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Christoph von Hoeren gestorben: Erinnerung an einen Betroffenen der BRD-Justiz

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Erinnerung an einen Betroffenen der BRD-Justiz Christoph von Hoeren gestorben

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Politik

Am 2. Juni 2025 ist Christoph von Hoeren gestorben. Er hat viele Jahre in Hamburg als Buchhändler gelebt.

Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede von Norden aus gesehen, Haupteingang.
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Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede von Norden aus gesehen, Haupteingang. Foto: Erbsenesche (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 2. Juli 2025
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Nicht viele Menschen werden wissen, dass Christoph von Hoeren als politischer Gefangener vor mehr als 35 Jahren lebensbedrohlich erkrankte. Er überlebte nur, weil er nach einer öffentlichen Kampagne aus gesundheitlichen Gründen aus der Haft entlassen musste. Das geschah allerdings nicht in der DDR, denn dann hätte von Hoeren zumindest eine kleine finanzielle Entschädigung für die staatliche Repression erhalten. Christoph war politischer Gefangener in Westdeutschland, die darf es dort offiziell nicht geben. Daher hat er auch nie eine Entschädigung für die Gefangenenschaft und die gesundheitliche Entschädigung bekommen.

Knast wegen Veranstaltung zu politischen Gefangenen

Christoph wurde 1988 wegen „Unterstützung einer terroristischen Vereinigung“ (§129a StGB) zu 18 Monaten Knast verurteilt, weil er 1986 im damals linken Veranstaltungsraum Alte Pauline im ostwestfälischen Detmold auf einer Veranstaltung zur Zusammenlegung der politischen Gefangenen und für die Freilassung des schwererkrankten RAF-Inhaftierten Günter Sonnenberg einen Redebeitrag gehalten hat. Das allein reichte für ein 129a-Verfahren gegen drei Personen, die auf der Veranstaltung Reden gehalten haben. Zwei entzogen sich der Repression und gingen in die Illegalität. Christoph führte einen politischen Prozess und verteidigte die inkriminierte Veranstaltung. Er wurde vom Staatsschutzsenat zu einer 18-monatigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt.

In Bielefeld gab es damals eine Solidaritätskomitee, das von der antiimperialistischen und autonomen Szene bis zu Teilen der Grünen reichte, die damals in Bielefeld noch links blinkten. Am 30.Oktober sollte Christoph die Haft antreten. Dagegen protestierten über 1000 Menschen mit einer Demonstration, die in unmittelbarer Nähe des Arbeiterjugendzentrums (AJZ) in der Heeperstrasse in Bielefeld von der Polizei eingekesselt wurde. Es dauerte mehrere Stunden, bis die Demonstrant*innen von der Polizei festgenommen und kontrolliert wurden. Darunter war auch Christoph, der anschliessend in ein Bielefelder Gefängnis nach Brackwede überstellt wurde.

Kampf auf Leben und Tod

Doch der Kampf um seine Freilassung ging weiter und intensivierte sich. Denn schnell stellte sich heraus, dass es dabei um Leben und Tod ging. Seinen ersten körperlichen Zusammenbruch erlitt Christoph am 1.März 1989, als sein linker Lungenflügel zusammenklappte. Die Mediziner*innen sprachen von Mantelpneu oder Pneumothorax. Christoph wurde aus Brackwede I auf die Intensivstation des Knastkrankenhauses Fröndenberg verlegt. Kaum war sein linker Lungenflügel annähernd verheilt, bekam er einen Rückfall, und sein rechter Lungenflügel klappte zusammen.
Justizvollzugsanstalt Bielefeld-Brackwede von Norden aus gesehen, Haupteingang.

Christoph von Hoeren

Zudem stellen die Mediziner*innen eine schwere rheumatische Erkrankung bei Christoph fest. Den Solidaritätskomitees war klar, dass eine Behandlung unter Haftbedingungen nicht möglich war und forderten die sofortige Freilassung von Christoph. Nachdem sich die Repressionsorgane zunächst geweigert hatten, entschied das Oberlandesgericht Düsseldorf schliesslich auf Antrag von Christophs Anwält*innen eine Haftunterbrechung. Christoph kam am 19. September 1989 fast ein Jahr seiner Festnahme frei. Er brauchte viele Jahre, um seine gesundheitlichen Probleme, die durch die Haft auf jeden Fall verschärft wurden, zu therapieren.

Kein Einzelfall

Angesichts seines frühen Todes mit Anfang 60 Jahre sollte einmal mehr daran erinnert werden, dass die politischen Gefangenen der BRD-Justiz nie rehabilitiert wurden. Wie Christoph wurden viele Linke kriminalisiert, weil sie sich an Veranstaltungen zur Solidarität mit den Gefangenen aus RAF und Widerstand beteiligten. Es ist die Aufgabe von Menschen, die damals Teil der politischen Kämpfe waren, dafür zu sorgen, dass sie nicht vergessen werden. Und wir sollten daran erinnern. Heute sind es vor allem kurdische und türkische Linke, die in deutschen Knästen sitzen, weil sie ganz legale politische Arbeit wie die Solidarität mit Gefangenen organisieren. Sie werden genau so wie damals Christoph und andere nach dem Konstrukt des 129a verurteilt.

Peter Nowak

Literaturhinweise:

Es gibt zu dem Kampf um Christophs Freilassung 1989 noch einige Quellen im Internat .

https://taz.de/Als-Krueppel-aus-dem-Knast/!1806497/

und

https://taz.de/Christopph-von-Hoeren-morgen-frei/!1798089/