Jetzt geht es nicht mehr nur darum, ob Kienert das schreiben durfte, was er in seinem Artikel schrieb, und ob er dabei auch das Archiv von linksunten.indymedia verlinken durfte. Vielmehr geht es jetzt darum, dass die Staatsanwaltschaft – vielleicht nicht wirklich ernsthaft, sondern nur aus der Not heraus, dass ihre Anklage in der bisherigen mündlichen Verhandlung an allen Ecken und Enden zusammengebrochen ist (Hält nicht einmal mehr die Polizei der Staatsanwaltschaft Karlsruhe die Stange? vom 26.04. und Leerer Beweis-Beutel? vom 02.05.2024) – ein bestimmtes normatives Bild, was Presse zu sein hat, zu definieren und mit den Mitteln der Strafjustiz durchzusetzen versucht:
- ‚Echte' JournalistInnen dürfen nicht daneben auch linke AktivistInnen sein.
- Sie dürfen nicht einmal frei kommentieren, sondern müssen sich auf das blosse ‚Einordnen' – also Kontextualisieren – dessen, was ist, beschränken.
- Und sie dürfen nicht einmal prognostizieren, dass eine Durchsuchung bei einem linken Radiosender Reaktionen der linken Szene hervorruft.
Noch gefährlicher als jener plumpe Vorstoss der Karlsruhe Staatsanwaltschaft ist freilich die Reaktion des Vorsitzenden der Karlsruher Landgerichts-Kammer, vor der sich Kienert wegen seines Artikels verantworten muss.
Auch das Landgericht prüfte Kienerts berufliches Selbstverständnis – und erteilte ein gefährliches Kompliment
Richter Heim wies nicht etwa den Versuch der Staatsanwaltschaft Karlsruhe, die ‚gute' Presse ins Töpfen und die schlechte Presse ins Kröpfchen zu sortieren, frontal als unvereinbar mit der Pressefreiheit zurück, sondern bescheinigte Kienert mit ins Töpfchen zu gehören, wie Minh Schredle am Mittwoch in Kontext: Wochenzeitung berichtete: „Laut Heim [Vorsitzender der Landgerichtskammer, vor der der Prozess stattfindet] würden sich die Ausführungen der Staatsanwaltschaft ‚an der Grenze zum Ehrabschneidenden' bewegen, er halte sie für ‚rechtlich problematisch'. Die Kammer habe sich veranlasst gesehen, Kienerts Berufsbild zu prüfen und komme zum Ergebnis, dass dieses ‚primär journalistisch' sei. Entsprechend gebe es auch keinen Anlass, die in Artikel 5 des Grundgesetzes garantierte Pressefreiheit für ihn weniger stark zu berücksichtigen – so wie es Graulich in seinem Beweisantrag fordert.“ (https://www.kontextwochenzeitung.de/medien/686/staatsanwalt-hat-sich-verhoert-9552.html) Klar – es ist schwierig, dieses Kompliment, mit ins Töpfen zu gehören, zurückzuweisen. Aber die Verteidigung der Pressefreiheit erfordert, schon einen derartigen staatlichen Sortiervorgang – eine solche staatliche Diskriminierung (Absonderung)2 der ‚guten' von der ‚schlechten' Presse – zurückzuweisen.Das Bundesverfassungsgericht hat in hellen Momenten entschieden: „Unbeschadet einer noch zu erörternden Besonderheit des Rundfunkwesens gehört der Rundfunk ebenso wie die Presse zu den unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmitteln, durch die Einfluss auf die öffentliche Meinung genommen und diese öffentliche Meinung mitgebildet wird. Der Rundfunk ist mehr als nur ‚Medium' der öffentlichen Meinungsbildung; er ist ein eminenter ‚Faktor' der öffentlichen Meinungsbildung. Diese Mitwirkung an der öffentlichen Meinungsbildung beschränkt sich keineswegs auf die Nachrichtensendungen, politischen Kommentare, Sendereihen über politische Probleme der Gegenwart, Vergangenheit oder Zukunft; Meinungsbildung geschieht ebenso in Hörspielen, musikalischen Darbietungen, Übertragungen kabarettistischer Programme bis hinein in die szenische Gestaltung einer Darbietung. Jedes Rundfunkprogramm wird durch die Auswahl und Gestaltung der Sendungen eine gewisse Tendenz haben, insbesondere soweit es um die Entscheidung darüber geht, was nicht gesendet werden soll, was die Hörer nicht zu interessieren braucht, was ohne Schaden für die öffentliche Meinungsbildung vernachlässigt werden kann, und wie das Gesendete geformt und gesagt werden soll. Bei solcher Betrachtung wird deutlich, dass für den Rundfunk als einem neben der Presse stehenden, mindestens gleich bedeutsamen, unentbehrlichen modernen Massenkommunikationsmittel und Faktor der öffentlichen Meinungsbildung die institutionelle Freiheit nicht weniger wichtig ist als für die Presse. In Art. 5 GG kommt das eindeutig zum Ausdruck, wenn Abs. 1 Satz 2 neben der Pressefreiheit ‚die Freiheit der Berichterstattung durch Rundfunk und Film' gewährleistet.