MASH Komik des Grauens, Grauen der Komik

Kultur

Die Presse urteilte zum Teil hart über Altmans „Militärklamotte“: zynisch, dumm-derb, bedeutungslos. „MASH“ wurde 1970 in den USA verboten und konnte dort erst drei Jahre später in den Kinos gezeigt werden.

Robert Altman am Film Festival von Cannes, 1992.
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Robert Altman am Film Festival von Cannes, 1992. Foto: Georges Biard (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

5. Oktober 2019
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Die Anspielungen der im Korea-Krieg angesiedelten Handlung auf den Vietnam-Krieg waren mehr als deutlich (einer der Beteiligten hiess mit Spitznamen gar „Me Lay“, ein direkter Bezug zu dem Massaker in My Lai). In Cannes bekam der Film die „Goldene Palme“. Die nachfolgenden Fernsehserien „M.A.S.H.“ und „Trapper John M.D.“ wurden zwar durch Altmans Film initiiert, haben aber – wenn man Film und Serien vergleicht – kaum etwas miteinander zu tun.

Ort des Geschehens ist ein mobiles Feldlazarett in Korea, „Mobile Army Surgical Hospital“, nahe der Front in einer abgelegenen bergigen Gegend zwischen Baracken, Zelten, Zäunen und notdürftig gebauten Kranken- und Operationsstationen. Über einen Lautsprecher werden von einem Soldaten, Sgt. Vollmer (David Arkin), die neuesten Meldungen verkündet à la „Heute Abend läuft der und der Kriegsfilm, Krimi“. Vollmer verzettelt sich des öfteren, bricht ab, verkündet unwichtiges Zeug, verhaspelt sich. Überhaupt wirkt das gesamte Geschehen im Lazarett eher dem auf einer grösseren Party zum 4. Juli, ähnelt einem Betriebsfest, auf dem Alkohol fliesst und Drogen im Umlauf sind, die Beteiligten ihre Scherze machen, Männer hinter Kolleginnen her sind usw. Wenn die drei Ärzte Hawkeye (Donald Sutherland), Trapper (Elliott Gould) und Duke (Tom Skerritt) zwischendurch einmal operieren, wirkt dies, als ob eine Party ab und an durch geschäftliche Telefonanrufe unterbrochen wird. Danach geht man wieder zum Feiern und zum Spassen über.

Die Ärzte haben angesichts der Kriegssituation relative Narrenfreiheit; sie können sich einiges erlauben. Und Lazarett-Leiter Lt. Colonel Blake (Roger Bowen), der die Situation durchaus erfasst hat, lässt sie nicht nur gewähren, sondern nimmt an der „Party“ regen Anteil. Nur einer passt nicht so recht ins Bild: der Arzt Major Frank Burns (Robert Duvall), den die anderen Ärzte nicht besonders mögen, den sie für unfähig halten. Burns erhält Unterstützung von der neuen Oberschwester, Major Margaret O'Houlihan (Sally Kellerman), einer Blondine, die Burns vor den anderen Ärzten verteidigt, die sich über die unmöglichen, unmoralischen Zustände im Lazarett empört, insgeheim aber auch ihren Spass haben will. Kaum hat sie in Burns einen Gesinnungsgenossen gefunden, liegen beide schon im Bett. Adlerauge (Hawkeye), Fallensteller (Trapper) und Herzog (Duke) wären aber von Sinnen, würden sie dem ungeliebten Kollegen nicht den Garaus machen wollen. Sie übertragen per Lautsprecher die Liebeslaute der beiden, um allen einen gewissen Anteil am Geschehen zu ermöglichen.

Burns ist ihnen aber vor allem ein Dorn im Auge, weil der den Krieg als Krieg nimmt, keine Möglichkeit für sich sieht, das Grauen durch Komik zu kompensieren. Für den Sex gilt allerdings auch bei Burns etwas anderes.

