Über Black Metal, Nazis und den Film “Until the Light takes us” Black Metal ist Braun?!

Kultur

Jacques Blum zeichnet die Geschichte dieser Musik sowie ihre ideologischen Grundmotive nach und stellt den Film vor dem Hintergrund der realen Entwicklungen, welche dieser beleuchten will, auf den Prüfstand.

Trauer über den Verlust des nordischen Germanentums. Die Black-Metal Band «Satyricon» am viertägigen Inferno Festival in Oslo, Norwegen.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Trauer über den Verlust des nordischen Germanentums. Die Black-Metal Band «Satyricon» am viertägigen Inferno Festival in Oslo, Norwegen. Foto: Dan A. Nachtnebel (CC BY-NC-ND 2.0)

18. Juni 2015
10
3
14 min.
Drucken
Korrektur
Black Metal scheint heute schick, intellektuell, ja manchmal sogar linksradikal oder Antifa. T- Shirts der preisgekrönten US-amerikanischen Band Liturgy, die Misanthropie und Satanismus aus ihrem inhaltlichen Sortiment verbannt haben, zieren die Körper junger Menschen mit kulturellem Kapital. Sänger Hunter Hunt-Hendrix bekennt sich zu seiner Lebensbejahung, Musik und Inhalt der Band basieren auf einer romantischen Konzeption. Post Black Metal Bands wie Deafheaven stürzen sich musikalisch und textlich innovativ in philosophische Tiefen.

Andere Gruppen aus den USA, der Strömung des sogenannten Cascadian Black Metal zugehörig, traten in den frühen 2000ern mit hippiesk anmutenden Schlagworten wie Liebe und Ökologie ihr musikalisches Wirken an. Auch der Crust Punk, traditionell eher anarchistisch, bezieht sich heute oft und gern auch auf älteren Black Metal. Zum Konzertrepertoire linker Räume in Deutschland gehört er auch schon längst. Was ist los mit dem Black Metal? Kannte man ihn doch in Europa, wenn nicht als misanthropische, satanistische, dann als rechtsradikale und gewaltaffine Subkultur. Hat der Black Metal den Turn zum Guten und Linken vollzogen? Nein. Denn diese Beschreibung umfasst nur einen kleinen Teil dessen, was von der Bewegung noch übrig ist.

Tödliche Avantgarde

Der weitaus grössere Teil vermag es kaum sich von den Ursprungsnarrativen wie Mutter Natur und/oder Rasse zu lösen, mit denen vor allem die sogenannte „zweite Welle“ (ab den späten 80er in Norwegen) des Black Metal aufgewartet hatte. Blieb dessen „erste Welle“ (etwa frühe 80er) mit Bands wie Venom oder Celtic Frost noch im satanistisch obskuren Metalgeblödel verhaftet und damit recht harmlos, weist sie doch mit der schwedischen Band Bathory schon die ersten Anleihen aus Vikingerkult und Heldenverehrung auf. Die Zuspitzung dieser Elemente kamen dann in der „zweiten Welle“ fatal zur Geltung. Diese „zweite Welle“ formierte sich im Norwegen der späten 80er als radikale Jugendkultur. Bands wie Mayhem, Darkthrone und Burzum kreierten – vor allem aus dem Death Metal kommend, aber auch inspiriert von der „ersten Welle“ – neuen Sound, welcher durch schlichte Riffstruktur, fesselnde Repetitivität und einen rohe, übersteuernde Verzerrung der Gitarren von seinen musikalischen Ursprüngen sich abzugrenzen versuchte.

