Der Erste Weltkrieg liess kurzzeitig den Nordwesten Afrikas aus dem Blickfeld verschwinden. Doch schon Anfang 1919 warb Abd al-Karim (1882 bis 1963), Anführer im Aufstand der Rifkabylen gegen die spanischen und französischen Kolonialtruppen in der Rif-Region Spanisch-Marokkos, für die Bildung eines antikolonialen Stammesbündnisses. Man wollte den Rückzug der Spanier nach Ceuta und Melilla (nordafrikanische Küste) durchsetzen. Der Rifkrieg begann 1921 mit einem militärischen Sieg der Rifkabylen in der Schlacht von Annual.
Massenvernichtung als Antwort
Spanien wechselte die Strategie. Chemische Waffen kamen zum Einsatz, unter anderem beschafft in Deutschland. Dennoch zog sich der Konflikt hin. 1923 proklamierte Abd al-Karim als Präsident der Rif-Republik in Nordmarokko die Unabhängigkeit von der spanischen Herrschaft. Ein Politikum, dass sich die Kolonialmächte nicht bieten lassen konnten.Frankreich und Spanien bekämpften die Rifkabylen gemeinsam. Die geopolitischen Interessen der „zivilisierten“ Europäer wurden massgeblich mit der Massenvernichtungswaffe Senfgas durchgesetzt. Abd al-Karim ergab sich den Franzosen 1926.
Nach dem Zweiten Weltkrieg gewann die arabisch-nationalistische Unabhängigkeitsbewegung an Einfluss. 1956 erlangte Marokko die volle Unabhängigkeit und wurde Königreich. Heute befinden sich zwar nur noch die Enklaven Ceuta und Melilla in spanischem Besitz, aber geblieben ist die (vor allem) ökonomische Abhängigkeit. Und die wird vonseiten der Europäischen Union (EU) gehegt und gepflegt.
Freihandelsabkommen und neue Märkte
In der Altstadt von Essaouira herrscht reges Treiben. Unzählige kleine Marktstände locken mit Waren aller Art. Darunter zahlreiche landwirtschaftliche Produkte. Doch obgleich Marokko über eine beachtliche Landwirtschaft verfügt, werden auch Gemüsesorten und Früchte aus der Europäischen Union feilgeboten. Das ist zwar nicht weiter überraschend in einer globalisierten Welt, dennoch ist die flüchtige Beobachtung ein erster Fingerzeig.Die EU hat den Mittelmeerraum bereits Mitte der 1990er-Jahre zum Gebiet von strategischer Bedeutung erhoben. Auf der sogenannten euro-mediterranen Konferenz der Aussenminister der EU und der Partnerländer, darunter Marokko, wurde 1995 in Barcelona die euro-mediterrane Partnerschaft begründet. Im März 2000 trat das sogenannte Europa-Mittelmeer-Abkommen in Kraft.
Wesentliche Elemente zur Verbesserung der politischen Beziehungen zwischen der EU und den Nachbarländern im südlichen Mittelmeerraum sind Kooperationen, Handelsabkommen und langfristig eine Demokratisierung der gesamten Region. 2019 schloss die EU ein nicht unumstrittenes Freihandelsabkommen mit Marokko (1). Auf die Besonderheit und die Details des innerafrikanischen Konflikts mit der in der Westsahara aktiven Polisario wird an dieser Stelle verzichtet (2). Im Podcast bleibt der Freihandel im Fokus, der oberflächlich betrachtet dem wirtschaftlichen Fortkommen von Marokko nutzt, aber das Land schleichend in ein Armenhaus verwandelt.