Windtalkers Ein überflüssiger Film

Kultur

Ein bisschen ist „Windtalkers“ so angelegt, wie sich „Klein Erna“ oder „Klein Paul“ Krieg und Männerfreundschaft, Rassismus und Schuld vorstellen. Regisseur John Woo beweist nicht, wie sinnlos Krieg ist, Woo beweist, wie sinnlos solche Filme sind.

Nicolas Cage am Film Festival von Venedig, September 2009.
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Nicolas Cage am Film Festival von Venedig, September 2009. Foto: nicolas genin (CC BY-SA 2.0 cropped)

18. November 2020
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Nicolas Cage ist einer meiner Lieblingsschauspieler – fürwahr! Und wenn „Blickpunkt: Film“ ihm in „Windtalkers“ eine „irritierende Trauerkloss-Vorstellung“ attestiert und die „Frankfurter Rundschau“ beobachtet haben will, dass seine Augenlider „permanent auf Halbmast hängen“, kann ich schon sauer werden. Der „Filmdienst“ meint, „Windtalkers“ sei formal ein Kriegsfilm, stilistisch und erzählerisch aber eher eine Art Western.

Die „Frankfurter Rundschau“ ist leicht böse und schreibt: „Keinem anderen würde man den Kitsch durchgehen lassen, mit dem Woo schliesslich ein Bild multikultureller Harmonie entwirft.“ Der „Tagesspiegel“ eruierte die wirkliche Situation der Navajo-Indianer im zweiten Weltkrieg und bilanziert: Zuerst seien sie „Betrogene, dann nützliche Idioten“ gewesen. Die „Welt“ sieht in dem Film die Geschichte eines Mannes, „der offenbar den Geruch von Napalm am Morgen liebt. Und mittags. Und abends.“

Auf einer Insel der Salomon-Gruppe kämpft Corporal Joe Enders (Nicolas Cage) mit den letzten ihm verbliebenen Soldaten in einem Sumpfgebiet gegen eine Übermacht der Japaner. Obwohl sein Befehl, die Stellung zu halten, sinnlos geworden ist, lässt sich Enders von seinen Leuten nicht überreden, den Rückzug anzutreten. Einer nach dem anderen fällt. Enders wird schwer verwundet und in einem Krankenhaus auf dem Tarawa-Atoll behandelt. Er hat Gleichgewichtsstörungen, sein linkes Trommelfell ist beschädigt. Vor allem aber macht er sich schwere Vorwürfe, für den Tod seiner Leute verantwortlich zu sein. Mit Hilfe der Krankenschwester Rita (Frances O'Connor) übersteht er den Tauglichkeitstest, um wieder einer kämpfenden Einheit zugeordnet werden zu können.

Bei der Landung der amerikanischen Marines auf der japanischen Insel Saipan wird Joe als Aufpasser für Private Ben Yahzee (Adam Beach) eingesetzt. Ben ist Navajo. Die Amerikaner setzen deren Sprache ein, um Funksprüche zu codieren, so dass die Japaner, die mithören, diese nicht entschlüsseln können. Aber Joe soll nicht nur auf Ben aufpassen, sondern in aller erster Linie den Code schützen. Falls Gefahr besteht, dass Ben in Gefangenschaft gerät, soll er ihn töten, damit die Japaner, die schon lange hinter einem lebenden Navajo her sind, den Code nicht entschlüsseln können.

Die Navajos, unter ihnen auch Bens Freund Charlie Whitehorse (Roger Willie), haben es in der Einheit nicht leicht. Besonders Chick (Noah Emmerich) versucht immer wieder, Ben zu provozieren. Navajos seien doch auch nur „Japse“. „Ox“ (Christian Slater) dagegen schliesst Freundschaft mit Whitehorse. Joe verhält sich zunächst gegenüber Ben äusserst distanziert. Nur sein Befehl scheint ihn an Ben zu binden. Von immer noch starken Schuldgefühlen belastet, tötet Joe in den verschiedenen Kämpfen die japanischen Gegner, als wenn er dadurch seine Schuld besiegen könnte. Das gelingt ihm nicht. Langsam kommen sich Joe und Ben näher, nachdem Ben ihm ein Foto von seiner Frau und seinem Sohn gezeigt hat.

Als Joe während des Kampfes um die Eroberung der Insel beobachtet, wie Whitehorse von japanischen Soldaten gefangen genommen wird, muss er sich entscheiden, ob er seinen Befehl ausführt ...