Sie nannten die neue Musik Black Metal. Der Death Metal war global auf dem besten Weg in den musikalischen Mainstream, schrieb hohe Verkaufszahlen, hatte für diese jungen Norweger als komerziell und zu wenig extrem ausgedient. Die Plattenbooklets wurden nun in schwarz-weiss und möglichst minimalistisch gehalten, die Bühnenshows – vor allem von Mayhem – grenzten sich durch autoaggressive Einlagen ihres todessehnsüchtigen Sängers „Dead“ vom verhausschweinten Metal-Mainstream ab. Auch das so genannte „Corpse Paint“ (weisse Gesichtsfarbe, die auf Konzerten an Leichenfäule erinnern soll) entstammt, wenn man von diversen Vorformen abstrahiert, dem Repertoire der norwegischen Black Metaller. Inhaltlich spitzten sie im Black Metal – die Bezeichnung wurde dem gleichnamigen Album der Thrash Metal Band Venom entlehnt – einige Aspekte ihres musikalischen Ursprungs zu, wie etwa Misanthropie, Satanismus und Antichristianismus.

So entstand eine Gemeinschaft um den Osloer Plattenladen „Helvete“ (Norwegisch für Hölle), die sich als eine Art okkulte Elite inszenierte und in den späteren Gründungsmythen dieser Szene als „Inner Circle“ benannt wurde. Eine neuere Komponente, die auch vorher schon von Metalmusikern thematisiert wurde, gewann ebenfalls an Gewicht: Die Anknüpfung an das altnordische Heidentum in Verbindung mit Naturmystizismus. Etwa „Varg“ Christian Vikernes, krächzte in seinem Ein-Mann-Projekt Burzum über Sagen und Mythen der Vikinger. Andere Bands folgten ihm. Was den Black Metal in seiner Entstehung von rein musikalischen Subgenres des Metal unterschied, ist, dass er mit seinen Ideologien praktisch Ernst machte und das über einen Männlichkeitskult, den man vom Metal gewöhnt ist, oder das nietzscheanisch anmutende Elitegetue hinaus.

Als Zeichen für Widerständigkeit gegen eine vermeintliche Zersetzung der alten europäischen Kulturen durch jüdisch-christliche Theologie und westlich-liberalen Kapitalismus, brannten junge Metaller 1992, als erste unter vielen, die Stabkirche von Fantoft bei Bergen ab. Die Norwegische Zeitung „Aftenposten“ rechnete von 1992 bis 1995 44 Übergriffe auf Kirchen. Die Polizei gab an, dass alle aufgeklärten Fälle auf die Black Metal Szene zurückgeführt werden konnten. [1] Zwar sprachen die Medien damals von satanistisch motivierten Taten und es kokettierten Teile des Umfelds der Brandstifter mit okkultistischen Ideen, doch kann man, wenn man Aussagen und Taten der Szenegrössen von damals ernst nimmt, völkische Ideologie als nicht unwesentliches Moment der Black Metal Szene dieser Zeit ausmachen. Völkische Ideologie als antimoderne, rassistische und antisemitische Militanz.

Inwieweit man die 44 Kirchbrände als völkisch motivierte Aktionen, oder pubertäres Zündeln deuten kann, muss hier leider relativ offen bleiben. Tatsache ist die Affinität des harten Kerns und seiner Entourage zu nordischer Übermenschelei. Dieser Aspekt wird von den damaligen Protagonisten gerne allein dem besagten Varg Vikernes zugeschoben, welcher sich sehr früh und dezidiert zur angestrebten Herstellung einer homogenen Volksgemeinschaft bekannte.

Aussagen aus Interviews mit den Musikern sprechen jedoch eine andere Sprache: blood, soil, heritage, wo man horcht und nachliest. Selbst Gylve Fenris Nargell, der als einer der unpolitischen Rock'n'Roller der frühen Black Metal Szene gilt, gerne Punk-Rock hört und dessen Bandlogo (Darkthrone) die Jacken vieler Crustpunker ziert, versteigt sich in einem Interview für den Film „Until the light takes us“(2008) zu Aussagen über die Zersetzung der alten Kulturen durch das Christentum und reiht sich somit, bewusst oder nicht, in einen völkischen Kanon ein, der die Rückkehr zur authentischen Nationalkultur fordert – oder zumindest deren Verlust bedauert: „It's always stigmatizing to talk about heritage. I mean, for most of the European countries christianity erased original cultures anyway.“ Ganz zu schweigen von dem Schriftzug „Norsk Arisk Black Metal“ (Nordischer arischer Black Metal), welcher auf dem Album „Transylvanian Hunger“ (1994) der Band Darkthrone zu lesen war. Von diesem hatten sich Darkthrone später zwar distanziert, doch zeigen diese Exzesse, dass selbst, was heute als unpolitisch gilt, Träger dieser Ideologien zumindest war [2] und offenbar immer noch zum Teil ist.

