Das ist daheim anders. Dort hat er viele Feinde, die sich mit nicht weniger als seinem Tod zufriedengeben. An einer Stelle in Wenn Gott schläft dürfen wir erfahren, wie eine Internetseite Tipps zum Herstellen einer Bombe gibt. Das Ziel: Shahin. Aber er hat eben auch Anhänger, viele sogar. Für sie ist er einer der wichtigsten Helden im Kampf gegen Ungleichheit, Unterdrückung und Bigotterie.
Sie feiern ihn für seinen Mut, dafür, dass er den vielen Sprachlosen eine Stimme gibt. Aber auch das ist nicht ganz ungefährlich. Als sich bei einem Konzert eine Menschenmenge bildet, wird gleichzeitig auch die Nervosität hoch. Schliesslich kann niemand sagen, ob sich unter den vermeintlichen Anhängern nicht doch ein Attentäter versteckt hat.
Ein Leben wie in einem Thriller
Szenen wir diese hat Regisseur Till Schauder (Der Iran Job) einige auf Lager. Mal steigen Shahin und ein Mitstreiter panisch aus dem Auto, weil sie ein verdächtiges Geräusch gehört zu haben glauben. An einer anderen Stelle erzählt er, dass er nachts immer nur leicht schläft und zu seiner Sicherheit ein Messer griffbereit hat. Denn man weiss nie, wann und wo seine Feinde zuschlagen werden. Manchmal wirkt die Dokumentation da sogar fast schon wie ein Thriller: Ein ständiges Gefühl der Bedrohung schwingt mit, wenn die Truppe unterwegs ist. Jeder Schritt hier, so meint man zumindest, könnte der letzte sein.Und doch ist Wenn Gott schläft nicht einfach dazu da, dem Publikum einen Schauer über den Rücken laufen zu lassen. Genauso wenig geht es hier darum, einfach nur die Absurdität der religiösen Ereiferer aufzuzeigen. Stattdessen nutzt Schauder die Gelegenheit, um einige wichtige Fragen in den Raum zu werfen. Wann ist der Kampf gegen eine gewaltbereite Diktatur noch mutig? Wann ist sie fahrlässig? Das zeigt sich besonders bei seinen Begleitmusikern, zunehmend deutscher Herkunft, die zuvor unterschätzt haben, was das bedeutet – ein Leben zwischen Bühne und Friedhof. Ist es das wert? Einige werden dies mit der Zeit in Frage stellen, den unbedingten Widerstand von Shahin nicht länger teilen wollen. Gerade die Querverbindungen zu Charlie Hebdo zeigen: Diese Frage ist nicht leicht zu beantworten. Ebenso wenig, ob Meinungsfreiheit nicht doch auch Grenzen hat.
Bittere Ironie
Dass die Dokumentation den Sänger über Jahre hinweg begleitet, gibt zudem die Möglichkeit, auch die aktuelle Flüchtlingsdebatte miteinzubeziehen. Shahin, der schon seit Jahren in Deutschland lebt, wird nun angefeindet. Ausgerechnet er, der sich immer für westliche Werte eingesetzt hat. Rassismus aus dem Westen, Todesdrohungen aus dem Osten – die Kombination ist so absurd, dass man lachen möchte. Und es doch nicht kann.Schade an «Wenn Gott schläft», das nach mehreren Festivalauftritten unter anderem beim Film Festival Cologne auch in die deutschen Kinos kommt: Die Musik kommt irgendwie ziemlich kurz. Wir bekommen zwar diverse Auftritte zu sehen, hören auch seine Lieder. Aber auch die stehen immer im Kontext des Widerstandes, sind Ausdruck seines starken Willens. Um eine herkömmliche Musikdoku handelt es sich hier also nicht. Der Film ist auch nicht so ehrerbietend, wie wir es hier meist gewohnt sind, der Rebell macht nicht immer die beste Figur. Aber auch das macht das hier spannend, selbst als Nicht-Fan gibt es eine Menge, das einen bis weit nach den Credits begleiten wird.