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Der Gehetzte der Sierra Madre | Untergrund-Blättle

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Rezension zum Film von Sergio Sollima Der Gehetzte der Sierra Madre

Kultur

In der Eingangssequenz zu Sergio Sollimas Westerndebut sehen wir Lee van Cleef in seiner ersten Rolle nach den Leone Filmen „Per Qualche Dollari in Piu“ und „Il Buono, Il Brutto, Il Cattivo„.

Packesel, im Jahr 1900 am Wilson Peak, Sierra Madre.
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Packesel, im Jahr 1900 am Wilson Peak, Sierra Madre. Foto: James, George Wharton (PD)

22. Juni 2009
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Er spielt den gefürchteten Kopfgeldjäger Jonathan Corbett, der drei Banditen in Empfang nimmt, die den Mann mit dem markanten, scharfen Gesicht für ihren Komplizen halten. Bei dieser wunderbar gefilmten Sequenz lernen wir den scheinbaren Protagonisten des Films kennen, eben den Kopfgeldjäger. Tatsächlich ist das schwerste bei Sollimas Film, herauszufinden, wer denn nun eigentlich die Hauptrolle inne hat, Van Cleef, oder der Kubaner Tomas Milian, der hier in seiner ersten Rolle nach dem sehr aussergewöhnlichen und äusserst brutalen „Töte Django“ der unter der Regie von Giulio Questi entstanden ist. Milian spielt Cuchillo, einen mexikanischen Tagedieb.

Der „Bounty Killer“ soll Cuchillo wegen eines Verbrechens das er nicht begangen hat fassen. Nachdem sich die beiden Männer ein langes Katz und Maus Spiel geliefert haben, dass von einem exzellenten Ennio Morricone Score getragen wird, stellt Corbett schliesslich fest, dass der Gejagte unschuldig ist und das seine reichen Hintermänner für das Verbrechen verantwortlich sind. Er schliesst sich mit dem Mexikaner zusammen und beide ziehen die wahren Hintermänner zur Verantwortung.

„Der Gehetzte der Sierra Madre“ ist nach Ansicht der Fans des Italowesterns einer der 10 besten Filme im Genre und das zu recht. Eine exzellente Musikuntermalung, eine tolle Fotographie und zwei der grössten Ikonen die im europäischen (das heisst meist italienischen) Western zeichnen ihn aus. Tomas Milian genoss eine Ausbildung am renommierten Actors Studio in New York, das unter anderen von Regielegende Elia Kazan ins Leben gerufen wurde. Bei van Cleef ist es das Gesicht, dass ihn ausmacht. Kaum jemand hatte so markante scharfe Züge wie er, seine Augen immer zu Schlitzen zusammen gezogen. Die Kamera führte Carlo Carlini, der einige der schönsten Landschaftsstriche von Almeria filmt und diese wunderbar einfängt. Im unvermeidlichen Schlussduell übertrifft er sich dann aber selbst. Die Aufnahmen sind nicht innovativ, wie in dem ein Jahr zuvor entstandenen „Yankee“, aber ebenso schön eingefangen.

Die Musik, für die sich Ennio Morricone verantwortlich zeichnet treibt die Verfolgungsjagd zwischen Milian und van Cleef exzellent von Anfang bis zum Ende. Gerade für den Schluss hat sich der Filmkomponist ein ganz grossartiges Thema einfallen lassen, das ähnlich funktioniert, wie jenes, das er für Leones Western „The Good,The Bad And The Ugly“ komponiert hat. In der Szene in der sich Corbett und der von Gerard Herter verkörperte Baron von Schulenberg gegenüber stehen, variiert Morricone das bekannte Stück „Für Elise“ mit den gewohnten harten Gitarrenklängen des Italowestern und schafft es den Unterschied zwischen der neuen Welt und dem alten Europa deutlich zu machen.

Neben Sergio Corbucci und Sergio Leone gilt der 1921 geborene Sergio Sollima als einer der grössten Regisseure im Genre der Italowestern. Dabei sei erwähnt, dass er nur drei Streifen, die der Gattung zuzurechnen sind, ablieferte: „Der Gehetzte der Sierra Madre“ bildet hier den Auftakt und ist nach langläufiger Meinung der beste von Sollimas Western. In den Jahren 1967 und 1968 folgten dann der ebenso gute „Faccia A Faccia“ und der schwächste von den drei Filmen „Corri, Uomo, Corri“, der aber immer noch weit über dem Durchschnitt der Filme anderer italienischer Regisseure steht. Was mir bei diesen drei Filmen immer wieder auffällt, ist, dass jeder als Italowestern genannt wird, die Filme aber nur selten wie reinrassige Genrevertreter wirken. „La Resa dei Conti“ erinnert des öfteren an eine Gesellschaftsstudie, die im Verhältnis zwischen den Protagonisten von van Cleef und Milian deutlich wird. Milian ist das Opfer einer reichen, höheren Gesellschaft, van Cleef droht es zu werden, wenn er den unschuldigen Cuchillo erschiesst.

Am Ende verbünden sich beide gegen ihren Feind, bzw. ehemaligen Gönner. In diesem Kontext könnte Sollimas Film auch als Revolutionswestern verstanden werden, aber für so eine Anmassung reicht mir dieser Verweis nicht aus. Überhaupt scheint der Regisseur sich nie von irgendwelchen Strömungen des „Spaghetti Western“ beeinflusst haben zu lassen. Während der Drehzeit von „Der Gehetzte der Sierra Madre“ gab es endlos viele Genrefilme die nur auf das Thema der Rache beruhten. Davon ist in diesem Streifen keine Spur, es ist niemals ein Rachefilm. Während der Drehzeit von „Faccia A Faccia“ wurden zumeist noch Filme mit der Rache im Mittelpunkt gedreht. „Von Angesicht zu Angesicht“ ist aber eine Charakterstudie in der neben Tomas Milian der grossartige Gian Maria Volonte spielt. Auch bei diesem Film fällt wieder auf, dass Sollima mit den eigentlichen Western Stories bricht. Vielleicht ist das auch der Grund, warum er mit Corbucci und Leone als bester Genreregisseur gilt.

Schlussendlich ist dieser Gedankengang bei einem Western, oder einem Unterhaltungsfilm im Allgemeinen recht überflüssig. Für den gewöhnlichen Zuschauer ist nur interessant, dass dieser Streifen einer der schönsten seiner Gattung ist, dass er mit einer wunderbaren Fotographie besticht, ebenso mit einem sehr guten Score und zwei brilliante Akteure in mitunter ihren besten Rollen spielen lässt.

Sam Spade
film-rezensionen.de

Der gehetzte der Sierra Madre

Italien, Spanien

1966

-

110 min.

Regie: Sergio Sollima

Drehbuch: Sergio Sollima, Sergio Donati

Darsteller: Lee Van Cleef, Tomás Milian, Fernando Sancho

Produktion: Alberto Grimaldi

Musik: Ennio Morricone

Kamera: Carlo Carlini

Schnitt: Adriana Novelli

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.

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