Es blieb auch nicht bei Gewalt gegen Sachen. 1991 schon hatte sich der Sänger der Band Mayhem Per Yngve „Dead“ Ohlin mit einer Schrotflinte selbst in den Kopf geschossen, worauf hin sein Bandkollege Euronymous es sich nicht nehmen liess, Ohlin zu fotografieren – er hatte vor das Bild auf zukünftige Alben pressen zu lassen, dieser Plan kam allerdings nicht zur Realisierung – bevor er die Polizei rief. Am 27. August 1992 ermordete Bard G. „Faust“ Eithun (Emperor) in Lillehammer den schwulen Mange Andreassen, der ihn betrunken angegraben hatte. Eithun bestreitet heute zwar jemals homophob gewesen zu sein [3], ich vermute jedoch, dass er eine Frau, hätte sie ihn nach Sex gefragt, kaum durch 37 Messerstiche quasi geschlachtet hätte. Andreassen musste sterben weil er schwul und zur falschen Zeit am falschen Ort war.

Der nächste Mord liess nicht lange auf sich warten. Der neuheidnisch und offen nationalistisch auftretende Varg Vikernes (Burzum), welcher im Kirchenanzünden eine Art nationalen Befreiungskampf sah und wohl immer noch sieht, tötete am 10. August 1993 das obskure Szeneidol Oestein Euronymous Aarseth (Mayhem). Zu seiner Motivation finden sich von Vikernes sehr verschiedene Aussagen. Nach seiner jüngsten Version hätte Aarseth selber Pläne gehegt ihn zu ermorden und er hätte aus Notwehr gehandelt. [4] Sicherlich ging es hier um szeneinterne Konkurrenz, beiderseits um die blutige Selbstbestätigung des eigenen Herrenmenschentums. Doch hat der Mord, folgt man Vargs rassentheoretischen Ergüssen möglicherweise auch eine rassistische Schlagseite: „Even the people who criticize me for killing a fellow Norwegian are wrong. Euronymous was actually Lappish, as can be clearly seen from the pictures of him. His Lappish (Mongolian) facial features are very visible, his hair was typical Lappish (thin and straight) and his stature was revealing too (like most Laps he was very short).” [5]

Jedenfalls avancierte Vikernes während seines Knastaufenthaltes zur Szeneikone des sogenannten National Socialist Black Metal, derjenigen Strömung des extremen Metals, die sich offen zur Bejahung der Vernichtung der europäischen Juden bekennt. Etwa im sozialdarwinistisch motivierten Mord der NSBM Ikoneband Absurd an ihrem Mitschüler Sandro Beyer in Sondershausen 1993, wollten diese ihre Volksgemeinschaft wirklich werden lassen. [6] Der NSBM trat mit Gewalt sein Erbe an. Heute ist er längst in den musikalischen Mainstream rechtsradikaler Strukturen Europas und der USA eingegangen und die Übergänge von der „traditionellen“ Szene zur NSBM-Szene sind fliessend.

Fiat Lux!

Der 2008 erschienene Film „Until the light takes us“ trägt, obwohl dies sein Thema ist, nicht unbedingt dazu bei, dass uns im Bezug auf den frühen norwegischen Black Metal ein Licht aufgeht. Doch er lässt implizit viel erkennen. Schon der Titel bezieht sich auf das Albumtitel „Hvis lyset tar oss“ der Band Burzum. Das heisst übersetzt so viel wie „Wenn das Licht uns nimmt“. Diese Benennung fügt sich sehr gut ein in die affirmative Haltung, die dieser Film ausdrückt. Er will Einfühlung in die Mythen des norwegischen Black Metal und die Macher können in ihrem Machwerk ihre Faszination kaum verbergen. Deswegen ist es nicht erforderlich den Handlungsablauf des Films im Einzelnen wiederzugeben. Es ist wichtig die interessanten Informationen, die der Film für diejenigen Menschen enthält, die nicht umstandslos an diesem Spektakel teilhaben wollen, hier darzustellen.

