UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Sambia: Landraub als Entwicklungshilfe | Untergrund-Blättle

4696

Investoren, Selbstversorger und kollektives Eigentum Sambia: Landraub als Entwicklungshilfe

Politik

Sambia fördert die Entstehung von Megafarmen – auf Kosten der Bevölkerung, die von ihrem Land vertrieben wird.

Arbeiter in Sambia, November 2017.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Arbeiter in Sambia, November 2017. Foto: Thatlowdownwoman (CC BY-SA 4.0 cropped)

14. Dezember 2017
1
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Sambias Regierung vergibt seit Jahren grosse Stücke Ackerland an einheimische und ausländische Investoren, um die Exporteinnahmen zu erhöhen. Als Folge davon werden Bewohner von ihrem Land vertrieben, weil es an grosse Agrarkonzerne verkauft wurde. Oft ohne Kompensation, wie es das Gesetz vorsieht, gelegentlich sogar ohne Vorwarnung. Europäische Organisationen und Konzerne beteiligen sich an diesem Landraub, hat die Non-Profit-Organisation FIAN dokumentiert.

Die Kleinbauern werden obdachlos, leben in Zelten oder bekommen ein minderwertiges Stück Land zugewiesen. Einige wandern sogar ins Gefängnis, weil sie weiter auf dem Land leben, auf denen schon ihre Eltern gewirtschaftet haben.

Investoren, Selbstversorger und kollektives Eigentum

Neben Bergbau ist die Landwirtschaft der wichtigste wirtschaftliche Pfeiler Sambias. Ein Grossteil der Bevölkerung lebt vom und auf dem Land. 60 Prozent der landwirtschaftlichen Betriebe sind Klein- und Kleinstbetriebe. Zusammen produzieren sie 85 Prozent der Nahrungsmittel, vor allem Hirse und Mais, aus dem das Nationalgericht Nshima hergestellt wird. Der Maisbrei ist die Grundlage der meisten Mahlzeiten. Tabak, Zuckerrohr, Erdnüsse und Baumwolle werden zum Verkauf angebaut, Gemüse wird auf dem Markt verkauft, wenn es Überschüsse gibt. Traditionell wird das Land kollektiv bewirtschaftet.

Um konkurrenzfähig zu werden, will das Land mechanisierte Landwirtschaft im grossen Stil. Die Entwicklung grosser Farmen mit mehreren hundert oder tausend Hektaren wird massiv gefördert. Im Zuge einer Landreform werden grosse Gebiete in Staatseigentum überführt und an einheimische wie ausländische Investoren verkauft. Der Käufer verpflichtet sich im Gegenzug die Übernahme einvernehmlich zu regeln und die Bewohner zu entschädigen.

Gut gemeint – aber nicht gut gemacht

Die Realität sieht anders aus: Bewohner gibt es fast immer, Entschädigungen oft nicht. Viele erfuhren erst vom Verkauf des Landes, auf dem sie lebten, als der Vermesser oder gar die Bagger dort auftauchten, um ihre Häuser abzureissen.

«Human Rights Watch» (HRW) hat mehr als 130 Interviews mit Betroffenen im Distrikt Serenje geführt und wirft der sambischen Regierung Menschenrechtsverletzungen vor. Regierung und Grundbesitzer verletzten das Recht der Sambier auf Wohnung, Nahrung und Schulbildung.

Bewohner, die zwangsumgesiedelt wurden, bekamen minderwertigen Flächen zugewiesen und können sich nicht mehr selbst ernähren. Sie leben weit entfernt von Wasserstellen oder Schulen, obwohl es in Sambia eine Schulpflicht gibt.

Gefängnisstrafen für die «Besetzung» des eigenen Lands

Einige Dutzend Personen, berichtet HRW, harren seit 2013 in Zelten aus, Ackerbau wurde ihnen verboten. Während des ersten Jahres bekamen sie Nahrungsmittel von der Regierung, seither warten sie darauf, dass sie umgesiedelt werden.

Im Mai 2017 warnten die Vereinten Nationen davor, dass Sambier und Sambierinnen zu Besetzern des Landes werden könnten, auf dem sie geboren sind und das sie seit Generationen bewirtschaften. Zwei Sambierinnen wanderten laut HRW deswegen für drei Monate ins Gefängnis. Andere Quellen berichten von ähnlichen Fällen.

Besonders betroffen sind Frauen. Sie machen einen Grossteil der Arbeit in der Landwirtschaft, verwalten die Finanzen und versorgen neben den eigenen Kindern oft eine oder mehrere der in Sambia zahlreichen AIDS-Waisen. Bei der Umverteilung des Ackerbodens wird ihnen oft nicht einmal ein Mitspracherecht zugestanden.

Gesetze gäbe es – nur durchgesetzt werden sie nicht

«Die Bewohner von Serenje wurden von der kommerziellen Landwirtschaft überrumpelt», fasst es Patrick Musole zusammen, Der Programmleiter der «Zambia Land Alliance», einem Zusammenschluss von Nichtregierungsorganisationen, die sich um die Rechte der Anwohner kümmert, wirft der sambischen Regierung und den Grossfarmern vor, ohne Rücksicht auf die Einwohner vorgegangen zu sein.

