UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Marokko: Ein Armenhaus von der EU produziert | Untergrund-Blättle

6792

Afrika, ein Kontinent als Beute Marokko: Ein Armenhaus von der EU produziert

Politik

Marokko konnte seine Unabhängigkeit lange behaupten, verlor seine Souveränität aber 1912 im Vertrag von Fès.

Französische Truppen unter Colonel Charles Mangin in Marakesch am 9. September 1912.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Französische Truppen unter Colonel Charles Mangin in Marakesch am 9. September 1912. Foto: Charles-Joseph-Alexandre Cornet (PD)

28. Dezember 2021
2
0
3 min.
Drucken
Korrektur
Das Land, aus dem Klaus Hecker in seinem Podcast „Afrika, ein Kontinent als Beute“ berichtet, wurde von den Kolonialmächten Spanien und Frankreich aufgeteilt. Es entstanden die Protektorate Spanisch-Marokko und Französisch-Marokko.

Der Erste Weltkrieg liess kurzzeitig den Nordwesten Afrikas aus dem Blickfeld verschwinden. Doch schon Anfang 1919 warb Abd al-Karim (1882 bis 1963), Anführer im Aufstand der Rifkabylen gegen die spanischen und französischen Kolonialtruppen in der Rif-Region Spanisch-Marokkos, für die Bildung eines antikolonialen Stammesbündnisses. Man wollte den Rückzug der Spanier nach Ceuta und Melilla (nordafrikanische Küste) durchsetzen. Der Rifkrieg begann 1921 mit einem militärischen Sieg der Rifkabylen in der Schlacht von Annual.

Massenvernichtung als Antwort

Spanien wechselte die Strategie. Chemische Waffen kamen zum Einsatz, unter anderem beschafft in Deutschland. Dennoch zog sich der Konflikt hin. 1923 proklamierte Abd al-Karim als Präsident der Rif-Republik in Nordmarokko die Unabhängigkeit von der spanischen Herrschaft. Ein Politikum, dass sich die Kolonialmächte nicht bieten lassen konnten.

Frankreich und Spanien bekämpften die Rifkabylen gemeinsam. Die geopolitischen Interessen der „zivilisierten“ Europäer wurden massgeblich mit der Massenvernichtungswaffe Senfgas durchgesetzt. Abd al-Karim ergab sich den Franzosen 1926.

Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss. 1956 erlangte Marokko die volle Unabhängigkeit und wurde Königreich. Heute befinden sich zwar nur noch die Enklaven Ceuta und Melilla in spanischem Besitz, aber geblieben ist die (vor allem) ökonomische Abhängigkeit. Und die wird vonseiten der Europäischen Union (EU) gehegt und gepflegt.

Freihandelsabkommen und neue Märkte

In der Altstadt von Essaouira herrscht reges Treiben. Unzählige kleine Marktstände locken mit Waren aller Art. Darunter zahlreiche landwirtschaftliche Produkte. Doch obgleich Marokko über eine beachtliche Landwirtschaft verfügt, werden auch Gemüsesorten und Früchte aus der Europäischen Union feilgeboten. Das ist zwar nicht weiter überraschend in einer globalisierten Welt, dennoch ist die flüchtige Beobachtung ein erster Fingerzeig.

Die EU hat den Mittelmeerraum bereits Mitte der 1990er-Jahre zum Gebiet von strategischer Bedeutung erhoben. Auf der sogenannten euro-mediterranen Konferenz der Aussenminister der EU und der Partnerländer, darunter Marokko, wurde 1995 in Barcelona die euro-mediterrane Partnerschaft begründet. Im März 2000 trat das sogenannte Europa-Mittelmeer-Abkommen in Kraft.

Wesentliche Elemente zur Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen der EU und den Nachbarländern im südlichen Mittelmeerraum sind Kooperationen, Handelsabkommen und langfristig eine Demokratisierung der gesamten Region. 2019 schloss die EU ein nicht unumstrittenes Freihandelsabkommen mit Marokko (1). Auf die Besonderheit und die Details des innerafrikanischen Konflikts mit der in der Westsahara aktiven Polisario wird an dieser Stelle verzichtet (2). Im Podcast bleibt der Freihandel im Fokus, der oberflächlich betrachtet dem wirtschaftlichen Fortkommen von Marokko nutzt, aber das Land schleichend in ein Armenhaus verwandelt.

