Matrix Reloaded Nachgeladen, aber wie?

Kultur

„Matrix Reloaded“ wäre „ohne“ „Matrix“ ein (bei wenigen Abstrichen) exzellenter Sciencefiction, der anderen Erfolgen des Genres in nichts nachstehen würde.

Keanu Reeves und Carrie-Ann Moss beim Dreh von Matrix 4 in San Francisco, Februar 2020.
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Keanu Reeves und Carrie-Ann Moss beim Dreh von Matrix 4 in San Francisco, Februar 2020. Foto: Jdlrobson (CC BY-SA 4.0 cropped)

30. September 2022
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„Matrix“ war 1999 eine Sensation – visuell, filmhistorisch (kann man heute fast schon sagen), der Look, die Geschichte, ja die verkehrte Welt, die die Wachowskis dem Publikum präsentierten, schlugen ein wie eine Bombe. Eine vor allem in Grün und Schwarz gehaltene Welt, in der Morpheus (Laurence Fishburne), einer der wenigen Menschen im Kampf gegen eine von hochentwickelten Maschinen beherrschte Welt, Neo (Keanu Reeves) in die Geheimnisse dieser Matrix einführt und in ihm den Erlöser sieht, der allein in der Lage ist, den Kampf gegen die Maschinen zu gewinnen – eine Welt, in der die Körper von Menschen als Energiereservoir dienen, während ihrem Geist eine normale Welt vorgegaukelt wird, die jedoch rein virtuellen Charakter hat.

Zumindest eines bewirkte „Matrix“. Der Film dokumentierte eine Welt, in der das Visuelle sich verselbständigte und die Unterscheidung zwischen Fiktion und Realität nicht mehr eindeutig gelingen konnte – eine Thematik, die mehr mit unserer Gegenwart als mit einer fernen Welt oder Phantasien zu tun hat.

Jetzt dient „Matrix“ als Werbeträger u.a. für Trinkbares. Agent Smith (Hugo Weaving) wird zur Witzfigur der Werbebranche, und der Rummel, der um das Sequel getrieben wurde und wird und auch um den dritten Teil, der im November 2002 folgen wird, holt das Kino von seinem Anspruch als Kunst- und Kultstätte, als Ideenlieferant und Phantasieproduzent wieder zurück in die Niederungen des ökonomisch beherrschten Alltags und der Banalität der Geschäftstüchtigkeit.

„Matrix Reloaded“ ist ein guter Sciencefiction, die nicht besonders reizvoll gelungene Fortsetzung von „Matrix“ auf inhaltlich mittelmässiger Ebene und eben keine filmische Revolution. Vielleicht haben die Wachowskis das auch nicht beabsichtigt.

Zum Inhalt des Sequels sei nur so viel verraten: Der Kampf geht weiter. Zion, die letzte Zufluchtsstätte der befreiten Menschen, ist in Gefahr, von den Maschinen unter Führung eines zigmal geklonten Agent Smith und anderer Software-Übeltäter, u.a. der weisshaarigen, langmähnigen Zwillinge (Neil und Adrian Rayment) endgültig zerstört zu werden. Im Kreis der Verteidiger herrscht Zwist. Während Commander Lock (Harry J. Lennix), der Vorgesetzte von Morpheus und mit dessen Ex-Partnerin Niobe (Jada Pinkett Smith) liiert, alle Kampfeinheiten auf die Verteidigung von Zion konzentrieren will, glaubt Morpheus weiterhin an die Prophezeiung und die Weissagungen des Orakels (Gloria Foster) – und damit auch an die zentrale Rolle von Neo als Erlöser. Der Senat erlaubt Morpheus, gegen den Willen von Lock den Kampf gegen die Maschinen in der virtuellen Welt weiterzuführen.

Ein gewisser Merovingian (Lambert Wilson) soll wissen, wo sich der Schlüsselmacher (Randall Duk Kim) befindet, der im wahrsten Sinn des Wortes die Schlüssel zur Zentrale des „Maschinenparks“ besitzen soll. Allerdings weigert sich Merovingian, Neo, Morpheus und Trinity den Weg zum Schlüsselmacher zu zeigen. Seine Partnerin Persephone (Monica Bellucci) denkt da anders ...

Sequels haben es bekanntlich nicht leicht. Nur selten gelingt eine auch nur annähernd qualitativ vergleichbare Leistung, so etwa beim zweiten Teil von „Der Pate“ und bei „Aliens“ als Sequel von „Alien“. „Matrix Reloaded“ leidet aber nicht nur unter dem Erfolgszwang des Sequels. Die Geschichte, die der Film erzählt, ist auf eine enttäuschende Art wenig spannend und bietet gegenüber Part One kaum etwas originell Neues. Nebenschauplätze wie die Konkurrenz zwischen Morpheus und Lock oder das Tauschgeschäft zwischen Persephone und Neo (sie liefert den Schlüsselmacher gegen einen Kuss von Neo, so wie Neo Trinity küssen würde) tragen zur Handlung nichts bei. Der erste Teil, der sich u.a. mit den Auseinandersetzungen unter den Commandern beschäftigt, ist langatmig und endet mit einer Rede von Morpheus vor den Menschen in Zion, die an trivialer Dialogfreudigkeit kaum zu überbieten ist, auch wenn diese Szene visuell beeindrucken kann. Das Mysteriöse, Rätselhafte, lange Zeit Unbekannte, das „Matrix“ auszeichnete, etwa auch die Rolle des Orakels, verkommt im Sequel zu Star-Wars-ähnlichem Geplänkel, wie der Film überhaupt eher an eine Geschichte von George Lucas erinnert als an die Fortsetzung von „Matrix“. Dieser Vergleich soll nicht bedeuten, dass „Matrix Reloaded“ ein schlechter Film sei. Er ist nur keine angemessen qualitative Fortsetzung von „Matrix“.

Die Wachowskis legten sehr viel Wert auf Verfeinerung und Ausbau der Actionsequenzen, der digitalen Tricks, der Kampfszenen, aber sie vernachlässigten die Idee des Projekts und seine Geschichte. Hervorzuheben sind eine Verfolgungsjagd von 14 Minuten über den Highway, eine Kampfszene zwischen Neo und Agent Smith in Mehrfachanfertigung (an die 100 Agents) sowie die Einführung einer neuen Figur, dem Erfinder der Matrix, genannt „Der Architekt“, die Stoff für den dritten Teil liefert.

„Matrix Reloaded“ wäre „ohne“ „Matrix“ ein (bei wenigen Abstrichen) exzellenter Sciencefiction, der anderen Erfolgen des Genres in nichts nachstehen würde. „Mit“ „Matrix“ ist der Film nur ein mässiges Sequel, was vielleicht auch die Schwierigkeiten dokumentiert, die in einer Trilogie oftmals der zweite Teil mit sich bringt. So ist das Ende von „Matrix Reloaded“ in jeder Hinsicht offen gelassen; man befindet sich sozusagen mitten in der entscheidenden Schlacht.

Ulrich Behrens

Matrix Reloaded

USA

2003

-

136 min.

Regie: Andy Wachowski, Larry Wachowski

Drehbuch: Andy Wachowski, Larry Wachowski

Darsteller: Keanu Reeves, Laurence Fishburne, Carrie-Anne Moss

Produktion: Joel Silver

Musik: Don Davis

Kamera: Bill Pope

Schnitt: Zach Staenberg