Taktlos, kalt, herzlos, instinktlos, hilflos, peinlich und würdelos Das peinliche Schweigen des deutschen Kanzlers

Politik

Nur so kann und muss benannt werden, was am gestrigen Donnerstag im deutschen Bundestag geschehen ist.

Olaf Scholz in Spanien, Oktober 2022.
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Olaf Scholz in Spanien, Oktober 2022. Foto: Ministry of the Presidency. Government of Spain (PD)

20. März 2022
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Nur so kann und muss benannt werden, was am letzten Donnerstag im deutschen Bundestag geschehen ist. Und man könnte und müsste in einer kritischen Nachbetrachtung des Geschehens dem sogar noch einige Dutzend stichhaltige Argumente, heftige Vorwürfe und auch wichtige Fragen hinzu fügen, zu aller erst jedoch die Frage: Wie lässt sich das peinliche Schweigen des deutschen Bundeskanzlers erklären, nachdem er viele Minuten lang dem per Video zugeschalteten Präsidenten der Demokratischen Republik Ukraine zugehört und von diesem mit „lieber Olaf Scholz“ direkt angesprochen wurde?

Hat der Bundeskanzler, der während der Rede seinen Kopf fast schon demütig nach unten gesenkt hatte (hörte er da zu oder schlief er?), ja, hätte er auf dem riesigen Bildschirm nicht bemerken müssen, dass dort ein verzweifelter Mann und verantwortungsvoller Präsident eines unglücklichen europäischen Volkes zu ihm sprach, in dessen Gesicht all das Grauen, das unendliche Leid, all die Tränen seines Volkes ablesbar waren, die der Kriegsverbrecher Wladimir Putin über die Ukraine und auch über ihn selbst gebracht haben?

Haben der Bundeskanzler und sein Kabinett aus den Erzählungen von Wolodymyr Selenskyj nicht die lauten Sirenen hören und die gewaltigen Zerstörungen, die brennenden Häuser, die Explosionen, die vielen Toten auf den Strassen und den nicht aufhörenden Exodus gen Westen sehen müssen, also all das, was der russische Staatspräsident dem ukrainischen Volk mit seinen todbringenden Raketen, mit seinen Bomben und mit den die fruchtbare ukrainische Erde zermalmenden Panzern zugedacht hat?

Nach der emotionalen Rede des ukrainischen Präsidenten Wolodymyr Selenskyj stand die Mehrheit der Bundestagsmitglieder, der Kanzler und die anwesenden Minister zwar spontan auf und spendeten dem Präsidenten der Ukraine minutenlangen Applaus. Das war das Gute, das Schöne an diesem Tag im deutschen Bundestag und mehr als nur eine flüchtige deutsche Geste, aber leider auch das einzig Schöne und Gute an diesem ereignisreichen Tag, der vielleicht als „Schwarzer Donnerstag“ in die Geschichte des deutschen Bundestages, vielleicht sogar auch in die deutsche Geschichte des 21. Jahrhunderts eingehen wird.

Denn es ging an diesem Donnerstag nicht nur um den Krieg gegen und in der Ukraine, nein, es ging überraschend auch um die ehrliche Beantwortung der Frage, wer das neue Deutschland wirklich ist und welche Rolle, welche Aufgabe die Bundesrepublik als verlässlicher NATO-Partner und als Herzstück der Europäischen Union in der komplizierten Wirklichkeit von heute eigentlich spielen kann und spielen wird.

Und so ging es auch um die Beantwortung die Fragen: Was ist heute überhaupt noch Moral, was ist Treue, was sind Verträge, was sind Versprechungen, gibt es noch Anstand und Zuverlässigkeit in der Politik, was bedeuten Freundschaft zwischen den europäischen Völkern, was ist Verhaltenskultur, was bedeuten Bündnisse aller Arten, wenn diese (wie sich in dieser internationalen Krise gezeigt hat) so rasch auszuhebeln sind und urplötzlich in sich zusammen fallen, dem Gesetz folgend: Erst kommt das Fressen, dann die Moral!?

Die erste grosse emotionale Bewährungsprobe für den deutschen Bundestag ging auf jeden Fall am gestrigen Donnerstag „voll in die Hose“. Unabhängig von allen vernünftigen Argumenten in West und Ost bei der Abwägung von Pro und Contra, also in der „Kosten und Nutzen-Rechnung von Krieg und Frieden und in der Auseinandersetzung mit dem grössenwahnsinnigen russischen Präsidenten, unabhängig auch von all dem, was Deutschland finanziell, militärisch und „moralisch“ getan hat, um die Ukraine vor dem Untergang zu bewahren, gestern hat der deutsche Bundeskanzler jedenfalls keine gute Figur abgegeben.

Er und sein Kabinett gingen nach dem Aufschrei und Hilferuf von Wolodymyr Selenskyj ganz einfach zur Tagesordnung über. Und das ist eine Schande. Ob sich das möglicherweise durch den ausgeprägten Ordnungssinn oder durch einen Gen-Defekt im Denken und im Geist der Deutschen erklären lässt, die sich beide bereits mehrfach in der düsteren deutschen Geschichte als hilfreich erwiesen hatten?

Axel Michael Sallowsky