“ (BVerfGE 12, 205 - 264 [260 f., DFR-Textziffer 179] – Erste Rundfunkentscheidung; Hv. hinzugefügt) Eben deshalb darf es in der Bundesrepublik nur öffentlich-rechtlichen und privaten, aber keinen Staatsrundfunk geben. Auch für die Presse gilt: „Die Presse […] beschafft die Informationen [und] nimmt selbst dazu Stellung“. (BVerfGE 20, 162 – 230 [174 f.; DFR-Textziffer 35] – Spiegel-Affäre) „Wenn sich der Staat […], […], zu Förderungsmassnahmen für die Presse entschliesst, […], verlangt Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG, dass jede Einflussnahme auf Inhalt und Gestaltung einzelner Presseerzeugnisse sowie Verzerrungen des publizistischen Wettbewerbs insgesamt vermieden werden. Staatliche Förderungen dürfen bestimmte Meinungen oder Tendenzen weder begünstigen noch benachteiligen. Art. 5 Abs. 1 Satz 2 GG begründet im Förderungsbereich für den Staat vielmehr eine inhaltliche Neutralitätspflicht, die jede Differenzierung nach Meinungsinhalten verbietet. Dieser Neutralitätspflicht des Staates entspricht auf seiten des Trägers der Pressefreiheit ein subjektives Abwehrrecht gegen die mit staatlichen Förderungsmassnahmen etwa verbundenen inhaltslenkenden Wirkungen sowie ein Anspruch auf Gleichbehandlung im publizistischen Wettbewerb.“ (BVerfGE 80, 124 - 137 [133 f., DFR-Textziffer 27] – Postzeitungsdienst; Hv. hinzugefügt)
„Der Begriff ‚Presse' ist weit und formal auszulegen; er kann nicht von einer – an welchen Massstäben auch immer ausgerichteten – Bewertung des einzelnen Druckerzeugnisses abhängig gemacht werden. Die Pressefreiheit ist nicht auf die ‚seriöse' Presse beschränkt (Maunz-Dürig-Herzog, Grundgesetz, Art. 5 Rdnr. 128 f.; vgl. auch BVerfGE 25, 296 [397 <3>] und – für den Rundfunk – BVerfGE 12, 205 [260]).“ (BVerfGE 34, 269 - 293 [383, DFR-Tz. 31] – Soraya4. Entsprechend hat auch das Bundesverwaltungsgericht (für die staatliche Auskunftserteilung an die Presse) entschieden: „Zutreffend sind die vorinstanzlichen Entscheidungen davon ausgegangen, dass allen Gerichten, somit auch den Instanzgerichten der Finanzgerichtsbarkeit, kraft Bundesverfassungsrechts die Aufgabe obliegt, die Entscheidungen ihrer Spruchkörper der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. […]. Bei der Erfüllung dieses Verfassungsauftrages hat die Gerichtsverwaltung – wie jede Verwaltung – die öffentlich-rechtlichen Bindungen zu beachten, denen jegliches Verwaltungshandeln unterliegt. Dazu gehört hier insbesondere die Neutralitätspflicht des Staates gegenüber den Herausgebern von Presseerzeugnissen, die untereinander im publizistischen Wettbewerb stehen, einschliesslich der Verpflichtung, diese strikt gleichzubehandeln (BVerfGE 80, 124, 133 f.).“ [BVerwG, Urteil vom 26.02.1997 zum Aktenzeichen 6 C 3.96, Abschnitt II. 2. b) vor aa); Hv. hinzugefügt]
An Artikel 3 Absatz 3 Satz 1 Grundgesetz gibt es wenig misszuverstehen: „Niemand darf wegen […] seiner […] politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden.“
Ausnahmen von dieser staatlichen Neutralitätspflicht und vom Schutz des gesellschaftlichen Pluralismus stellen freilich die Artikel 9 Absatz 2 (Vereinsverbote 5), 18 (Grundrechtsverwirkung <6) sowie 21 Absatz 2 bis 4 Grundgesetz (Parteiverbot und Ausschluss von der staatlichen Parteienfinanzierung <7) dar.
