Schluss mit 150 Jahren Kriminalisierung! Deutschland feiert den Safe Abortion Day

Politik

Bundesweit haben heute in rund 60 Städten Menschen gegen den Paragraphen 218 im Strafgesetzbuch, der Schwangerschaftsabbrüche unter Strafe stellt, protestiert.

Bundesweiter Aktionstag für legalen Schwangerschaftsabbruch am 15.5.2021.
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Bundesweiter Aktionstag für legalen Schwangerschaftsabbruch am 15.5.2021. Foto: wegmit218.de

29. September 2021
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Der International Safe Abortion Day am 28. September ist der jährlich wiederkehrende Internationale Aktionstag für einen sicheren, entkriminalisierten, kostenfreien Zugang zum Schwangerschaftsabbruch. 2021 steht der Aktionstag in Deutschland unter dem Motto: „150 Jahre Widerstand gegen § 218 StGB – es reicht!“.

Koordiniert wurde der bundesweite Aktionstag von der Kampagne “150 Jahre Widerstand gegen §218 - Es reicht!”

Auch in Freiburg haben zahlreiche Menschen ein Zeichen gegen die Kriminalisierung & Tabuisierung von Abtreibungen gesetzt. Das Aktionsbündnis „Weg Mit §218“ war mit einem Infostand, einer Ausstellung und einer Kundgebung auf dem Platz der alten Synagoge sichtbar.

Die Regelung im Strafgesetzbuch entmündigt nicht nur die Betroffenen, sie sorgt auch dafür, dass die medizinische Versorgung in Deutschland zunehmend schlechter wird. Immer weniger Ärzt*innen führen Abbrüche durch und sie sind nicht einmal Teil der Facharztausbildung Gynäkologie.

Zu weniger Abbrüchen führt das allerdings nicht. "Dass sich so viele Städte und Menschen beteiligen, zeigt deutlich, dass die Situation für ein Land wie Deutschland im Jahre 2021 nicht mehr tragbar ist. Die Geschichte dieses frauen*feindlichen Paragrafen muss endlich ein Ende finden!", so Eva Kubitz eine der Mitorganisatorinnen der Kampagne.

Mehr Rechte für Frauen* und queere Menschen = weniger Schwangerschaftsabbrüche

Mit gutem Beispiel gehen z.B. die Niederlande voran: Sie haben die EU-weit liberalsten Regelungen zum Schwangerschaftsabbruch, eine umfassenden Informationspolitik und gleichzeitig die niedrigsten Abbruchraten. Das zeigt deutlich, dass Kriminalisierung und Zwangsberatungen rein gar nichts bringen. Einige ungewollt Schwangere in Deutschland fahren genau deswegen in die Niederlande: Um sich hier dem erniedrigenden Prozedere nicht aussetzen zu müssen.

Der Bundestag: Mir doch egal

Wie unwichtig das physische und psychische Wohlergehen von ungewollt Schwangeren dem deutschen Staat ist, liess sich in den letzten Jahren bei zwei Abstimmungen gegen die Abschaffung des Paragraphen 219a StGB erkennen: Für ungewollt Schwangere gilt in ihrer Notlage nicht einmal das simple Recht auf Informationsfreiheit. Denn Gynäkolog*innen dürfen auf ihren Webseiten nicht darüber informieren, welche Art von Abbrüchen sie in ihren Praxen anbieten. Der §218 StGB wiederum, der ungewollt Schwangere und Ärzt*innen mit bis zu 5 Jahren Gefängnis unter Strafe stellt, stammt von 1871 aus der Kaiserzeit, hat den Nationalsozialismus sowie die Wende überlebt und wurde 1995 noch um die Zwangsberatung verschärft.

Nach über 150 Jahren ist es jetzt mehr als Zeit, das Grundrecht auf körperliche, sexuelle und reproduktive Selbstbestimmung gesetzlich und bedingungslos festzuschreiben: Wir rufen die neue Regierung dazu auf, Rechte von Frauen* und queeren Menschen endlich ernst zu nehmen.

Der Paragraf, der Betroffene und Ärzt*innen kriminalisiert, wurde 1871 ins Strafrecht aufgenommen. Damit begann auch die Geschichte des Widerstands. Im Rahmen der Kampagne haben sich über 150 Organisationen mit einem Aufruf für die Streichung von §218 StGB positioniert.

pm

Das * bei Frauen* markiert hier, dass alle Menschen gemeint sind, die ungewollt schwanger werden können.