Entsprechende Gesetze gäbe es und sie sind den Unternehmen auch bekannt. Nur durchgesetzt werden sie nicht. Der sambischen Regierung fehlen Geld und Personal, es mangelt an Kontrollen und am guten Willen der Gegenseite. «Investoren nehmen die Abkürzung. Sie sprechen mit dem Präsidenten und den Ministern. Sie kennen die Richtlinien, aber wenn sie in Afrika sind, kaufen sie sich frei», sagte ein ehemaliger Angestellter der sambischen Entwicklungsagentur zu HRW.

Die Financiers sitzen auch in Europa

Ein Bericht der Organisation FIAN (Food First Information and Action Network), der am 11. Oktober 2017 dem Europäischen Parlament vorgestellt wurde, dokumentiert, wie Akteure aus Europa am Landgrabbing in afrikanischen Ländern beteiligt sind. Zum Beispiel beim Unternehmen «Agrivision Zambia» mit Sitz in Mauritius, das bis 2016 in Sambia mindestens 18'000 Hektar an landwirtschaftlicher Fläche erworben hat.

Finanziert werde «Agrivision Zambia» unter anderem von einem Fonds mit Sitz in Luxemburg, an dessen Gründung das deutsche Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ), die Entwicklungsbank KfW und die Deutsche Bank AG beteiligt waren. Weitere Investoren seien die Österreichische Entwicklungsbank (OeEB) und die Europäische Kommission, schreibt FIAN, das die Förderung von Megafarmen seit Jahren kritisiert. Oder das Unternehmen «Zambeef», das von der Deutschen Investitions- und Entwicklungsgesellschaft (DEG) Millionen langfristiger Kredite erhalten hat und nun dort, wo einst Kartoffeln, Tomaten und Mangos wuchsen, Soja für Viehfutter anbaut.

Daniela Gschweng / Infosperber

Mehr zum Thema...
Getreidesilos in Mpongwe. Die Landwirtschaft stellt einen Hauptbeschäftigungszweig in Sambia dar.
„Entwicklungsperspektiven“ in afrikanischen LändernSambia: Hindernislauf statt Sprint

27.10.2016

- Wir fragen uns häufig, warum „Afrika“ sich nicht „entwickelt“.

mehr...
Gedenken an Santiago Maldonado, Buenos Aires, Oktober 2017.
Eine Geschichte um Landraub und staatliche RepressionArgentinien: Der Tod von Santiago Maldonado

01.11.2017

- In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts annektierten die neu entstandenen Staaten Chile und Argentinien im Rahmen von [...]

mehr...
Die von Glencore betriebenen Kupferfabrik Mopani in Sambia.
Tod durch SchwefelgasGericht verurteilt Glencore

21.11.2016

- Giftige Abgase einer Kupferfabrik töten in Sambia Menschen.

mehr...
Landgrabbing in Kenia

20.12.2010 - Als Landgrabbing wird allgemein der grossflächige Aufkauf oder die Verpächtung von Landflächen durch private Investoren und Unternehmen bezeichnet. Insbesondere in den so genannten Ländern des Globalen Südens führt die Privatisierung von Land oft dazu, dass lokale Kleinbäuerinnen und Bauern und Communities nicht mehr über genügend Anbauflächen für die eigene Landwirtschaft verfügen.

EU-Freihandelspolitik - Auswirkungen am Beispiel Sambia

23.10.2008 - 2007 hat die Europäische Union eine neue Handelsstrategie beschlossen. Diese Strategie setzt, so der offizielle Jargon, „auf eine aktive Politik der Öffnung sowohl innerhalb der EU als auch gegenüber Drittländern, die Europa in die Lage versetzen soll, im globalen Wettbewerb zu bestehen.“ Ein Ansatz zur Durchsetzung dieser Strategie stellen die sogenannten Wirtschaftspartnerschaftsabkommen mit Entwicklungsländern dar, die seit 2002 verhandelt werden.

Dossier: Rohstoffhandel
Stepanovas (   - )
Propaganda
Reste

Aktueller Termin in Düsseldorf

Gemeinsame Anreise zur Demonstration in Solingen

Am 29.05. (Pfingstmontag) treffen wir uns um 10.40 Uhr am Ufa Palast neben dem Hauptbahnhof um gemeinsam zur Gedenkdemonstration nach Solingen zu fahren.

Montag, 29. Mai 2023 - 10:40 Uhr

Linkes Zentrum Hinterhof, Corneliusstraße 108, 40215 Düsseldorf

Event in Winterthur

SAVE THE DATE! Pfingsten: Treffen gegen die Stadt der Reichen

Montag, 29. Mai 2023
- 12:00 -

Infoladen Rabia

Bachtelstrasse 70

8401 Winterthur

Mehr auf UB online...

Vorheriger Artikel

Wenn Arbeiter:innen nicht gleich Arbeiter:innen sind

Grenzenlose Auspressung von Arbeitskraft

IG Metall-Vorsitzender Jörg Hofmann im Gespräch mit Beschäftigten bei FORD in Köln, Mai 2015
Nächster Artikel

Gewerkschaftliche Perspektive

Erster Mai 2023 – wie Ostern oder Heilig Abend!?

Untergrund-Blättle