Interview mit dem Sprayer Ares «Graffiti und Streetart sind das moderne Agitprop…»

Kultur

Graffiti und Hip-Hop fallen – gerade in den letzten Jahren – immer stärker als kultureller Bezugspunkt für politischen Aktivismus auf.

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Foto: Ares 1312

18. Dezember 2014
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Sei es international durch politische Graffitis, einen fetzigen Mobi-Track zur nächsten Antifa-Demo oder das inzwischen schon beinahe obligatorische Soli-Hip-Hop-Konzert.

Grund genug, den bislang zwar noch relativ unbekannten, aber langjährigen und nun bei Graffitilager gesignten Writer ARES1312 zum Verhältnis von Graffiti, Hip-Hop und politischem Aktivismus zu interviewen.

Jan: Was steht hinter ARES1312? Stell dich doch mal kurz vor!

Ares: Ja servus, ich bin Ares; ich mache seit etwa knapp 10 Jahren Graffiti, bin 23 Jahre alt und wohne in Frankfurt am Main. Ich habe mich in den letzten Jahren viel mit Kalligraphie beschäftigt und daraus meinen eigenen Calligraffiti-Stil entwickelt. Zu der Zeit war das “Calligraffiti” Buch noch nicht mal erschienen. Durch einige unglückliche Umstände bin ich zurzeit auf Bewährung und mache meine Kunst deswegen ausschliesslich auf legaler Fläche. Ich bin kurdischer Herkunft und dementsprechend politisch sozialisiert. Ich verbinde meine Kunst oft mit meiner politischen Überzeugung.

Jan: Was haben denn Politik und Graffiti für dich miteinander zu tun? Bist du über Politik zu Graffiti gekommen oder umgekehrt?

Ares: Weder noch. Mein politisches Interesse ist parallel zu meiner Kunst entstanden. Für mich waren das lange Zeit auch zwei verschiedene Paar Schuhe. Mitlerweile nutze ich mein Talent auch für politische Arbeit, z.B. wenns um eine Mobilisierung geht, oder um auf eine bestimmte Situation oder Aktion aufmerksam zu machen. Man kann durch diese Art von Kunst auch ein junges Publikum erreichen, das tendenziell für politische Aktionen bereit wäre.

Für mich ist aber Graffiti an sich, genau wie Rap, eine politische Aussage. Es ist die Kunst der Prekären, die Kunst der Randbezirke, die jeder andere vergessen hat. Wir haben halt nicht viele andere Möglichkeiten gehabt Kunst zu machen und diese nach aussen zu tragen. Kids die nachts los ziehen wurden selten gefördert, hatten keine teuren Kunstkurse in einem Privatatelier; man hatte eben nur die Dose, mit der man geübt hat und alles was man kann, musste man selbst lernen. Ich denke man sieht die Emotionen hinter nem Bild oft deutlich raus.

Jan: Nun ist es ja so, dass es dir nicht nur um Sozialkritik geht, sondern auch um die Vermittlung deiner politischen Inhalte. Hältst du es nicht für problematisch, dass Kunst einseitig in den Dienst einer politischen Idee genommen wird? Was hältst du von der „Freiheit der Kunst”?

Ares: Ich sehe das nicht so eng. Meine persönliche Kunst ist frei und ist durch nichts zensierbar. Aber natürlich ist auch meine Kunst von meiner politischen Einstellung geprägt und dementsprechend ist sie letztendlich eine Verbindung von urbaner Subkultur und politischem Aktivismus. Kunst sollte aber auf jeden Fall frei bleiben, sie sollte kritisch sein dürfen, sie sollte auch provozieren dürfen. Wichtig ist, dass die Kunst nicht instrumentalisiert wird.

Durch Graffiti erreicht man eben eine ganz bestimmte Kategorie von Mensch. Ich versuche definitiv durch meine Kunst Menschen zu agitieren. Sie zu politisieren. Graffiti und Streetart sind das moderner Agitprop.

Jan: Wo siehst du denn genau diesen kritischen Moment, wo Menschen anfangen sich Gedanken zu machen, wenn sie Graffiti in den Strassen sehen?

Ares: Ich meine Menschen können sich aus vielen Gründen Gedanken machen. Der eine aus Interesse an der Kunst, andere aus Interesse an der Message aber man kann sich die Graffitis natürlich auch aus wirtschaftlichem Interesse angucken. Ein vollbeschmiertes und zugetaggtes Haus in Frankfurt wird nicht so lukrativ vermietet werden können, wie ein frisch renoviertes, sauberes Haus. Stadtteile werden nach dem Flair eingeteilt, ein Viertel in dem alles voll gebombt ist, wirkt ganz anders als ein sauberes Viertel. Graffiti ist eben nicht immer als Kunst sondern viel mehr als Vandalismus bekannt.

Jan: Stichwort Vandalismus: Wo ist für dich die Grenze bei illegalem Graffiti bzw. findest du überhaupt dass es eine geben sollte? Gibt es Objekte, bei denen du Bedenken hättest, wenn es um Graffiti geht?

