Triumph des Wahnsinns? Donald Trump und das Ende der Politik, wie wir sie kannten

Politik

Die US-Wahl 2016 ist gelaufen. Das politische Erbe Trumps wird bleiben. Es ist ein Desaster. Und alle Seiten tragen dafür Verantwortung.

Anti-Trump Proteste in Baltimore, September 2016.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Anti-Trump Proteste in Baltimore, September 2016. Foto: Elvert Barnes (CC BY-SA 2.0 cropped)

9. November 2016
0
0
3 min.
Drucken
Korrektur
Die eigentlichen Fragen zu diesem Wahlkampf: War das ein Triumph der Demokratie oder schon ein Triumph des Wahnsinns? Wie schafft es ein Reality-Show-Darsteller eine der stolzesten Demokratien der Welt dermassen zu erniedrigen, zu knechten und für dumm zu verkaufen? Ist Trump Symptom des Versagens oder die Konsequenz dieses Systems?

Wenn dieser Wahlkampf ein Sieg der Demokratie war, dann hat diese Demokratie viel mit Wut und wenig mit Inhalten zu tun. Wie gebannt haben wir seit Monaten einen Schlagabtausch zwischen den beiden Kandidaten betrachtet, ein Rundumschlag mit Verkürzungen jeglicher Art.

Wo waren die Auseinandersetzungen um die Zukunft des Gesundheitssystems? Über die Reform der Renten, über das Bildungssystem oder Investitionen in die zerfallende amerikanische Infrastruktur? Haben Sie viel Diskussionen über die Kriminalität gehört? Über die Chancengleichheit, Energiepolitik oder die Bekämpfung der Armut? Die letzten inhaltlichen Auseinandersetzungen dieser Art fanden zwischen Clinton und Sanders statt. Und dann kam Trump. Und die Politik war tot.

Trump ist nicht Politik. Die wichtigsten gesellschaftlichen Themen wurden bis zur Unkenntlichkeit verzwergt, vertiefte Analysen bei Seite geschoben. Kritische Fragen wurden mit persönlichen Attacken entgegnet, das Gegenüber war anschliessend damit beschäftigt, sich wieder rein zu waschen, statt inhaltlich zu parieren.

Die Wahl 2016 ist gelaufen. Auch wenn die beiden Kandidat/innen miteinander nicht vergleichbar sind, verantwortlich für das Desaster sind alle Seiten. Das Beharren der Demokraten auf Hillary Clinton als „alternativlos“ produzierte eine ungewohnt schwache Kandidatin. Die Feigheit und Zerstrittenheit der Republikaner öffnete Trump den Weg. Die frühe Fixierung der Medien auf Trump machte ihn allgegenwärtig und überdimensional. All diese Akteure, die zu diesem Monsterphänomen beigetragen haben, sind demokratische Institutionen. Aber sie waren jemandem nicht gewachsen, der die Regeln der Politik gegen die Regeln der Reality Show getauscht hat. Politics is dead. Long live Trump!

Wer auf die Schwächen der beiden Kandidat/innen gleichermassen hinweist, vergisst: Die meisten Kandidat/innen in den meisten Wahlen haben Schwächen. So auch Hillary Clinton. Aber was Donald Trump bietet, hat mit Schwächen nichts zu tun, weder mit seinen eigenen, noch mit denen seiner Gegnerin. Wir müssen es aussprechen: Trump ist nicht schwach. Trump ist ein politisches Desaster. Trump ist ein Lügner, ein Hasser und ein Dummkopf. Und das Schlimmste ist: Er ist das alles nur zum Schein. Denn diese Eigenschaften dienen einem einzigen Zweck – dem Zweck, einen Teil der Wähler/innen zu manipulieren und dem anderen Teil der Wähler/innen zu gefallen.

Trump hat verstanden, was wir im Westen in den letzten Dekaden vergessen haben: Es gibt wohl einen erheblichen Teil der demokratischen Wähler/innen, die einen Lügner nicht erkennen, sich einen Hasser als Präsidenten wünschen und Dummheit der Argumente mit Volksnähe verwechseln. Das hat nichts mit Arroganz gegenüber diesen Menschen zu tun. Das ist eine ehrliche Analyse und die Ausgangsbasis für die Politik der kommenden Jahre. Auch wenn Trump versus Clinton vorbei ist, bleibt diese Hinterlassenschaft von ihm. Und andere werden folgen und genau wie er das Politische töten, um Wähler/innen zu verführen.

Sergey Lagodinsky
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-SA 3.0) Lizenz.