Die Thematik einer Kulturflatrate Musik und Ton - Ein Blick in die Zukunft

Kultur

Grundsätzlich muss man sagen, dass das heutige Urheberrecht in Deutschland zwar mehrfach novelliert wurde, im Kern aber noch immer "das Alte" geblieben ist.

Musik und Ton - Ein Blick in die Zukunft.
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Musik und Ton - Ein Blick in die Zukunft. Foto: emperley3 (CC BY-SA 2.0 cropped)

4. Oktober 2010
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Natürlich muss ein Gesetz möglichst allgemein formuliert werden, um auch allgemeingültig zu sein. Dies wirft aber ein grundlegendes Problem für die Kreativwirtschaft und deren Vertrieb auf. Man hat es mit einer bislang ungeahnten Masse an immateriellen Gütern zu tun. Nichts ist wirklich greifbar, alles sind nur Zahlen, die in richtige Reihenfolge gebracht werden müssen, um einen Ton und schliesslich Musik daraus zu bilden.

Nachdem sich Musik lange Zeit ungehindert im World Wide Web verbreiten konnte, entdeckte man zumindest in Deutschland ab 2005/2006 eine Möglichkeit, um gegen Urheberrechtsverletzer vorzugehen.

Insbesondere die Musikindustrie förderte in der Anfangsphase dieses Abschnitts diese Entwicklung. Die Rede ist von Abmahnungen wegen der Verbreitung urheberrechtlich geschützter Tonaufnahmen.

Zahlreiche Kanzleien haben sich seit der ersten Abmahnung in diesem Bereich etabliert und gehen gemeinsam mit Logging-Firmen auf die Jagd nach Tauschbörsennutzern, die die Rechte von Dritten verletzen. Man erkennt dabei aber mitunter nicht, wohin dies führt.

Denn auch wenn jeder jemanden kennen soll, der jemanden kennt, der abgemahnt wurde, so wird dieser nicht nur die Botschaft vermitteln: Ich habe Urheberrechte von jemand anderem verletzt und musste dafür zahlen. Auch eine andere, weitaus negativer zu formulierende Botschaft wird mitschwingen. Formulierungen wie "Abzocke" gehören dabei noch zum gepflegtesten Vokabular in diesem Bereich.

Der Konsument wurde zum Gejagten, der dafür bluten soll, dass die Industrie kein passendes Angebot bereitstellt. Dies legitimiert natürlich die Urheberrechtsverletzung nicht, aber anstatt an der Ursache für diese Tendenzen zu arbeiten, bekämpft man die Symptomatik. Dass man sich diejenigen, die später eigentlich zu Käufern werden sollen, zum Feind macht. Dass diese ihren Freunden und der Familie berichten, wie ungerecht und überzogen dies alles ist.

Darüber hat man scheinbar nicht nachgedacht. Man fühlt sich - korrekterweise - auf der richtigen Seite, schliesslich ist man ja von der legislativen Seite gedeckt.

Recht haben und Recht bekommen. Moral und Ziele scheinen in diesem Gebilde nicht mehr viel zu bedeuten, vielleicht auch deshalb, weil man es den "Tätern" in Abrede stellt. Wer jedoch wirklich glaubt neue Kunden zu gewinnen, wenn er diese vorher ordentlich zur Kasse bittet, der irrt gewaltig. Eine Erkenntnis, für die es kein Studium braucht.

Die Jagd der Musikindustrie nach Urheberrechtsverletzern nimmt dabei immer weiter reichende Ausmasse an. Besonders hervorheben sollte man beispielsweise die Klage der International Federation of the Phonographic Industry (IFPI) gegen den weltgrössten BitTorrent-Tracker The Pirate Bay.

Die Musikindustrie hat als eine der klagenden Parteien den Dienst in den Boden gerammt. Ein gleichwertiges Angebot existiert jedoch bis dato nicht, und es sieht aktuell auch nicht danach aus, als würde man darauf zusteuern. Parallel hierzu treibt Frankreich die Entwicklung eines Three-Strikes-Gesetzes voran. Wer mehrfach die Urheberrechte verletzt, wird seinem Internetanschluss für eine bestimmte Zeit "Au revoir" sagen dürfen. Dass das Gesetz tatsächlich in Kraft tritt, kann zum gegenwärtigen Zeitpunkt kaum noch angezweifelt werden.

Testbild DDR F1.

Bild: Testbild DDR F1. / Olga Bandelowa (CC BY-SA 2.0)

Dass sich das wahre Problem - eine ständig fortschreitende Technologie gepaart mit einem altertümlichen Urheberrecht - dadurch nur verschiebt, zu dieser Erkenntnis ist man nach wie vor nicht gelangt.

Der Wille für Qualität zu bezahlen ist nämlich durchaus vorhanden, jedoch sind die vorhandenen Angebote alles, aber keinesfalls so kundenfreundlich und umfassend, wie man sich dies vielleicht wünschen würde.