Diese bilden allerdings auch zusammen kein vermehrungsfähiges „Prinzip“ der undemokratischen „wehrhaften Demokratie“, wie die Mehrheit des Bundesverfassungsgerichts in seinen vielen unhellen Momenten meint, sondern es handelt sich um einzelne Ausnahme (spezifische Rechtsfolgen), die unter ganze bestimmten Bedingungen (spezifischen Tatbestandvoraussetzungen) Einschränkung der bürgerlich-demokratischen Freiheit und Gleichheit zulassen: „mit diesem [Diskriminierungs-]Verbot [des Artikel 3 Absatz 3 GG] ist es unvereinbar, den Zugang zum freien Anwaltsberuf wegen einer jedermann gestatteten Kritik an der verfassungsmässigen Ordnung oder Zugehörigkeit zu einer nicht verbotenen Partei zu behindern. Gemäss Art. 3 Abs. 3 GG […] darf ‚niemand wegen seiner politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden'. […].
Volle Geltungskraft beansprucht das Diskriminierungsverbot jedenfalls überall dort, wo die Verfassung Benachteiligungen wegen politischer Überzeugungen ihrerseits nicht abdeckt. Das gilt namentlich für die staatliche Regelung freiberuflicher Tätigkeiten.8 Hier finden politische Aktivitäten ihre Schranken lediglich in den für jedermann geltenden (verfassungskonformen) allgemeinen Gesetzen, durch Verwirkung von Grundrechten gemäss Art. 18 GG und als Folge von Parteiverboten gemäss Art. 21 Abs. 2 GG (vgl. BVerfGE 39, 334 [373 <9]). Die Bedeutung des Diskriminierungsverbots wird verfehlt, wenn sein Schutz auf das blosse Haben einer politischen Überzeugung reduziert und das Äussern und Betätigen dieser Überzeugung allein nach anderen Massstäben beurteilt wird (so aber BVerfGE 39, 334 [368 10]). Damit wird das Gebot für seine praktische Anwendung völlig entleert und jedenfalls das Gegenteil von der gebotenen Effektuierung des Grundrechtsschutzes bewirkt. Denn eine blosse Überzeugung, die nicht nach aussen tritt, bedarf keines rechtlichen Schutzes. […]. Diese verfassungsrechtliche Beurteilung des Diskriminierungsverbots wird erhärtet, wenn der bislang wenig beachtete Umstand berücksichtigt wird, dass die Verfassungsväter die Aufnahme der Sondervorschrift des Art. 139 GG für erforderlich gehalten haben, wonach die Entnazifizierungsvorschriften von den Bestimmungen des Grundgesetzes nicht berührt werden. Durch diese ausdrückliche Statuierung einer eng umgrenzten Ausnahme vom allgemeinen Diskriminierungsverbot wird dessen grundsätzliche Geltungskraft noch unterstrichen. Die Aufnahme dieser Ausnahmevorschrift in das Grundgesetz legt jedenfalls die Annahme nahe, dass Benachteiligungen wegen anderer politischer Gesinnungen und Betätigungen nach den Vorstellungen der Verfassungsväter unzulässig sein sollten, soweit nicht die Verfassung zu ihrem Schutz die im folgenden Abschnitt erörterten besonderen Regelungen vorgesehen hat. Zu einer anderen Beurteilung nötigt nicht etwa die vielfach zitierte Grundentscheidung des Grundgesetzes für eine ‚streitbare Demokratie'.
