UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Persona | Untergrund-Blättle

5920

Persona Psychologische Räume und Orte

Kultur

„Persona“ ist ein Meisterwerk des psychologischen Films, eine Geschichte über Identität, Persönlichkeit und die Rollen, welche wir im Leben spielen.

Die schwedische Schauspielerin Bibi Andersson spielt in dem Film «Persona» die Rolle der Alma.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Die schwedische Schauspielerin Bibi Andersson spielt in dem Film «Persona» die Rolle der Alma. Foto: Harry Pot (CC BY-SA 3.0 cropped)

15. August 2020
1
0
5 min.
Drucken
Korrektur
Formal und schauspielerisch stark und oftmals mehrdeutig angelegt, hat Ingmar Bergman einen Film inszeniert, der sehr zu Recht als einer seiner besten gilt und wohl noch viele weitere Jahre Kritiker wie Zuschauer beschäftigen wird.

Während einer Aufführung des Stückes „Elektra“ verfällt die bekannte Schauspielerin Elisabet Vogler (Liv Ullmann) ins Schweigen, schliesst sich in den folgenden Tagen zu Hause ein und lässt niemanden mehr an sich heran. Da sie körperlich gesund ist, schlussfolgern die Ärzte, das Problem müsse psychologischer Natur sein, sind aber mit ihren Versuchen, an Elisabet heranzukommen, ohne Erfolg. So wird der jungen Krankenschwester Alma (Bibi Andersson) die Aufgabe zuteil, nicht nur Elisabet zu pflegen, sondern sich mit ihr auf das Sommerhaus der Chefärztin zurückzuziehen, um sie dort endlich zum Reden zu bringen, ihr Problem zu erkunden und somit die Grundlage für eine Therapie zu schaffen.

In der Folge ist es aber weniger Elisabet, sie sich öffnet, sondern mehr Alma, die ihr in der Abgeschiedenheit des Hauses über ihre privaten Probleme, ihre intimen Geheimnisse und gar über ihre ersten sexuellen Erfahrungen berichtet. Almas Freude darüber, eine aufmerksame Zuhörerin gefunden zu haben, hat ein jähes Ende, als ihr ein Brief Elisabets in die Hände fällt, in dem sie sich über Almas Offenheit amüsiert und ihre Freude kundtut, sie bei den Gesprächen zu beobachten. Zutiefst verletzt beschliesst Alma sich zu rächen, doch durch ihre Konfrontation mit Elisabet merkt sie, dass ihr immer mehr die Distanz zu ihrer Patientin verloren geht, bis sie sogar meint, zu Elisabet zu werden.

Psychologische Räume und Orte

Eigentlich sollte Die Stunde des Wolfs das nächste Projekt Ingmar Bergmans werden, doch dann musste er wegen einer Lungenentzündung für lange Zeit das Bett hüten. In dieser Zeit entstand die Idee und recht schnell das Drehbuch zu Persona, welches er entgegen seiner ursprünglichen Pläne als nächstes Projekt anging. Gefilmt wurde das Kammerspiel grösstenteils auf der Insel Fåro, am Strand und in oder um Bergmans Ferienhaus, einem der wichtigsten Bezugspunkte für den Regisseur und seine Filme. Entstanden ist ein Film, der nicht nur einer der berühmtesten und besten Bergmans ist, sondern eine zeitlose Studie über die Brüchigkeit von Konzepten wie Persönlichkeit und Identität.

Jeder Zuschauer, der sich auf Persona einlässt, wird unausweichlich zu einer eigenen Lesart dieses mehrdeutigen Films kommen. Filmhistoriker und Autor Peter Cowie nannte der Film einst den „Mount Everest der Filmanalyse“, der viele Deutungen zulässt, wobei man direkt Belege und Bilder im Film findet, welche einen gegensätzlichen Ansatz unterstützen. Mögen diese oder ähnliche Aussagen zum Film vor allem in der suggestiven Bilderwelt begründet sein, besticht Persona, wie so viele Filme des schwedischen Regisseurs, vor allem durch seine formale Klarheit. Im Gegensatz zu manch anderen seiner Geschichten reduziert Bergman noch weiter, auf räumlicher wie personeller Ebene, sodass die Geschichte in einer Konfrontation der beiden Frauen enden muss, in einem Kampf des Willens, der immer auch ein Kampf mit dem eigenen Ich ist.

Zusammen mit seinem Kameramann Sven Nykvist, Bergmans ständiger Begleiter bei vielen seiner Filme, entwirft der Regisseur einen Ort, der nicht zufällig gewisse Ähnlichkeiten mit einer Theaterbühne aufweist. Sowohl die Landschaft als auch das Haus geben keinerlei Fluchtpunkte, kein Entkommen vor jener Konfrontation der beiden Figuren und wirken im weiteren Verlauf der Handlung eher wie psychologische Räume, beinahe surreale Orte, welche einen immer wieder auf sich selbst zurückwerfen. Die Zeit scheint, wie es an einer Stelle im Film heisst, stillzustehen, was nochmals den Status dieser Räume und Orte als psychologisch mehrdeutig betont.

