Ein Vorhaben, dessen Symbolcharakter kaum zu überbieten ist. Öffentlicher Druck und juristische Probleme haben die Räumung jedoch bisher verhindert. Der Avantgarde-Künstler John Cage (1912-1992) komponierte 'Five Hanau Silence' im Oktober 1991 um das besetzte Haus bzw. die mit ihm verbundenen Ziele und Inhalte zu unterstützen. Die ursprüngliche Initiative ging von der Projektgruppe KomistA aus, die sich schon seit mehreren Jahren auf unterschiedlichen Ebenen mit dem Verhältnis von Kultur, Gesellschaft und Veränderung auseinandersetzt.
Die Komposition selbst wurde von Claus Sterneck und Wolfgang Sterneck im April 1992 umgesetzt. Im gleichen Jahr erschein unter dem Titel 'Stille, Bewusstsein und Veränderung' die Aufnahme als Schallplatte zusammen mit einem Buch, das verschiedene Texte und Graphiken zu den Themenbereichen Musik und Stille, Freiräume und Rebellion, sowie Phantasie und Bewusstsein beinhaltet. Die Wiederveröffentlichung im Rahmen des Buch- und CD-Projektes 'Changes - Veränderungen' ist um mehrere Artikel, sowie um Live-Aufnahmen aus dem Kulturzentrum erweitert, welche die Vielfalt gegenkultureller Ausdrucksformen fernab von Hitparaden und Starallüren widerspiegeln.
John Cage gehörte zu den einflussreichsten und wichtigsten Komponisten des letzten Jahrhunderts. Ausgehend von anarchistischen und zen-buddhistischen Grundgedanken durchbrach Cage immer wieder die Grenzen der traditionellen Musik und entwickelte im Gegensatz dazu die Theorie und Praxis einer in sich herrschaftsfreien, neuartigen Musik. Unter anderem trug er wesentlich zur Eingliederung des Geräusches in die Musik bei, entwickelte offene Kompositionsformen, begründete das Happening als Ausdrucksform und setzte sich in seiner ganz eigenen Weise immer wieder mit der Stille auseinander.
'Five Hanau Silence' entstand in einer für Cage typischen Weise. Nachdem ein Stadtplan von Hanau in einzelne Bereiche aufgeteilt worden war, wurden nach den Prinzipien des chinesischen I-Ging-Orakels fünf Orte ausgewählt. An diesen wurden an ebenso ausgewählten Tagen und Uhrzeiten Tonaufnahmen gemacht, welche dann miteinander verbunden wurden.
Im Alltag kaum wahrgenommene Geräusche werden dabei aus ihrem alten Zusammenhang gelöst und einer veränderten Bedeutung zugeführt. Sie können so auf eine neue Weise erfahren bzw. erhört werden. Gleichzeitig wird das traditionelle Musikverständnis in Frage gestellt, indem Geräuschen die gleiche Bedeutung zugemessen wird wie Klängen, die von herkömmlichen Instrumenten erzeugt werden.
Kein Ton, egal welcher Quelle er entspringt, wird über einen anderen gestellt; alle Töne sind gleichberechtigt. Entsprechend ist das Stück ist in seiner Struktur ohne Hierarchien. An diesem Punkt schliesst sich ein Kreis zwischen den anarchistischen Vorstellungen von Cage, dem Bestreben der BesetzerInnen ein herrschaftsfreies Leben zu führen, den Grundideen von KomistA und dem strukturellen Aufbau des Stückes.
In diesem Sinne ist das Projekt als Ganzes gleichermassen eine solidarische Dokumentation wie auch die Aufforderung die bestehenden Hörgewohnheiten bzw. die ihnen zu Grunde liegenden gesellschaftlichen Verhältnisse zu hinterfragen und konsequent zu verändern.
Freiräume entwickeln ...