Ein Interview mit den RapperInnen Lotta C und Asya von La Resistance 'Wir arbeiten alle auf gleicher Augenhöhe'

Kultur

'La Resistance' ist ein überregionaler Zusammenschluss von politischen Rapperinnen und Rappern. Signore Rossi, Asya und DJ Ra von der Microphone Mafia, Deadly T, Bütti und Bomba Big B von Anarchist Academy, Shana Supreme und Latimo von Meditias sowie Callya, Lotta C und Chaoze One haben zusammen ein Album produziert, das nun auf einer gemeinsamen Tour im deutschsprachigen Raum vorgestellt werden soll.

Ein Interview mit den RapperInnen Lotta C und Asya von La Resistance.
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Ein Interview mit den RapperInnen Lotta C und Asya von La Resistance. Foto: -DiMiTRi- (CC BY-NC-SA 2.0 cropped)

26. April 2009
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GWR: Welche Idee steckt hinter "La Resistance"? Was hat euch zu diesem Zusammenschluss bewegt?

Asya: "Chaoze One", "Lotta C", "Microphone Mafia" und "Anarchist Academy" sind momentan in der linken Szene die einflussreichsten Hip-Hop-Crews.

Wir haben viele Auftritte miteinander gespielt und unser Programm mit der Zeit zu einem Paket vermischt. Da hatte "Signore Rossi" von der "Microphone Mafia" die Idee, ein gemeinsames Album rauszubringen. Dann haben wir uns mit "Meditias" zwei sehr gute Künstlerinnen und mit "Callya" einen talentierten Newcomer an Bord geholt. Die Idee für den Namen hatte ebenfalls der kleine Italiener von der "Mafia".

Lotta C: Im Laufe der Zeit haben sich aus unserer musikalischen Zusammenarbeit auch Freundschaften ergeben.

Da uns die Musik verbindet ist es logisch, dass wir nicht zusammen in Urlaub fahren, sondern eine Platte aufnehmen und dann auf Tour gehen. Unsere gemeinsame Zeit im Studio und bei Auftritten machte so viel Spass, dass wir das einfach ausweiten wollten. Mich persönlich hat es zudem gereizt, mit so unterschiedlichen Künstlerinnen und Künstlern zu arbeiten.

GWR: Ihr seid ein überregionaler Zusammenschluss und lebt über weite Strecken verteilt. Nur dreimal konntet ihr euch mit kompletter Besetzung im Studio treffen. Wie schafft ihr es trotzdem, eine gemeinsame Platte einzuspielen?

Chaoze One: Vorbereitung und Logistik wurden über ein Internetforum koordiniert. Darüber haben wir uns gegenseitig Beats zugespielt. Haben Ideen und Texte besprochen. Zum Einspielen der Platte haben wir uns in Köln getroffen. Das lag in der Mitte und uns stand ein Studio mit Küche und Schlafmöglichkeiten zu Verfügung, das während der Aufnahmen unsere zweite Wohnung wurde. Wegen der vielen Arbeit blieb aber kaum Zeit zum Durchatmen. Es ist auch nicht jeder an jedem Lied beteiligt. Das wäre bei elf Leuten einfach nicht möglich. Wer Luft hatte, einen Beat einzuspielen, hat ihn ins Internet gestellt, wo er von den anderen aufgegriffen werden konnte.

Lotta: Für mich ist die Nutzung des Internets eine besondere Facette. Du nutzt die Technik, um gemeinsam Musik entstehen zu lassen. Ganz ohne persönlichen Kontakt geht das natürlich alles nicht und es entfallen auch einige kreative Prozesse wie sie zum Beispiel beim Jammen im Bandkeller entstehen. Aber es ist eine interessante Art der Kommunikation und der Kreativität und ich bin mir sicher, dass wir ohne dieses Medium nie eine Platte eingespielt hätten. So viele Menschen zu einem Zeitpunkt in einen Raum zu bringen, ist unter Umständen verdammt schwer.

GWR: "La Resistance" besteht aus eigenständigen Bands und SolokünstlerInnen. Wie ist die Rollenverteilung innerhalb der Gruppe?

Lotta C: Die üblichen Bandstrukturen werden ein bisschen durcheinander gemischt und jeder kann mal mit ganz anderen KünstlerInnen zusammen kommen, als er oder sie es gewohnt ist.

Ich fand es faszinierend, wie die einzelnen Stücke dadurch entstanden sind. Wie jeder Künstler seine oder ihre Ideen eingebracht hat und der Ausrichtung des Stücks eine weitere Komponente oder eine andere Richtung gegeben hat. Das ist spannend, weil es auch die eigene Kreativität belebt.

