Wie King Kong auf einem Hochhausdach Armes Mexiko - so fern von Gott und so nah an Trump

Politik

Eine Mauer hatte Donald Trump angekündigt - und einen kreativen Schub für alle Karikaturisten in Mexiko ausgelöst. Die erste einer Reihe von Kolumnen über das Leben mit Donald Trump in Lateinamerika.

Die Grenze zwischen Mexiko und USA. Die Kreuze symbolisieren die unzähligen Todesopfer, die beim Versuch, über die Grenze zu kommen, verstorben sind.
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Die Grenze zwischen Mexiko und USA. Die Kreuze symbolisieren die unzähligen Todesopfer, die beim Versuch, über die Grenze zu kommen, verstorben sind. Foto: Tomas Castelazo (CC BY-SA 2.5 unported - cropped)

12. Januar 2017
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„Tromp“ wird er in Mexiko ausgesprochen, und schon das klingt vor allem despektierlich. Man macht sich erstmal lustig über Donald Trump - so wie über den Drogenboss Chapo Guzmán oder über den Tod.

Tödliche Krankheiten und Drogen würden die Mexikaner über die Grenze einschleppen, hatte der Multimillionär im Wahlkampf geätzt. Verbrecher und Vergewaltiger seien sie. „Mexiko ist nicht unser Freund“, lautete Trumps Quintessenz. Deshalb werde er eine unüberwindbare Mauer bauen, über die gesamten 3.200 Kilometer Grenze. Und wer soll das bezahlen, wer hat so viel Geld? Die Mexikaner natürlich - der vielleicht grösste Witz.

Zwar regten sich die Mexikaner über Trumps Volksverhetzungen auf, ernst genommen wurde der Kandidat aber zunächst kaum. Ausser von Präsident Enrique Peña Nieto: Der nutzte die Ungunst der Stunde und lud den Poltergeist in seinen Palast. Folge: Seine Popularität sackte auf ein Rekordtief ab.

Die Vorwahlstimmung spiegelte sich im Pesokurs: Stiegen Trumps Umfragewerte, so verlor die mexikanische Währung an Wert. Und vice versa. Trotzdem blieb er eine Witzfigur, und damit dankbares Modell für Satiriker im beschimpften Land. Karikaturisten bekamen geradezu einen kreativen Schub.

Das Karikaturen-Museum Mexiko-Stadt hat die bitterbösen Trump-Zeichnungen in einer Sonderausstellung an die Wände gebracht. Doppelsinniger Titel: „Un muro de Caricaturas“. Kann „Eine Wand der Karikaturen“ heissen, oder trumpistisch: Karikaturen-Mauer“. Der vielbelachte Haarschopf ist gleich mehrmals als Mauer gezeichnet, beim Kurator der Ausstellung, Arturo Kemchs, zerdrückt ihr Gewicht das Gesicht des Donald Trump zu einer roten Frikadelle. Als der Kandidat in den Umfragen hinterherhinkte, habe es ihm schon fast leidgetan, das er so massenhaft durch den Dreck gezogen wurde, sagt Kemchs. Wenn „Tromp“ zulegte, seien die Sorgen gewachsen, wenn er dann erneut an Boden verlor, habe Mexiko über die Karikaturen gelacht. Heute, so Kemchs, sei er einfach nur fassungslos.

„Ihn weiter zeichnen ist das Einzige, was wir tun können"

So wie die Besucher der nach dem Wahlsieg verlängerten Ausstellung: betretene Gesichter mit Sorgenfalten, im Halse feststeckendes Lachen. Auf einer Karikatur sehen sie sich quasi selber: Da hat der Künstler Luy einen Mann gezeichnet, der ein Clown-Porträt des Donald Trump betrachtet. „Und dieser Clown“, steht in der Sprechblase, „bringt der zum Lachen, zum Weinen, erschreckt er oder macht er zornig?“ Die Antwort steht noch aus.

Am Morgen nach der Wahl hatte Mexiko einen Kater wie nach durchsumpfter Tequila-Nacht: erwacht in einem Albtraum. Schockstarre. Nur der Pesokurs bewegte sich: nach unten. Erste Teuerungen waren im Supermarkt schnell spürbar. Helgueras Karikatur, ein Trump mit SS-Rune auf der roten Krawatte, schien plötzlich nur noch wenig übertrieben. „Ich könnte der mexikanischen Regierung Atomwaffen für ihren Drogenkrieg gegen das eigene Volk geben“, lässt Helguera den Karikierten sagen.

Kommentatoren befürchten in ihrem Leitartikel zumindest einen Wirtschaftskrieg oder einen Anti-Migranten-Krieg. Ausstellungsmacher Arturo Kemchs spürt vor allem Ungewissheit: „Ihn weiter zeichnen ist das Einzige, was wir politischen Zeichner tun können, kritisch begleiten, was er tut. Er wird uns in den nächsten Jahren beschäftigen.“

Wird der Präsident Trump ausführen, was der Kandidat Trump androhte? Wird er knapp drei Jahrzehnte nach Ende des Kalten Krieges einen eisernen Vorhang an der Grenze zu Mexiko bauen und damit den Nord-Süd-Konflikt einbetonieren? Wird er Millionen Mexikaner auf den schon immer viel zu schwachen mexikanischen Arbeitsmarkt deportieren, zurück in die Armut treiben und damit in die Fänge des organisierten Verbrechens? Deren Mörderbanden bieten in vielen Gegenden fast die einzige Möglichkeit, dem finanziellen Elend zu entkommen. Elend, das sich zudem vervielfachen wird, wenn die Geldüberweisungen der in den USA Arbeitenden ausbleiben.

Und wird Trump auch noch NAFTA zerstören, das Freihandelsabkommen, das die drei nordamerikanischen Länder Mexiko, Kanada und USA verbindet?

Wie King Kong auf einem Hochhausdach

So viele offene Fragen, existenzbedrohende für viele Menschen südlich des Rio Grande. Rio Bravo heisst er in Mexiko, wo weiter von der Mauer gesprochen wird, während Trump mittlerweile „Grenzbefestigung“ sagt. Die Mexikaner starren auf den Trump, der sich in gleich zwei Karikaturen wie King Kong auf einem Hochhausdach exhibitioniert: auf dem Trump-Tower natürlich.

Oder sie schlagen auf ihn ein: als fast lebensgrosse Pappmaschee-Figur ist er zur beliebten Piñata geworden. Die Generalsekretärin der Mitte-Links-Partei PRD holte unter dem Jubel ihrer Parteifreunde mit dem Holzstock aus, auch auf der Jahresendparty des Heinrich-Böll-Stiftungsbüros in Mexiko-Stadt regnete es die traditionellen Süssigkeiten aus aufgeprügeltem Fratzen-Trump. Schon an Halloween faszinierten seine Masken belustigte Mexikaner. Aber das saure Ende nach dem Süsskram-Regen kommt erst noch. Ab 20. Januar, auch auf der mexikanischen Bühne.

Mit dem Satz: "Armes Mexiko, so fern von Gott und so nah an den USA", wird Porfirio Díaz in fast jedem Mexiko-Buch zitiert. Vor gut hundert Jahren soll der Diktator diese bittere Weisheit formuliert haben.

Die brandaktuelle Version heute klingt nur wenig anders: "Armes Mexiko, so fern von Gott und so nah an Tromp".

Michael Castritius
boell.de

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-ND 3.0) Lizenz.