Um es vorwegzunehmen: Den grössten Teil des gut zweistündigen Films beherrscht die Pyrotechnik. Es kracht, blitzt, Soldaten wirbeln durch die Luft, ein Soldat wird von einem japanischen Gegner enthauptet, Blut spritzt, wenn auch Hollywood-like eher gemässigt, es wird gestorben usw. Irgendwann reizte mich das zum Gähnen. Woos Film ist in dieser Hinsicht für mich der beste Beweis, dass noch so viel Schlachtgetümmel, zerrissene Leiber usw. keine Basis für Pro oder Contra Krieg sein können. Im Gegenteil: Die „Boahs“ und „Ehs“, die gelegentlich (aber wirklich nur gelegentlich) aus dem Publikum zu hören waren, dokumentieren ausschliesslich, wie realistisch Woo Kriegsgetümmel inszenieren kann. Die Inszenierung von Schlachten und die Inszenierung des Krieges aber sind zwei sehr unterschiedliche paar Stiefel.

Was bleibt, ist die Geschichte von zwei Männern, die so oder ähnlich auch in anderen Zusammenhängen erzählt hätte werden können. Tatsächlich folgt diese Geschichte eher der Logik eines Westerns, könnte aber auch unter zivilen Umständen einen Platz finden. Allein, diese Geschichte ist voller Tücken und Ungereimtheiten, auf eine bestimmte Art simpel, dass es einem die Hose ausziehen könnte. Cages Joe ist geplagt von Schuldgefühlen aufgrund seiner Haltung, unter allen Umständen einen Befehl auszuführen, und wenn dabei alle draufgehen. So weit so gut. Doch die Auseinandersetzung mit den Schuldgefühlen wird im Film nicht entwickelt, sondern lediglich immer und immer wieder demonstriert.

Insofern ist die Kritik an Cages Rolle (wie oben zitiert) vollauf berechtigt. Bis zum Schluss rennt Cage über die Schlachtfelder, geplagt von Schuld, beantwortet die Briefe, die ihm die Krankenschwester Rita schreibt, nicht, liest sie zum Teil gar nicht, und treibt sein eigenes Schicksal in die Sühne, den Tod. Er freundet sich zwar mit Ben an, aber auch diese Freundschaft kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass Joe nichts weiter als ein Geplagter ist. Um dies zu demonstrieren, benötigt Woo 133 Minuten. Fade!

Etwas realistischer ist Beachs Ben, der wenigstens weiss, warum er wieder heil raus will und wie er sich gegen die Attacken des rassistischen Chick zur Wehr setzen kann. Allein dieser Nebenkriegsschauplatz Chick vs. Ben ist allzu dümpelhaft in Szene gesetzt. Chick hasst nicht nur Japaner, sondern alle „Schlitzaugen“. Nachdem ihm Whitehorse kurz vor seinem Tod das Leben rettet, macht Chick eine Kehrtwendung und sieht in Indianern plötzlich auch Menschen.

Fasst man dies alles zusammen, hätte man sich diesen Film wahrlich sparen können. Hinzu kommt, dass so gut wie alle anderen Marines und erst recht die japanischen Soldaten nicht nur zu Kanonenfutter, sondern auch zu dramaturgischen Beigaben im Rahmen einer doch recht einfach gestrickten Geschichte degradiert werden. Auf die Rolle der einzigen Frau, Frances O'Connor, hätte Woo ebenfalls verzichten können.

Ein bisschen ist „Windtalkers“ so angelegt, wie sich „Klein Erna“ oder „Klein Paul“ Krieg und Männerfreundschaft, Rassismus und Schuld vorstellen.

Woo beweist nicht, wie sinnlos Krieg ist, wobei dies ja schon nicht stimmt, da in jedem Krieg handfeste Interessen dem Geschehen seinen Sinn geben. Woo beweist, wie sinnlos solche Filme sind. Zum Glück hielt sich der ansonsten in US-Kriegsfilmen übliche Fahnen-Patriotismus in engen Grenzen. Welche Botschaft aber sollte dieser Film verkünden? Wie gesagt: Vielleicht die, solche Filme künftig nicht mehr zu drehen.

Ulrich Behrens

Windtalkers

USA

2002

-

128 min.

Regie: John Woo

Drehbuch: John Rice, Joe Batteer

Darsteller: Nicolas Cage, Adam Beach, Peter Stormare

Produktion: Terence Chang, Tracie Graham-Rice, Alison R. Rosenzweig, John Woo

Musik: James Horner

Kamera: Jeffrey L. Kimball

Schnitt: Jeff Gullo, Steven Kemper, Tom Rolf