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Kinderarbeit: Über zweierlei Mass | Untergrund-Blättle

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Unmoralische Produktionsbedingungen Kinderarbeit: Über zweierlei Mass

Politik

Kinderarbeit ist verboten. Kinderarbeit ist Kindesmisshandlung. Kinderarbeit ist Menschenrechtsverletzung.

Kleiderproduktion in Dhaka, Bangladesch.
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Kleiderproduktion in Dhaka, Bangladesch. Foto: Kroisenbrunner (CC BY-SA 4.0 cropped)

11. Mai 2020
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Die deutschen Gesetze sind scharf. Kinderarbeit, zum Beispiel in Werbung oder TV wird genau definiert, verantwortlich eingegrenzt und kontrolliert. Wer in Deutschland für organisierte Massenkinderarbeit zum Beispiel bei der Herstellung von T-Shirts verantwortlich gemacht werden könnte, käme ins Gefängnis.

Aber nur, weil er es in Deutschland täte. Weil er in Deutschland Kinder misshandelte. Weil er in Deutschland Kindern das Leben raubte. Er käme lange ins Gefängnis.

Tut er das in einem anderen Land als Deutschland, ist er ein vornehmer Teil des öffentlichen Wirtschaftslebens, zahlt seine Steuern und stellt sich als Lebensretter dar, der Bedürftigen Arbeit gibt, die sonst angeblich verhungern würden[1]. Er wird zwar hin und wieder öffentlich kritisiert, teilweise sogar zum Boykott gegen ihn aufgerufen, aber seine Produkte verkaufen sich gut, Kinderarbeit lohnt sich. Und warum kommt der Mann nicht ins Gefängnis? Er ist doch genauso für die Misshandlung von Kindern verantwortlich, wie wenn er es in Deutschland getan hätte, oder nicht?

Sind deutsche Kinder, »unsere süssen Kleinen«, etwa etwas Besseres als Kinder aus Indonesien? Mit denen kann mans ja machen – aber bei uns kommt man dafür ins Gefängnis, wehe! – oder wie soll man als Ottonormalverbraucher das noch verstehen? Kinder sind doch Kinder, Lebewesen wie wir alle, nur besonders schutzbedürftig, oder nicht?

Wieso stellt keine der im Bundestag vertretenen Parteien, die alle lautstark die unmoralischen Produktionsbedingungen der T-Shirts beklagen, den Antrag, die Verantwortlichen dafür mit Gefängnisstrafe zu sanktionieren? Wieso verbietet die Regierung eigentlich nicht schlicht die Einfuhr dieser Produkte? Dieselbe Regierung, die ausgezeichnete Jugendschutzgesetze durchzusetzen weiss?

Ist Akt der Kindesmisshandlung derselbe oder nicht? Gibt es Unterschiede der Misshandlung, wenn sie in europäischem Zusammenhang oder asiatischem steht? Sind Schmerz und Leid Menschenrechtsverletzungen ganz gleich wo sie passieren - oder nicht?

Wer in Deutschland des in einem anderen Land begangenen Mordes überführt wird, kommt doch auch hier ins Gefängnis: Ist die Verantwortlichkeit für Misshandlung nicht dieselbe? Ist Misshandlung nicht immer eine Misshandlung? Wieso wird sie dann mit verschiedenem Mass gemessen, obwohl die Verantwortlichkeit feststeht? Und obwohl sie im Fall von Kindern sogar noch einer erhöhten Aufmerksamkeit bedarf?

Wie können sich Parteien »christlich« nennen und nicht das urchristliche Gebot der Fürsorge für andere, insbesondere Kinder, befolgend harte Gesetze dagegen fordern, wie sie es in anderen Fällen doch auch können? Wie können sich Parteien »links« nennen, die nicht das Gebot des Internationalismus als oberstes in ihrer Politik umsetzen und gleiches Recht für alle Kinder dieser Welt parlamentarisch durchsetzen? Ist sozialistische Politik, die sich nur auf eine Nation bezieht, etwa kein Nationalsozialismus?

Christof Wackernagel

Fussnoten:

[1] Auch das ist eine Lüge: schon 1989 schrieb die damalige Staatssekretärin des Entwicklungshilfeministeriums, Gisela Erler, dass wenn in dem ärmsten Land der Erde, Bangladesh, die reiche Oberschicht nur 2 % ihrer Einkünfte versteuern würde, alle äusseren Hilfsmassnahmen abgedeckt würden. Also wenn sie Steuern wie in Europa zahlen würde, es keine Armut gäbe. Dies trifft auch auf alle anderen »armen« Länder zu, die es nicht gibt, sondern nur Länder mit einem besonders hohen Anteil an armer Bevölkerung.

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