Chaoze One: Wir arbeiten alle auf gleicher Augenhöhe und verteilen die Arbeit möglichst untereinander. Doch nicht jeder macht die gleiche Arbeit. Es gibt drei, vier Leute, die Stücke abmischen und arrangieren. An denen bleibt ein grösserer Teil der Arbeit hängen. Das ist nicht weiter tragisch. Die Aufgabenteilung ergibt sich eben aus der Sache selbst. Dafür zählt bei uns jedes Wort und jede Stimme gleich. Der Fotograf hat bei uns genau soviel zu melden wie der DJ oder Sänger.

GWR: Das Album soll eine Mischung aus "Old-" und "New School" werden. Wer vertritt die alte, wer die neue Schule?

Chaoze One: "Anarchist Academy" vertritt die alte Schule des Hip-Hop. "Microphone Mafia" kommen aus der "Old School", haben sich aber über zwanzig Jahre gehalten und sind nun in der "New School" angekommen. Es ist schwer, klare Grenzen zu ziehen. Im Geiste bin auch ich eher von der alten, in meinen Reimen tendiere ich zur neuen Schule. Einen reinen "New Schooler" gibt es bei uns eigentlich nicht, aber gerade das verleiht uns die Kraft beide Schulen zu verbinden.

GWR: Seht ihr in dieser generationsübergreifenden Kooperation auch eine politische Bedeutung?

Chaoze One: Ich gebe zu, "Asya" sieht zwar etwas älter aus, doch mein Vater könnte er noch nicht sein. (lacht) Spass beiseite.

Asya: Dabei geht es weniger um das Politische. Es gibt in jeder Generation Menschen, die unkritisch und unpolitisch sind. Das hat mehr mit der Auffassung gegenüber der Musik zu tun. Unser gemeinsamer Standpunkt ist, politischen Rap zu machen. Das Album soll aber für jeden etwas bereit halten. Das kann sich der Punker ebenso anhören wie der Student oder der Hans Peter von nebenan.

GWR: Hat das Projekt auch eine Wiederbelebung der lange Zeit abgetauchten "Anarchist Academy" bewirkt?

Chaoze One: Ja. Es bahnt sich ein eigenes "Anarchist Academy"-Revival an. Im Augenblick liegt das noch auf Eis, wegen der Arbeit am "La Resistance"-Album. Ist aber nicht vergessen und wird für nächstes Jahr angepeilt. Es kommt eben alles wieder.

GWR: Ihr beschreibt eure Musik als "Conscious Rap". Kannst du das kurz erläutern?

Asya: Es bedeutet, sich seiner Botschaft bewusst zu sein und flache sexistische, homophobe oder rassistische Attitüden zu meiden. Sich beispielsweise nicht unter dem Deckmantel zu verstecken, man sei selber kein Rassist, aber gleichzeitig das Problem zu verharmlosen. Man gibt eine Lebenseinstellung wieder und versucht dabei die Menschen zu bewegen. Nicht nur auf den "Style" zu achten. Nicht Hauptsache Doppelreime und scheiss auf den Inhalt. Das sollte beides passen.

GWR: "Chaoze One" adaptiert gerne diverse Musikrichtungen in seinen Hip-Hop. Wird das auch auf euerem Album so sein?

Asya: Ja, nur weniger ausgeprägt. Wir haben unter anderem türkische und tschechische "Samples" eingebaut. Doch alles in allem wird es mehr eine geradlinige Hip-Hop-Platte. Wir haben uns nicht gewollt anderer Musikrichtungen bedient. Wir alle hören nicht nur Rap, sondern jegliche Musik.

Das fliesst mit ein, wenn wir zusammen sitzen und ein Brainstorming machen.

Chaoze One: "Callya" zum Beispiel hat sich in seinen eigenen Projekten stärker dem Reggae zugewandt. Für ihn war das ein Ausflug zurück zur Rapmusik. Es gibt bei uns keine Hip-Hop Puristen. Hip-Hop ist entstanden, weil er sich immer von anderer Musik hat inspirieren lassen.

GWR: Welche Themen werden auf dem Album behandelt?

Asya: In einem Song werden wir uns selbst und die Intention hinter "La Resistance" präsentieren.

Die Platte deckt ein riesiges Spektrum ab. Sie handelt von Leben und Tod, von Revolution und Verlust. Und davon, dass die Menschen endlich ihren Arsch bewegen sollen.

Dass sie aufstehen, ihre Meinung sagen und nicht die Schafe spielen sollen.

Lotta C: Wir wollten nicht nur Texte auf die Platte bringen, die beschreiben, wie schlimm und ungerecht alles ist, sondern haben versucht, unserem Bandnamen gerecht zu werden. Wir sind "La Resistance", der Widerstand. Es ist eine kämpferische, eine politische Platte, [] die das Gefühl von "Du bist nicht allein" entstehen lassen und vermitteln soll, dass es sich trotz allem lohnt zu kämpfen. Es gibt also durchaus auch positive Texte.

