Gegen den zunehmenden Rechtsruck Breiter Protest gegen rechte Politik der Bundesregierung zum DigitalGipfel in Jena

Politik

Am 20./21.11.2023 findet in Jena der DigitalGipfel der Bundesregierung statt, zu dem neben zahlreichen Vertreter*innen aus Wirtschaft und Wissenschaft auch Mitglieder des deutschen Bundestags und des Thüringer Landtags erwartet werden.

Landgrafen in Jena, Februar 2023.
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Landgrafen in Jena, Februar 2023. Foto: Thuringius (PD)

17. November 2023
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Unter dem Motto „Gerechtigkeit statt rechter Politik“ werden die zwei Tage von breitem Protest aus der gesamten Jenaer und Thüringer Zivilgesellschaft begleitet. Folgende Protestformen sind angekündigt:

In der Nähe des Volkshauses, auf der Fläche um das Ernst Abbe-Denkmal, wird vom 20.11., 8:00 Uhr bis 21.11. 18:00 Uhr eine Mahnwache stattfinden, mit vielen inhaltlichen Programmpunkten. Die Küche für Alle am Montag um 19:00 Uhr bietet die Möglichkeit für Austausch und Vernetzung. Ausserdem mobilisieren die Aktiven zu einer Protestkundgebung am Dienstag, 21.11., 11:00 Uhr. Im Anschluss – um 13 Uhr – laden sie zu einer Protest-Pressekonferenz ein.

Viele Menschen in Jena sind mit den aktuellen Entscheidungen der Bundesregierung nicht einverstanden: „Ob rassistische Asylrechtsreform, ausbleibender Klimaschutz oder das neue 'Selbstbestimmungsgesetz', das diesen Namen nicht verdient hat: Wir wollen unsere Unzufriedenheit mit den aktuellen politischen Entwicklungen zum Ausdruck bringen und zeigen, dass wir damit nicht einverstanden sind“, so Jasmin Sander, eine Mitinitiatorin des Protests.

„Deswegen haben sich Menschen, die in verschiedenen zivilgesellschaftlichen Initiativen engagiert sind, zusammengetan, um lauten Protest zu organisieren und Gerechtigkeit statt rechter Politik zu fordern“, ergänzt sie. Linda Reisch, Vertreterin der Protestgruppen sagt dazu: „Die Bundesregierung reagiert auf die drängenden Probleme dieser Zeit mit Scheinlösungen, die keineswegs das Problem beheben, sondern für viele Menschen Diskriminierung und Ausschluss bedeuten“.

So wird durch den aktuellen Diskurs Menschen in prekären Lebenslagen eingeredet, Geflüchtete seien eine Ursache ihrer Probleme. Den Protestierenden ist es deshalb wichtig zu betonen: „Für soziale Ungerechtigkeit, Wohnraummangel und steigende Preise ist die neoliberale Politik der Bundesregierung verantwortlich, die den Unternehmen und grossen Immobilienkonzernen freien Lauf lässt, was schlecht bezahlte Arbeitsplätze, überteuerte Mieten und das Einfahren von Rendite angeht.“

Das breite zivilgesellschaftliche Bündnis vertritt die Position, dass Hetze gegen Geflüchtete und die Einschränkung des Asylrechts keine Antwort auf die sozialen Probleme hierzulande sind. Stattdessen wird eine gerechte Umverteilung von oben nach unten gefordert.

Über die aktuellen Entwicklungen bezüglich des Asylrechts sind die Initiator*innen des Protest sehr besorgt. Eine aktive Person aus dem Bereich der Geflüchtetenhilfe, die sich an dem Protest beteiligt, hält fest: „Mit den Asylrechtsverschärfungen des Bund-Länder-Gipfels und der GEAS-Reform sollen Stimmen aus dem rechten Spektrum gewonnen werden – auf Kosten der Menschenwürde und als Verstoss gegen Menschenrechte. Wir sind weder mit der Einführung einer Bezahlkarte noch mit der Kürzung der Leistungen für Asylbewerber*innen einverstanden.

Die Höhe der Leistungen liegt schon jetzt unterhalb des Existenzminimums!“ Die Verlängerung des Asylbewerberleistungsgesetzes auf 36 Monate erweitere effektiv die Zeit, in der Geflüchtete keinen gleichberechtigten Zugang zu Sozialleistungen und Gesundheitsversorgung haben. Eine andere Person ergänzt: „Die medizinischen Leistungen in Rahmen des Asylbewerber*innenleistungsgesetzes sind auf das absolut Notwendige beschränkt und benachteiligen geflüchtete Menschen fortwährend.