Das Problem ist nicht einmal, dass etwa, wie es bereits an „Until the light takes us“ kritisiert wurde [7], der verwirrte Rassist Varg minutenlang und kommentarlos über die führer- und orientierungslose Jugend und die judeo-christianisch-amerikanische Weltverschwörung schwadronieren darf. Im Gegenteil, gerade das zügellose Gerede der Musiker bringt es mit sich, dass man den Laden am Ende doch durchschaut. Es bringt sie wieder zusammen: Kristoffer Rygg von Ulver – eine Band die nicht als rechts gilt – sinniert am Ufer eines Fjords über schöne alte Kulturen, die von nicht so schönen Kulturen kontaminiert (!) werden und von einem Zurück zu den Ursprüngen. Jan Axel Blomberg alias Hellhammer, der auch für quasi Mainstream-Bands wie Dimmu Borgir drummt, lobt Eithuns Mut, den er für seinen Mord an Andreassen aufgebracht habe. Varg Vikernes betont, jeder in Norwegen könne sich instinktiv auf Thor und Odin beziehen. Gylves (Drummer von Darkthrone) Blut und Boden-Allüren haben wir oben schon zu schmecken bekommen.

Bei allem, was die Interviewten voneinander unterscheidet – zugegeben, Gylve schneidet mit seiner erklärten Leidenschaft für Techno, House und Frida Kahlo noch ganz gut ab –, bei all den verschiedenen Entwicklungen, die sie über die Jahre gemacht haben, der beklagte Verlust einer alten verlorenen Identität eint sie. Und darin liegt zumindest der ideologisch-ästhetische Kern, den all die norwegischen Bands dieser Zeit gemeinsam haben. Damit will ich nicht zum Ausdruck bringen, dass Gylve und Varg gleichsam Nazis sind – ersterer hat sich seit Mitte der 90er weder rassistisch noch antisemitisch geäussert und sich von den damaligen „Provokationen“ distanziert – aber sie hatten in dieser Revolte und haben immer noch ideologisch grosse Schnittmengen. Ihre Praxis, auch ihre politische – wenn es denn eine gibt – ist sicher sehr verschieden, doch bleibt die Ideologie einer verlorenen völkischen Identität.

Zudem überrascht der an vielen Stellen nicht völlig unreflektiert wirkende Gylve durch klare Sympathiebekundungen in Richtung Vikernes: „Varg wird immer ein cooler Typ bleiben. Auch wenn seine Vision eine Art von norwegischer Verachtung ist.“ Wenn hier Gylves Ignoranz nicht im Dunkeln verbleibt, dann verschweigt der Film dennoch den Schriftzug „Norsk Arisk Black Metal“ auf dem Transylvanian Hunger Album und frisiert somit die Rolle Gylves. Im Film erinnert sich der Darkthrone-Drummer seiner damaligen Situation im Bezug auf den ermordeten Euronyous, dem er das „A Blaze in the northern Sky“ Album gewidmet hatte. Wen solle er nach dessen Tod musikalisch unterstützen? Seine Wahl fiel völlig indifferent auf sein Racketmitglied Vikernes, auf den Mörder, der sich noch auf dem 1994 erschienenen „Transylvanian Hunger“ Album austoben durfte. [8]

Ein Nachtrauern dieser Zeit scheint ihnen fast allen gemein zu sein. Der Black Metal sei durch die Morde erst bekannt geworden und habe sich so zum Mainstream geöffnet, das sei im Wesentlichen das Problem. Wer sich bedeckt hält – verborgene Gesichtszüge und verzerrte Stimme – und nicht in den Kanon einstimmt, ist Bard G. „Faust“ Eithun. Er berichtet nüchtern, nicht zynisch, nicht schwärmend, über die damaligen Ereignisse. Wer seinen weiteren Weg durch Interviews versucht nachzuvollziehen, bekommt den Eindruck, dass sich durchaus etwas bei ihm geändert hat. [9]