Dass sich daran in absehbarer Zeit etwas ändern wird, kann man bisweilen auch bezweifeln. Lösungsoptionen gäbe es indes durchaus, wie auch auf zahlreichen Podiumsdiskussionen im Jahr 2009, an denen unser Chefredakteur Lars "Ghandy" Sobiraj teilgenommen hat, belegen. Sicherlich wurden hier einige Möglichkeiten nur oberflächlich angesprochen.

Insgesamt betrachtet gibt es vermutlich weit mehr und weit komplexere. Immer wieder angerissen wird in diesem Zusammenhang die Thematik einer Kulturflatrate.

Gemeint ist hierbei eine pauschale Abgabe für jeden Anschlussinhaber, aus welchem die Urheber schlussendlich entlohnt werden. Kritiker befürchten jedoch einen erheblichen bürokratischen Aufwand, der vergleichbar mit der GEZ oder der GEMA wäre. Ausserdem sehen viele keine Möglichkeit, wie eine faire Verteilung gewährleistet werden kann, ohne dass dazu massiv die Daten der Nutzer erhoben werden, die diese Anwendung nutzen. Insgesamt betrachtet stellen sich der Musikindustrie im 21. Jahrhundert also zahlreiche Probleme.

Demgegenüber stehen jedoch mindestens genau so viele Lösungsansätze. Das Kernproblem wird letzten Endes aber darin bestehen, die ganzen Rechteinhaber der Musikindustrie - sowie weiterer Sparten der Contentlieferanten - an einen Tisch zu bringen. Dort müssten sie dann diskutieren und sich einigen. https://commons.wikimedia.org/wiki/File:LED_Spektren.jpg?uselang=de

Alle müssten irgendwo zurückrudern. Ob sie das auch wirklich wollen? Diejenigen, die sich an die Verkaufserfolge der Schallplatte und CD aus vergangenen Tagen festklammern, aber auch die heutige Generation, die alles sofort haben. Denn allein die Tatsache, dass dies eben nicht möglich ist, rechtfertigt keinen illegalen Download.

Die Labels, klein oder gross, stehen hier in der Pflicht, schnell ein grossartiges und überwältigendes Angebot zu präsentieren, welches mit keiner illegalen Tauschbörse mithalten kann.

Sei es jetzt aufgrund des umfangreichen Angebots, bei welchem es keine defekten Dateiteile oder Viren gibt, oder aufgrund sonstiger Bonis. In den Händen der Konsumenten liegt dieses Szenario zumindest nur in zweiter Reihe, zumindest bis drakonische Strafen umgesetzt werden und sich irgendwann Bündnisse bilden. Wenn es die Industrie nicht schafft, vor diesem Zeitpunkt ein adäquates Angebot bereitzustellen, darf man um deren weitere Existenz bangen.

Um einen kleinen Vorgeschmack zu erhalten, was uns erwartet, wenn nicht gemeinsam ein Ausweg aus dieser "Krise" gefunden wird, genügt ein kleiner Blick in den Westen.

Dort gibt es nämlich viel Neues. Sei es nun ein immer schneller voranschreitendes Three-Strikes-Gesetz in Frankreich, welches über kurz oder lang die Interverbindung trennt, oder die grosse Insel Grossbritannien, die zum gegenwärtigen Zeitpunkt erneut über eine ähnliche Gesetzgebung nachdenkt. Nicht vergessen darf man in diesem Spiel auch das Anti-Counterfeit Trade Agreement, besser bekannt als ACTA.

Niemand weiss was es beinhaltet, geleakte Dokumente geben nur einen vagen aber erschreckenden Einblick. Wenn es so kommt, wie darin prophezeit, werden es harte Zeiten für die Konsumenten werden.

Auch der technische Fortschritt ist nicht mehr aufzuhalten. Wo man anfangs mit Tonbändern und Tape-Decks mühsam die knackenden und rauschenden Schallplatten aufnahm, oder die Musik aus dem Radio mitschnitt, so war später ohne jedes technische Verständnis eine 100%ige Kopie der Musikstücke möglich.

USB-Sticks sind heute preiswert, sie können eine Unmenge an Daten in sich bergen. Auch Festplatten wurden erschwinglich. Viele Menschen tragen heutzutage ihre digitale Musiksammlung in Form eines MP3-Players oder Handys mit sich herum. Was dann bleibt ist lediglich die Frage, was wohl passiert, wenn alle restriktiven Massnahmen der Kreativwirtschaft nichts genützt haben.

Wenn die Einnahmen der Musikindustrie weiter stagnieren. In diesem Sinne ein Appell an beide Seiten. Auf ins 21. Jahrhundert. Wer jetzt zögert, verliert.

Text: Firebird 77
Quelle: gulli.com