Ares: Also ich halte Graffiti auf öffentlichen Gemeingut für absolut legitim. Wichtig ist nur, dass man sich damit auseinander setzt wo man malt. Denkmäler und Grabsteine sind eigentlich generell ein Tabu. Ich finds auch nicht cool, Bombings auf dem Thälmann Denkmal zu haben*. Graffiti hat keine Grenzen, das ist auch gut so. Nichts desto trotz sollte man schon gucken das es nicht prekäre Leute trifft.

Jan: Okay, wie siehst du denn das Verhältnis zwischen politischer Subkultur und Graffiti? Ist jeder, der z.B. Aufkleber klebt oder mit dem Marker nachts loszieht schon ein „Artist”?

Ares: Nein, nicht jeder ist ein Artist der ein bisschen rumtaggt oder stickert. Da gehört schon sehr viel mehr dazu. Aber ich denke es gehört zu der allgemeinen “alternativen Jugendkultur”. Die linkspolitische Jugendszene ist sehr stark davon geprägt, bzw es gibt sehr viele Überschneidungen mit der Graffiti-Szene. Streetart ist da ein völlig legitimes Mittel. Aber das ist ja naheliegend. Graffiti und Streetart sind wohl die rebellischsten Kunstrichtungen überhaupt. Es ist oft mit illegaler Arbeit verbunden, genau wie der politische Aktivismus.

Jan: Gehen wir mal weg von der politischen Subkultur und widmen uns einem wichtigen Teil der Geschichte von Graffiti. Graffiti war ja als eine der 4 Disziplinen immer Kernbestandteil der Hip-Hop-Subkultur. Ist das auch heute noch aktuell, dass Hip-Hop und Graffiti zusammengehen? Ares: Wenn man sich das Gesamte anschaut, dann gehört Graffiti definitiv nach wie vor zum Hip-Hop. Aber nicht jeder, der ne Kanne nimmt und bisschen rumtaggt, ist Hip-Hop. Ich finde Graffiti hat sich von dieser 90er Hip-Hop-Kultur stark gelöst. Graffiti ist nicht mehr nur ein Backpiece auf der Jeansjacke oder ein fetter Hintergrund für ein Breakdancebattle. Graffiti hat sich entwickelt und ist erwachsen geworden. Es ist eben auch eine ganze Industrie geworden. Man kann sich im Internet alles mögliche an Equipment bestellen und besorgen.

Aber Graffiti ist auch Widerstand geworden, es hat bisschen was von Krieg. Nachts im Schacht zu stehen, Dienstplan der Bahnarbeiter und Zugpläne im Hinterkopf auf den richtigen Moment warten um zuzuschlagen. Graffiti selbst ist eine politische Aussage.

Jan: Und siehst du auch ein politisches Moment in der derzeitigen Hip-Hop-Szene?

Ares: Man kann eine immer stärkere Politisierung des Hip-Hop sehen. Gerade im Deutschrap tauchen immer mehr Künstler auf, die sich ein politisches Bewusstsein geschaffen haben. Themen wie Homophobie, Rassismus oder Gentrifizierung kommen immer öfter in einem kritischen Kontext in Raptracks vor, was ich wahnsinnig geil finde. Aber man darf auf keinen Fall versuchen Hip-Hop in eine bestimmte Richtung zu rücken. Die Kunst wird sich immer eigenständig entwickeln, alles was aufgezwungen wird, wird fake.

Jan: Zuletzt nochmal zu deiner Kunst: Wo kann man denn mehr über deine Kunst erfahren? Was sind Projekte, die du in naher Zukunft planst?

Ares: Am einfachsten kann man meine Kunst auf meiner Facebook-Page verfolgen, daneben habe ich noch ein tumblr Blog. Ich bin zurzeit Künstler bei dem Internetversand Graffitilager. Auch dort auf der Artistpage kann man mein Sachen sehen und sich über mich informieren.

Ich werde mich auch in der Zukunft darauf konzentrieren, Kunst mit Message zu machen, antifaschistische Kunst zu verbreiten, meinen Stil verbessern und ausbauen. Konkrete Projekte werden gerade entwickelt, in der Winterzeit ist man natürlich nicht so gern an der Wand. Aber es wird in Zukunft mehr Videos von mir geben. Mehr Auftragsprojekte werden kommen und es wird in Frankfurt an einer politischen Hip-Hop Plattform gearbeitet. Durch diese Plattform sollen vor allem junge Menschen aus prekären Lebenssituationen erreicht werden. Sie werden in Projekte mit eingespannt und es ist eine wunderbare Möglichkeit für Nachwuchs zu sorgen und gleichzeitig eine neue politische Generation zu entwickeln.

Jan: Ich danke dir für das Interview, wir hoffen bald mehr von dir zu hören. Die letzten Worte gehören dir.

Ares: Ich danke für das Interview. Ich danke jedem der an die Idee Ares glaubt! Solidarische Grüsse nach Kobane; der Kampf geht weiter!

lcm