Kjetil-Vidar „Frost“ Haraldstads (Satyricon) mehr als peinliche und infantile Ausführungen über die „Grimness“ und „Darkness“, die der Black Metal ausdrücken soll, scheinen zunächst eher in seiner okkulten Verwirrung aufzugehen. Das Lied „Mother North” seiner Band Satyricon ergänzt den Plot allerdings um eine heimattreue Note: „Mother north – how can they sleep while their beds are burning? Mother north – your fields are bleeding“. Und wieder wird die verlorene Mutter des nordischen Germanentums betrauert.

Will der Film eher eine Heterogenität der Ideologien und Lebensstile der Musiker zum Ausdruck bringen, kristallisiert sich eher ein gemeinsames Element heraus, das über Musik hinaus geht. Die nationalistische Revolte, als die Varg Vikernes die Umtriebe der frühen 90er verstanden wissen will, ist nur zum Teil Illusion. Es handelte sich tatsächlich um eine konformistische Rebellion junger Männer aus dem Kleinbürgertum, gegen den falschen Humanismus des sozial befriedeten Norwegens. Allerdings ging diese als Konformismus eben nicht auf die Realisierung des Glücks, welches in sozialer Enge und in der allgemeinen Normierung durch Arbeit, Konsumgesellschaft und Familie keinen Platz hatte. Sie ging auf die völlige Zuspitzung der kapitalistischen Konkurrenz in der Gemeinschaft, als Kampf der selbsternannten Herrenmenschen gegeneinander und die Wiederherstellung des Mythos eines alten, nicht von judeo-christlicher Nächstenliebe verweichlichten Norwegens.

Es sollte in Mord und Brandstiftung eine Umwertung der Werte stattfinden, die sich allerdings eben nicht in einem nietzscheanischen Radikalindividualismus erschöpft – wie es dem Genre gern unterstellt wird – sondern die durch Fremdeinflüsse gekappte Verbindung zwischen Blut und Boden wieder herzustellen sich erträumte. Die Analogien dieser wahnhaften Projektion zum Nationalsozialismus sind kaum zu verkennen. Auch sein anti-kommerzieller Zug, welcher sich nicht vom Abstrakten, „Uneigentlichen“ korrumpieren lassen will, Wille und Authentizität statt Geld einfordert, erinnert an antisemitischen Antikapitalismus. Auf der Grundlage von Wertvergesellschaftung soll Profitstreben als Abfall von Natürlichkeit und Boden aufgehoben werden.

Bei all den Gruseligkeiten, die aufgeführt werden, die unkommentiert aber auch unzensiert einem um Augen und Ohren fliegen, bei all dem zugegebenermassen beeindruckenden Bildmaterial um die Ereignisse der frühen 90er, bleibt der Film in seiner ästhetischen Konzeption affirmativ. Ungeschönt geschilderte Gewalttaten, deren Deutungshoheit problematischerweise tatsächlich hauptsächlich Vikernes überlassen wird, werden von lauschiger Ambientemusik oder dem rauen Black Metal der Künstler selbst begleitet. Eisige Wald- und Naturszenen, sowohl Bildnisse nordischer Architektur, als auch mythische Plätze der Bewegung, begleiten die Szenerie. Selbst die eingespielten Bilder der Opfer sind musikalisch unterlegt. So wirkt das Ganze wie eine Gruselmischung zwischen Docutainment und Gesamtkunstwerk. Es endet tatsächlich in der geforderten Einfühlung oder Identifikation mit dem Geschehen und den Protagonisten. So stehen die Opfer schicksalhaft abstrakt im Raum, weil es eigentlich nicht um sie geht. Sie sind nur Teil eines wiederum nur auf Kontemplation beruhenden Kunstwerks mit Attraktionsfaktor.