Der Begriff der streitbaren Demokratie beruht auf der Zusammenschau mehrerer Normen des Grundgesetzes (insbesondere Art. 9 Abs. 2, 18, 20 Abs. 4, 21 Abs. 2 und 28 Abs. 3 GG). Aus ihnen wird hergeleitet, dass das Grundgesetz die neu konstituierte Demokratie nicht ungeschützt ihren Feinden ausliefern will (vgl. etwa BVerfGE 5, 85 [139]; 13, 46 [49 f.]; 25, 88 [100]; 28, 36 [48 f.]; 28, 51 [54 f.]; 30, 1 [19] mit abw. Meinung von Geller, Schlabrendorff und Rupp S. 45 ff.; 39, 349 [368 f.]; Überblick bei A. Sattler, Die rechtliche Bedeutung der Entscheidung für die streitbare Demokratie, 1982, S. 11 ff. und S. 66 ff.). Während in den meisten einschlägigen Entscheidungen lediglich die massgeblichen Grundgesetzvorschriften aufgezählt werden, wird im Abhör-Urteil (BVerfGE 30, 1 [19 f.]) und insbesondere im Radikalen-Beschluss (BVerfGE 39, 334 [349]) darüber hinaus kurz ausgeführt, das Grundgesetz habe dem Staat die Aufgabe übertragen, die zentralen Grundwerte, für die es sich entscheide, zu sichern und zu gewährleisten; zugleich treffe es Vorkehrungen gegen ihre Bedrohung und institutionalisiere besondere Verfahren zur Abwehr von Angriffen auf die verfassungsmässige Ordnung. […].
Verfassungsrechtlich bedarf es […] der Klärung, ob und inwieweit der Grundentscheidung für die streitbare Demokratie eine selbständige rechtliche Tragweite zukommt, ob also aus ihr weitergehende Massnahmen hergeleitet werden dürfen als aus den dem Begriff zugrunde liegenden Grundrechtsnormen. Diese Frage ist in der Literatur umstritten (vgl. die Darstellung bei Sattler, a.a.O., S. 19 ff.). In den zitierten verfassungsgerichtlichen Entscheidungen wird der Begriff im wesentlichen im Zusammenhang mit den einschlägigen Verfassungsnormen zu deren Auslegung verwendet. Dem kann zugestimmt werden. Ihm darüber hinaus noch eine weitergehende rechtliche Tragweite beizumessen, erscheint hingegen bedenklich. Jedenfalls ist der Begriff der streitbaren Demokratie weder bestimmt noch geeignet, daraus weitergehende Einschränkungen von Grundrechten herzuleiten als aus denjenigen Verfassungsnormen, die diesem Begriff zugrunde liegen. Die Verfassung hat sich unmissverständlich für ein grundsätzliches Diskriminierungsverbot entschieden und alle Staatsorgane an die Grundrechte als unmittelbar geltendes Recht gebunden. Zugleich hat sie selbst klare materiell- und verfahrensrechtliche Regelungen für die Fälle vorgesehen, in denen die Grundrechtsgarantien hinter den Massnahmen zum Schutze der freiheitlichen demokratischen Grundordnung zurückzutreten haben. Es kann nicht statthaft sein, diese Entscheidungen durch Heranziehung eines Begriffs auszuhöhlen, dessen inhaltliche Unbestimmtheit es zulässt, ihn jeweils unter dem Druck vermeintlicher Notwendigkeiten mit mancherlei Inhalten anzureichern. Das muss gerade auch für den Bereich der Berufsfreiheit gelten, der nach ständiger Rechtsprechung für die Entfaltung des Einzelnen von hoher Bedeutung ist und der von einer ‚grundsätzlichen Freiheitsvermutung' bestimmt wird.“ (BVerfGE 63, 298 - 312 [302, 304 f., 308 f., 311] [abweichendes Votum von Richter Simon zu BVerfGE 63, 266 - 298]; Hv. hinzugefügt – Rechtsanwaltszulassung bei KBW-Mitgliedschaft)
Die bürgerlich-demokratischen Freiheit und Gleichheit ist zwar weder der Sozialismus noch gar der Kommunismus oder die Anarchie, aber sie gilt es zu verteidigen, wenn die Pressefreiheit verteidigt werden soll – nicht, darum zu buhlen, mit ins Töpfchen einsortiert zu werden.