Das diese unfaire Behandlung nun auch noch verlängert werden soll, um Kosten zu sparen, ist beschämend!“Die Initiator*innen des Protests verurteilen weiter den Vorstoss, die Zivile Seenotrettung in Deutschland zu kriminalisieren aufs Schärfste und machen deutlich: „Wir positionieren uns ganz klar gegen jede Zurückweisung von Geflüchteten an den europäischen und an den deutschen Grenzen und gegen Grenzkontrollen. Jede Person hat das Recht, in der Bundesrepublik einen Antrag auf Asyl zu stellen! Die Rede von einer 'irregulären Migration' ist nichts anderes als rechte Hetze! Kein Mensch ist illegal!" betont Aktivistin Jasmin Sander.

Ausserdem fordern die Aktiven die Bundesregierung auf, sich im Angesicht der humanitären Katastrophe in Gaza für einen sofortigen Waffenstillstand einzusetzen. Dies fordern zahlreiche Menschenrechtsorganisationen bereits seit Wochen. Eine weitere Eskalation des Krieges mit noch mehr toten Zivilist*innen zerstört langfristig die Perspektive auf Frieden in der Region, welcher essentiell für die Sicherheit aller dort lebenden Menschen ist.

Die Initiator*innen des Protests positionieren sich weiter gegen den zunehmenden Rechtsruck, der sich in Thüringen und bundesweit auch durch starke Repressionen gegen diejenigen zeigt, die sich Faschisten und Nazis entgegenstellen. Friedlicher antifaschistischer und antirassistischer Protest wird dabei verstärkt kriminalisiert, was vor allem in Zeiten steigender rechter Gewalttaten in Thüringen beunruhigend ist.„Falls bald in Thüringen wieder Faschisten regieren sollten, tragen die anderen Parteien Mitschuld, die seit Jahren nicht in der Lage sind, auf die Probleme dieser Zeit mit menschenwürdigen, sozial gerechten Lösungen zu reagieren. Statt sich dem Rechtsruck entgegenzustellen, beteiligen sie sich auf menschenverachtende Weise an dem Diskurs.“

Auch die Rechte von queeren Menschen werden von der Bundesregierung nicht garantiert: Das neue „Selbstbestimmungsgesetz“ verfestigt die zunehmenden trans*feindlichen Narrative in der Gesellschaft und in den Medien und führt in vielen Punkten zu einer stärkeren Diskriminierung – bis hin zu neuen "Rosa Listen" – statt wirkliche Selbstbestimmung zu ermöglichen. „Zum Teil enthält das neue Gesetz sogar Verschlechterungen gegenüber dem unsäglichen Transsexuellengesetz (TSG) von 1981 mit seinem demütigenden medizinischen Gutachtenzwang“, sagt Robin Kott.

Ein weiterer zentraler Punkt, den die Aktiven aus der Zivilgesellschaft an der aktuellen Politik kritisieren, ist die mangelnde Handlungsbereitschaft gegen die Klimakrise.Gerade mit Blick auf den DigitalGipfel betonen die Initiator*innen des Protests: „Statt auf potentielle Wundertechnologie fernab physikalischer Realisierbarkeit zu hoffen, müssen die seit Jahren vorhandenen erneuerbaren Energiequellen ausgebaut und Klimaschutzmassnahmen heute statt übermorgen umgesetzt werden.“

Noah Kowalski ergänzt: „Die Bundesregierung betreibt durch aufgeweichte Sektorengrenzen greenwashing und lenkt durch Fingerzeig auf andere Mitverursacher*innen von ihrer Verantwortung ab. Statt immer neue Ausreden zu finden, die den Klimaschutz einschränken, muss endlich gehandelt werden! Eine leicht umsetzbare und wirkungsvolle Massnahme im Verkehrssektor wäre beispielsweise ein Tempolimit.“

Jasmin Sander fasst abschliessend zusammen: „Wir werden es nicht unkommentiert lassen, wenn die Bundesregierung nach Jena kommt. Wir rufen die gesamte Jenaer Zivilbevölkerung auf, mit uns auf die Strasse zu gehen und zu zeigen: Diese rechte Politik, bei der einige wenige auf Kosten der anderen profitieren und unsere Lebensgrundlagen zerstört werden ist ungerecht. Wir fordern: Gerechtigkeit statt rechter Politik!“

pm