter bedeutet das oft, dass an der Instandhaltung ihrer Wohnungen gespart wird oder sie wegen Renovierungen verstärkt zur Kasse gebeten werden.

Staatliche Wohnungsbaupolitik

Wohnen ist zwar ein menschliches Grundbedürfnis, so dass mancher von einem Menschenrecht spricht. Eingeklagt werden kann dieses Recht allerdings nicht. Es gehört deshalb zu einer kontinuierlich zu regelnden Staatsaufgabe, weil Wohnen eine Grundbedingung für das Funktionieren der Gesellschaft ist. Damit Menschen arbeiten, unterrichten oder andere beaufsichtigen können, müssen sie ein Dach über dem Kopf haben. Damit, dass staatlicherseits Wohnen zu einer Geschäftssphäre gemacht worden ist, hat die Politik sich allerdings eine Vielzahl von Aufgaben eingehandelt. So wird aktuell über die überbordende Bürokratie geklagt, die das Bauen so teuer macht:

„Im Jour fixe habe man im Kreis von gut und gerne zehn Fachplanern auf kafkaeske Weise geklärt, ob die sich aus diversen Regeln ergebenden Geländerhöhen (für Kinder: 60 bis 80 Zentimeter; für Behinderte 85-90 Zentimeter; für Arbeitsstätten 110 Zentimeter) im Ergebnis nicht zu einem Treppenlauf mit drei verschiedenen Handläufen in drei verschiedenen Höhen führen müssten.“ (SZ)

Wenn man davon absieht, wozu die Bestimmungen getroffen werden, dann erscheinen die Regelungen natürlich absurd. Sie stellen – wie selbst dem Laien erkennbar – Mindesthöhen dar, die verhindern sollen, dass Kinder herunterfallen, Behinderte stürzen oder Menschen sich bei der Arbeit aus Unachtsamkeit gefährden. Dabei sprechen die verschiedenen Vorschriften von Statik über Schallschutz bis hin zur Dämmung eine beredte Sprache, was die Bauwirtschaft aus Geschäfts- und Kostengesichtspunkten alles abliefern würde, wenn man sie liesse. Ohne Statikvorschriften würde wahrscheinlich so manches Haus zusammenbrechen, ohne Schallschutzvorschriften könnte man die Schritte des Nachbarn über sich hören und am Sexualleben des Paares nebenan teilnehmen. So zeugt das Urteil des SZ-Schreibers von einer gehörigen Ignoranz und Dummheit:

„Es gibt zu viel von allem, was als Baunorm oder Bauprodukt nicht dem Bau von Räumen, sondern nur dem teuren Überbau raumgreifender Bedenken zugute kommt.“ Als Abhilfe gegen Lärmbelästigung kennt der Mann daher ein einfaches Mittel: „dafür gab es mal die tolle Erfindung der Türklingel und ein kurzes klärendes Gespräch unter Nachbarn.“ (SZ) Nicht nur um die Produkte der Bauindustrie muss sich der Staat kümmern, sondern auch um den Mietpreis. Weil das Ergebnis des Mietmarktes immer einen Teil der Bevölkerung völlig überfordert, gibt es den sozialen Wohnungsbau, der die Wohnungsnot lindern soll. Früher waren in diesem Sektor kommunale Stellen oder Landesgesellschaften aktiv und haben bezahlbaren Wohnraum erstellt. Das ist schon länger Historie. Gerade auch unter der rot-grünen Regierung 1998ff wurden diese staatlichen Wohnungsunternehmen privatisiert. Gesetzt wird auf die Privatwirtschaft.

Zur Begrenzung der Miethöhe wurde dann die Mietpreisbremse eingeführt. Eine sonderbare Erfindung, die die Mietsteigerungen eingrenzen, aber das Geschäft mit der Vermietung nicht behindern soll:

„Die Mietpreisbremse deckelt die Preis bei Neuvermietung, die Kappungsgrenze gilt bei bestehenden Mietverhältnissen. Sie regelt, dass die Miete für ein Mietobjekt innerhalb von drei Jahren höchstens um 20 Prozent steigen darf.“ (https://ratgeber.immowelt.de)

Dass eine solche Bremse nur eins bewirkt, nämlich steigende Mieten im Rahmen des Erlaubten (sogar mit Ausnahmen bei Modernisierung und Sanierung), sollte also niemanden überraschen. An solchen erlaubten Steigerungssätzen sollten sich deutsche Gewerkschaften einmal orientieren!

Der Gipfel

Wenn die Regierung sich um fehlende Wohnungen sorgt, für die die Geschäftssphäre geradestehen soll, dann sorgt sie sich um deren Geschäftserfolg. Und da verwundert es nicht, was den Regierenden so alles einfällt, z.B. „wolle man den Ländern eine flexiblere Gestaltung der Grunderwerbsteuer ‚ermöglichen'.“ (SZ) Ein Vorschlag, der darauf verweist, dass der Staat – in diesem Fall die Länder – sich auch noch an jeder geschäftlichen Transaktion durch Steuern bedient. Deshalb ist er ja an Wirtschaftswachstum interessiert.

Nun sollen die Länder auf einen Teil dieser Steuern verzichten, die bei Kauf und Verkauf von Grundstücken anfallen. Wie die geschäftlichen Akteure mit diesen gesenkten Steuern umgehen, ist dann deren Sache. Geringere Steuern auf einem Verkaufspreis bieten die Möglichkeit, diesen zu erhöhen, wie auch die Möglichkeit, leichter ein Grundstück zu erwerben. Ein Angebot für Spekulanten ebenso wie für den kleinen Häuslebauer.

Doch damit nicht genug: „Schon bekannt war die Wiedereinführung der sogenannten degressiven Afa, eine Sonderabschreibung für Wohnimmobilien, zudem gibt es Anstrengungen beim Sozialen Wohnungsbau.“ (SZ)

Angeboten werden denen, die mit der Wohnungsnot ihr Geschäft betreiben, weitere Steuererleichterungen in Form von Sonderabschreibungen. Anstrengungen im Sozialen Wohnungsbau beinhalten staatliche Kreditförderung, die das Bauen billiger machen soll, verbunden mit Auflagen bezüglich der Miethöhe. Diese Einschränkung gilt allerdings nur zeitlich begrenzt, nach Wegfall der Mietbindung verfügen dann die Unternehmen über einen frei einsetzbaren Wohnungsbestand, der für sie billig erstellt wurde.

Änderungen soll es auch bei den Bauvorschriften geben: „Der Energieeffizienzstandard EH40 wird für den Rest der Legislaturperiode ausgesetzt.“ (SZ) Damit stellt die Regierung ein weiteres Mal klar, welchen Stellenwert Umweltschutz für sie hat. Umweltschutz soll zwar irgendwie sein, soll aber das Wirtschaftswachstum fördern und nicht behindern. Da wo die Wirtschaft schrumpft, hat Umweltschutz eben zurückzutreten.

Mit diesem Massnahmenbündel soll das Geschäft mit dem Wohnen wieder wachsen – und das alles natürlich nur zum Wohle der Mieter und Wohnungssuchenden. Wer da, wie die Gewerkschaft Verdi vor allem beklagt, dass jetzt auch noch die Fördermassnahmen für Sozialwohnungen „in der Schublade zu verschwinden“ drohen, „weil Finanzminister Lindner (FDP) sie verschleppt“, hat den Witz unserer Sozialen Marktwirtschaft verpasst: Erst kommt das Geschäft der diversen Akteure, dann kann mensch sehen, ob er auch das notwendige Dach über dem Kopf findet.

Suitbert Cechura