Klaus Hecker

Fussnoten:

(1) Verfassungsblock (2.12.2020): Selbstbestimmung statt Fremdbestimmung – Zum notwendigen Kurswechsel der EU gegenüber Marokko und der Westsahara. Auf https://verfassungsblog.de/selbstbestimmung-statt-fremdbestimmung (abgerufen am 10.11.2021).

(2) Die Frente Polisario ist eine militärische und politische Organisation, die im Verlauf des Westsaharakonfliktes 1976 die Demokratische Arabische Republik Sahara (DARS) ausrief. Die Polisario steht im Konflikt mit Marokko; das Königreich erhebt Anspruch auf das gesamte Territorium. Das durch die Regierung der DARS verwaltete Gebiet ist durch einen von Marokko errichteten 2700 Kilometer langen, verminten Sandwall vom marokkanisch verwalteten Teil der Westsahara getrennt.

Mehr zum Thema...
Ein Posten der Frente Polisario im Süden der Westsahara, links ein Fahrzeug der UN-Mission, November 2017.
Die Rolle der Westsahara in der spanischen „Transición“Marokko und die Westsahara

14.07.2021

- Während bei verschiedenen Ländern mit der Lupe nachgeschaut wird, was es dort an politischen Gefangenen gibt und wie sie behandelt werden, sind andere Staaten vor dem aufmerksamen Blick von HRW und ähnlich gearteten menschenfreundlichen Organisationen und politischen Institutionen der EU sicher.

mehr...
Die marokkanische Hafenstadt Essaouira, Februar 2020.
Afrika, ein Kontinent als BeuteMarokko: Essaouira, die Stadt des Windes

10.01.2022

- Essaouira, eine Hafenstadt an der marokkanischen Atlantikküste, oft romantisch als „Stadt des Windes“ bezeichnet, ist ein Spiegel der herrschenden Verhältnisse, deren Grundstein die westeuropäischen Grossmächte am Vorabend des Ersten Weltkriegs mit ihrem Wettlauf um Afrika legten.

mehr...
Truppen der Frente Polisario, Mai 2005.
Eskalation in der WestsaharaDer lange Schatten des Kolonialismus

24.02.2021

- Mitte November ist in der von Marokko besetzten Westsahara der Konflikt zwischen marokkanischem Militär und der sozialistischen Befreiungsbewegung Frente Polisario nach 29 Jahren Waffenstillstand erstmals wieder aufgeflammt.

mehr...
CEAR zu den Flüchtlingen um Ceuta und Melilla: Spanien und Marokko verletzen Menschenrechte

10.03.2014 - FALSCHE ZEITANGABE: Nur 8:04 lang In den letzten Wochen versuchten mehrmals hunderte von MigrantInnen von Marokko übers Meer oder über die Grenzzäune in den spanischen Exklaven Ceuta und Melilla hineinzukommen. Am 6. Februar kamen 15 Menschen ums Leben, als die spanische Polizei mit Gummigeschossen in ihrer Richtung schoss, während sie die spanisch-marokkanische Grenze umschwimmen wollten.

Marokko arbeitet an einer politischen Verzögerungsstrategie

08.12.2022 - 1975 hat Marokko das Gebiet der Westsahara besetzt, nachdem sich Spanien aus seiner Kolonialherrschaft zurückgezogen hatte. Die Bevölkerung ist zu grossen Teilen in die algerische Grenzregion Tindūf geflohen.

Dossier: Spanischer Bürgerkrieg
Nationaal Archief
Propaganda
Stop TTIP

Aktueller Termin in Düsseldorf

Gemeinsame Anreise zur Demonstration in Solingen

Am 29.05. (Pfingstmontag) treffen wir uns um 10.40 Uhr am Ufa Palast neben dem Hauptbahnhof um gemeinsam zur Gedenkdemonstration nach Solingen zu fahren.

Montag, 29. Mai 2023 - 10:40 Uhr

Linkes Zentrum Hinterhof, Corneliusstraße 108, 40215 Düsseldorf

Event in Winterthur

SAVE THE DATE! Pfingsten: Treffen gegen die Stadt der Reichen

Montag, 29. Mai 2023
- 12:00 -

Infoladen Rabia

Bachtelstrasse 70

8401 Winterthur

Mehr auf UB online...

Aktion verschiedener Aktivist:innen am Flughafen von Genf, 23. Mai 2023.
Vorheriger Artikel

Europas grösste Verkaufsmesse für Privatflugzeuge

Genf: Privatjets blockiert

Nächster Artikel

Wenn Arbeiter:innen nicht gleich Arbeiter:innen sind

Grenzenlose Auspressung von Arbeitskraft

Untergrund-Blättle