Chaoze One: Es finden sich ebenso abstrakte, nachdenkliche Lieder. Zum Beispiel das Stück "One Love" über Menschen, die wir auf dem Weg verloren haben. In politischen und persönlichen Zusammenhang. Lotta C etwa hat eine sehr persönliche Strophe über ein Mädchen geschrieben, deren Platz auf dem Plenum eines Tages leer blieb, während ich den Tod Carlo Giulianis aufarbeite. Es geht um ein lebenswertes Dasein vor der Revolution und wir machen uns Gedanken über ein Leben danach.

Asya: In dem Lied "I who have no One" haben wir verschiedene Facetten der alltäglichen Verzweiflung vieler Menschen aufgegriffen. Die Verzweiflung etwa von einem Schüler dem Lehrer gegenüber oder des Büroangestellten, der sein Leben verloren gibt, weil es so eintönig ist.

GWR: Werdet ihr auf der Platte andere Künstlerinnen und Künstler featuren?

Chaoze One: Auf unserem ersten Album wollten wir erst mal nur uns vorstellen. Wir sind ja schon elf Leute. "La Resistance" ist jedoch ein offenes Projekt.

Asya: Bei der grossen Anzahl von Künstlern mussten wir zuerst einmal uns selber und eine Arbeitsweise miteinander finden, die effektiv ist.

GWR: Wie schätzt ihr, jetzt wo ihr euch gefunden habt, die Zukunft von "La Resistance" ein? Wird sich dieses offene Projekt weiter festigen?

Chaoze One: Klar, wir müssen noch mindestens zwei Platten machen. Ich habe noch nicht genug Geld für meinen 3'er BMW. (lacht)

Nein, mal im Ernst. Ich denke, dass die Arbeit uns motiviert hat. Es wird auf jeden Fall ein zweites Album geben. Für mich war ein Punkt erreicht, an dem ich dachte, jetzt habe ich lange genug alleine Musik gemacht. Bei der Arbeit in einer grösseren Gruppe findet eine soziale Auseinandersetzung statt. Jeder hat eine eigene Meinung und sagt dir auch mal: "So würde ich das nicht machen."

Asya: Es ist gut möglich, dass aus der "La Resistance-Familie" weitere Ableger hervorgehen. Drei, vier Leute die mal ohne die gesamte Gruppe ein kleineres Projekt verwirklichen. Wir bleiben aber als geschlossene Band bestehen.

Lotta C: Wir haben gerade erst losgelegt und ich bin gespannt, in welche Richtung unsere Zusammenarbeit noch gehen wird. Ich freue mich vor allem auf die Tour, die am 30. April beginnt und quer durch Deutschland geht. Vielleicht entsteht da auch schon die Idee für unser nächstes Album.

GWR: Rechnet sich ein solches Projekt, bei dem Aufwand, den es mit sich bringt?

Chaoze One: Das ist nicht die Frage. Rechnet es sich, freue ich mich. Rechnet es sich nicht, zahle ich drauf. Ich will mich aber von Faktoren, wie Gewinnaussichten, nicht in der Planung beeinflussen lassen. Wir haben das jetzt durchgezogen und natürlich schreibt man, bis das Album raus ist, ordentlich rote Zahlen. Gerade wegen des vielen Herumreisens. Aber davon lassen wir uns nicht aufhalten.

Asya: Ob wir nun tausend oder zwanzigtausend Platten vom ersten Album verkaufen, wird für die Fortsetzung des Projekts nicht ausschlaggebend sein. Hier ist eine Struktur gewachsen, die es uns erlaubt, unabhängig miteinander zu arbeiten.

Lotta C: Natürlich rechnet sich die Platte! Ich mache Musik ja nicht für die Kohle, sondern weil es mir eine innere Befriedigung gibt. Weil es mich glücklich macht, weil ich etwas sagen kann und man mir zuhört. Wer kann das schon von sich behaupten? Ich habe die Gelegenheit, mit wunderbaren, talentierten Menschen zusammenzuarbeiten, mit ihnen Zeit zu verbringen und kreativ zu sein.

Ich feiere ausserdem zusammen mit mehreren Hundert Menschen auf unseren Konzerten, die meine Texte singen. Ich bekomme jedes Mal eine Gänsehaut, weil ich weiss, da sind Hunderte, die sehen das wie du.

Das ist der Gewinn, den ich aus der Platte ziehe.

Kai Wischniowski / Artikel aus: Graswurzelrevolution Nr. 337, Oktober 2009, www.graswurzel.net