Wo das Licht uns hinbringt…

Black Metal ist vor allem auch eines: Radikale Negativität. Wenn man von banalisierten Verkaufsschlagern wie etwa Cradle of Filth oder Dimmu Borgir, die auf Konzerten mit ganzen Orchestern aufwarten, absieht, ist der Black Metal in seinen rohen Formen kaum integrierbar und massentauglich, er ist extrem oder spielt mit den Extremen. Im Grunde genommen hört sich das erst mal nach einem Potential radikaler kritischer Kunst an, welche den schönen Schein der Kunst als einen mit Herrschaft affizierten denunzieren könnte. Denunziation auch als ästhetische Überspitzung von Herrschaft oder Leiden. Doch ist seine Entstehung so sehr mit dem True Norwegian Black Metal behaftet, dass er schwerlich sein völkisches Element abstreifen lernt.

Auch ist er zutiefst romantisch und mystisch. Die oft dem Green-Anarchism, also eher dem linken Spektrum zugeordneten amerikanischen Bands des sogenannten Cascadian Black Metals (wie etwa Wolves in the Throne Room) positionieren sich zum Beispiel eindeutig antifaschistisch [10], doch bleiben sie völlig in Naturmystik und einer Forderung nach dem Zurück zur Natur verhaftet. Es wird also nicht die schlechte Aufhebung von Natur, auch der menschlichen Triebnatur in der Leistungsgesellschaft, kritisiert, sondern eine Zerstörung einer abstrakten und unberührten Natur, welche doch eigentlich ohne Kultur – also den produzierenden Menschen – gar nicht mehr zu denken ist.

Auch die progressiveren Formen des Black Metal kommen also zumeist ohne den Mythos nicht aus und können so ihre reaktionären Züge kaum abstreifen. In seiner Widerständigkeit brachte er mit blutiger Konsequenz Stereotype wie völkische Natur vs. Usurpatoren und harmonische Natur vs. Zivilisation gegeneinander in Stellung. Beide sind Gegensätze, die zu Gunsten eines mythischen Ursprungs aufgehoben werden sollen, in deren Widerstreit ich äusserst ungern eine Lanze brechen wöllte. Etwa „Until the light takes us“ betreibt hier die ästhetische Ehrenrettung der hässlicheren Seite des Black Metals.

Aus einem richtigen Begriff von Kultur, Natur und Gesellschaft und derer Spannungsverhältnisse, könnte allerdings die widerständige Konzeption einer Ästhetik des Hässlichen, durchaus in Verbindung mit Black Metal Musik entwickelt werden. Sie könnte die im Kapitalismus nicht zu bewältigenden Leiden der Zivilisation, die schlechte Aufhebung des Menschen als Naturwesen, seine Reduktion auf die Verwertung und die daraus resultierenden Grauen in all ihrer Schwärze spiegeln. Dies nicht als platte Agitation und Propaganda, sondern als Gegenpart zu künstlerischen Konzeptionen des Schönen, welche über ihre Grundlage, die Herrschaft des Menschen über andere und sich selbst, schweigen.

Jacques Blum / Artikel aus: mole #2

Anmerkungen:

[1] Michael Moynihan, Didrik Söderlind: Lords of Chaos: Satanischer Metal: Der blutige Aufstieg aus dem Untergrund, books.google.de, S. 124.

[2]http://www.musicmight.com/artist/norway/kolbotn/darkthrone

[3] http://www.ox-fanzine.de/web/itv/4370/interviews.212.html

[4]http://www.burzum.org/eng/library/a_burzum_story02.shtml

[5]http://www.burzum.org/eng/library/a_burzum_story02.shtml

[6]http://www.politische-bildung-brandenburg.de/themen/rechtsextremismus/rechtsrock/geschichte-und-entwicklung/stile

[7]http://www.dasmanifest.com/01/untilthelighttakesus.php

[8]http://www.revolvermag.com/uncategorized/web-exclusive-interview-darkthrones-fenriz-part-2-his-thoughts-on-transilva.html

[9]http://www.ox-fanzine.de/web/itv/4370/interviews.212.html

[10]http://videos.arte.tv/de/videos/tracks_bonus_blackmetal_2_0–4202962.html