Die Versuchung des etatistischen und moralisierenden Antifaschismus
Damit sind wir bei „Versuchung des etatistischen und moralisierenden Antifaschismus“ angekommen: Denn in Zeiten queerdenkerischer ‚Alternativmedien' und rechtspopulistischer Propaganda ist die Verlockerung gross, wenn die Chance besteht, mit der FAZ und der tagesschau bei der ‚guten' Presse einsortiert zu werden; und zivilgesellschaftlich ist ein solches punktuelles antifaschistisches Bündnis von Freien Radios (vielleicht sogar indymedia) bis Frankfurter Allgemeiner Zeitung auch richtig, aber wenn anstelle selbst gewählter zivilgesellschaftlicher Bündnisse (‚von unten') ein etatistischer Sortiervorgang (‚von oben') tritt, dann kippt die Sache: Jede Verbotsforderung – und sei sie noch so noch antifaschistisch motiviert – ist unter Geltung des totalitarismustheoretisch motivierten Konzepts der (nicht liberalen11, sondern) „freiheitlichen, demokratischen Grundordnung“ Wasser auf die Mühlen der spätestens am Ende auch (KPD- nach SRP-Verbot; linksunten-Verbot nach altermedia-Verbot), wenn nicht sogar zuerst (Anwendung des § 129a StGB ursprünglich auf linke Gruppen und erst in neuerer Zeit auch auf rechte Gruppen) gegen links wirkenden staatlichen Einschränkung des gesellschaftlichen Pluralismus. Jeder Moralismus („Faschismus [Rassismus, Homophobie, Transphobie …] ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“), der sich nicht um den Unterschied zwischen Meinungen und Handlungen 12 (sowie zwischen gesellschaftlichen einerseits und staatlichen andererseits Handlungen) schert, ist ideologische Vorarbeit für die Parole „Linksextremismus ist keine Meinung, sondern ein Verbrechen“.Eine Antwort mit Courage
Als dem Kollegen Peter Nowak im vergangenen Jahr vom Oberlandesgericht Stuttgart – im Gegensatz zu Fabian Kienert (in Bezug auf dessen Artikel, über den gerade vor dem Landgericht Karlsruhe gerade verhandelt wird) – bescheinigt wurde, „sachlich über das Gesamtgeschehen und die Standpunkte der Kritiker der [linksunten-]Verbotsverfügung informiert“ (Beschlussvom 12.06.2023 zum Aktenzeichen 2 Ws 2/23, Textziffer 66) zu haben, wies Nowak – wenn auch freundlich formuliert – die Blumen zurück: „Ich selbst kann freilich keinen grossen Unterschied zwischen dem Tenor meines Artikel[s] und dem Tenor des Artikels des Kollegen Kienert erkennen.“Ich wünsche mir (viel mehr als „Wünschen“ bleibt Linken heutzutage ja nicht übrig…), Kollege Kienert würde ähnlich darauf antworten, dass die Staatsschutzkammer des Landgerichts Karlsruhe „sich veranlasst gesehen [hat], Kienerts Berufsbild zu prüfen“ und zum – freiheitlichen, aber nicht liberalen – „Ergebnis [kam], dass dieses ‚primär journalistisch' sei“. Liberale RichterInnen würden das Ansinnen von StaatsanwältInnen, das „Berufsbild“ von JournalistInnen zu prüfen, schroff zurückweisen.
Gerichte sind – anders als der Presserat – nicht gesellschaftliche Selbstverwaltung; und Gesetze sind – anders als der Pressekodex – nicht Ethik, sondern Produkt und Voraussetzung der Ausübung von Staatsgewalt.
„Solange es einen Staat gibt, gibt es keine Freiheit. Wenn es Freiheit geben wird, wird es keinen Staat geben.“ (LW 25, 393 - 507 [482] – Staat und Revolution)
Diese Einsicht sollte freilich nicht dazu führen, zu verkennen, dass es Graduierungen von Freiheit und Unfreiheit gibt:
„Wenn Engels sagt, dass in einer demokratischen Republik der Staat ‚nicht minder' als in der Monarchie eine ‚Maschine zur Unterdrückung einer Klasse durch eine andre' bleibt, so bedeutet das durchaus nicht, dass die Form der Unterdrückung dem Proletariat gleichgültig sei, wie manche Anarchisten ‚lehren'. Eine breitere, freiere, offenere Form des Klassenkampfes […] bedeutet für das Proletariat eine riesige Erleichterung im Kampf um die Aufhebung der Klassen überhaupt.“ (ebd., 467)