Die Angst vor dem gesprochenen Wort

Auf dieser minimalistisch angelegten „Bühne“ findet die Konfrontation zunächst über das Wort, später über Bilder oder andere Mittel statt. Generell deutet vieles im Film auf eine grosse Skepsis bezüglich des Wortes an bezüglich dessen Fähigkeit Sachverhalte zu kommunizieren wie auch der Verstellung von Personen oder Tatsachen. In diese Richtung geht auch die Theorie der Chefärztin, die behauptet, Elisabet reagiere mit ihrem beharrlichen Schweigen auf jene Falschheit in ihrem Leben, ihrem beständigen Spielen von Rollen, eine Idee, die sich bereits im Titel des Films, dem lateinischen Begriff für die Maske des Schauspielers im antiken Theater, andeutet.

Innerhalb dieser Geschichte muss man vor allem das Schauspiel Bibi Anderssons wie auch Liv Ullmanns loben, zwei Darstellerinnen, mit denen Bergman oft kollaborierte. Während die eine gekränkt wahrnimmt, wie ihr eigenes Wort sie in Bedrängnis bringt und zu einem fundamentalen Ich-Verlust beiträgt, spielt Ullmann eine Person, die sich immer weiter in sich selbst zurückzieht, den Blick mal ängstlich, mal vorsichtig auf ihr Gegenüber und ihre Umgebung werfend.

Rouven Linnarz
film-rezensionen.de

Persona

Schweden

1966

-

84 min.

Regie: Ingmar Bergman

Drehbuch: Ingmar Bergman

Darsteller: Bibi Andersson, Liv Ullmann, Margaretha Krook

Produktion: Ingmar Bergman

Musik: Lars Johan Werle

Kamera: Sven Nykvist

Schnitt: Ulla Ryghe

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

Mehr zum Thema...
Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman im Amstel Hotel in Amsterdam, Oktober 1966.
Schreie und Flüstern von Ingmar BergmanEin schonungsloses Meisterwerk

28.02.2019

- In «Schreie und Flüstern» porträtiert Regisseur Ingmar Bergman drei Schwestern, die sich in seelischen Extremsituationen befinden. Die Haupthandlung des Films spielt in einem vornehmen Landhaus Ende des 19. Jahrhunderts. Der Film ist ein schonungsloses Meisterwerk, das sehr intime Einblicke in das ambivalente Innenleben der Protagonistinnen eröffnet.

mehr...
Liv Ullmann, 1966.
PassionDas eigene Leid und das der anderen

31.12.2020

- „Passion“ von Ingmar Bergman ist ein schwermütiger Film über die Rolle des Leidens im Leben. Die starken Darsteller und die formale Präzision geben der Geschichte einer tragische Unausweichlichkeit, der man als Zuschauer sprachlos folgt.

mehr...
Der US-amerikanische Filmschauspieler Elliott Gould spielt in dem Film von Ingmar Bergman die Rolle von David Kovac.
BerührungenDas Problem mit der Sprache

17.12.2021

- „Berührungen“ ist ein herausforderndes Beziehungsdrama über emotionale Kälte und Distanz. Mag es auch nicht Ingmar Bergmans bestes Werk sein, so hat der Film doch mehr verdient als die vernichtenden Kritiken zur Zeit seiner Veröffentlichung, alleine schon wegen seiner Darsteller und der gewohnt vielschichtigen Inszenierung des schwedischen Meisterregisseurs.

mehr...
Enge Räume im Grossstadtdschungel - Der brasilianische Film

25.11.2010 - Durch internationale Auszeichnungen auf sich aufmerksam gemacht, haben letzthin immer wieder brasilianische Filme. Was zeichnet den brasilianischen Film und seine Bilder aus, das sagt uns Filmwissenschaftler Martin Schlesinger.

The Hour of the Wolf - die Plastikerin Lotta Blokker im Panoramamuseum Bad Frankenhausen

24.04.2015 - „The Hour of the Wolf is the hour between night and dawn. It is the hour when most people die, when sleep is deepest, when nightmares are most real.

Dossier: Psychiatrie
Klinikenhöxter (   - )
Propaganda
Diktatur der Sicherheit

Aktueller Termin in Dortmund

Doppelkopf Tresen

Doppelkopf Tresen - jeden 1. Donnerstag im Monat im Nordpol Fehlt euch ständig eine 4. Person für eine gepflegte Doppelkopfrunde?

Donnerstag, 1. Juni 2023 - 07:00 Uhr

Nordpol, Münsterstrasse 99, 44145 Dortmund

Event in Berlin

The Distillers

Donnerstag, 1. Juni 2023
- 18:30 -

Zitadelle Spandau

Am Juliusturm 64

13599 Berlin

Mehr auf UB online...

ETA Symbol in Altsasu/Alsasua (Navarra, Spanien).
Vorheriger Artikel

Das (vorläufige) Ende eines Staatsproekts

Die Auflösung der ETA

Aktion verschiedener Aktivist:innen am Flughafen von Genf, 23. Mai 2023.
Nächster Artikel

Europas grösste Verkaufsmesse für Privatflugzeuge

Genf: Privatjets blockiert

Untergrund-Blättle