Überhaupt steht Sex im Mittelpunkt der Handelnden. Der Arzt Walt (John Schuck) versagt zum ersten Mal in seinem Leben bei einer Frau – und glaubt, er könnte schwul sein. Das würde er nicht überleben, und so beschliesst er, Selbstmord zu begehen. Hawkeye schlägt ihm vor, in einer feierlichen Sitzung vor versammelter Mann- und Frauschaft eine schwarze Pille zu schlucken; denn auch ein Selbstmord darf hier nicht heimlich über die Bühne gehen. Walt sitzt an einem langen Tisch, rechts und links die anderen Offiziere. Die Szene erinnert in grotesker Weise an das Abendmahl. Niemand hat allerdings vor, Walt ins Jenseits zu befördern. Im Gegenteil: Man betäubt den „bemitleidenswerten“ Mann, der sich bislang als Frauenheld einen Namen gemacht hatte, und schickt ihm Schwester Maria (Jo Ann Pflug), genannt Dish („klasse Frau“) als Allheilmittel ins Bett.

Um der vordergründig ach so moralinsauren Oberschwester Margaret den Garaus zu machen, beschliesst das Ärzte-Trio, ihre nackte Schönheit der versammelten Meute in voller Blüte zu präsentieren. Als „Hot Lips“, wie Margaret fortan genannt wird, frühmorgens die Dusche betritt, ziehen die anderen die Zeltwände hinauf. Langsam aber sicher passt sich Hot Lips den Gegebenheiten im Lazarett an, und nachdem Burns, der vor Wut auf Hawkeye los gegangen ist, in der Zwangsjacke aus dem Lager gebracht wird und Margaret nicht mehr zur Verfügung steht, wechselt die Gute den Liebhaber. Duke hat es irgendwie geschafft, die Blondine zu verführen, kurz nachdem Hawkeye und Trapper von einem Trip aus Japan zurückgekehrt sind, wo sie dem Sohn eines amerikanischen Kongressabgeordneten einen Splitter aus der Brust entfernen durften. Das Techtelmechtel bleibt jedoch nicht geheim, und Hot Lips bekommt wieder ihren Moralischen: Erlaubt ist, was der Öffentlichkeit verborgen bleibt.

Der General wird über die „unsittlichen Zustände“ informiert, interessiert sich aber nicht die Bohne dafür – sondern für Football. Und so endet alles, wie es enden muss: bei einem Football-Spiel zwischen der Mannschaft des Generals und der des Lazaretts – mit allem Drum und Dran.

Nicht jedem wird der teilweise derbe Humor gefallen, den Altman hier verbreitet. Doch „MASH“ ist im eigentlichen Sinn keine Komödie, sondern eher eine bittere Tragödie. „MASH“ macht sich nicht lustig über den Krieg, ist keine Klamotte – wie später dann die gleichnamige Fernsehserie. Das Lazarett wird von schwer verwundeten Soldaten frequentiert. Nur wenige haben eine Chance zu überleben, auch nicht nach einer Operation. Die Operationen erscheinen als Ausnahme von der Regel. Die Regel scheint der Spass zu sein, den die Soldaten und Ärzte am laufenden Band organisieren. Hier das Blut, die Verzweifelten, die betäubt oder ohnmächtig sind, die aber als Nebensache erscheinen, obwohl sie diejenigen sind, die den Bau des Lazaretts notwendig machten.

Der spezifische Humor ist der bestimmten Situation angepasst. Es ist Krieg, der Tod allgegenwärtig. Die Komik, mit der die Ärzte und Schwestern diese Situation zu bewältigen versuchen, ist eine tragische. Man absorbiert sozusagen Bruchstücke aus dem Alltag zu Hause, Situationen, Umstände aus dem „normalen“ Leben in der Heimat, pflanzt sie in die Kriegssituation, oder versucht es jedenfalls, um eine aussergewöhnliche und todbringende, eine brutale und kalte Atmosphäre mit irgendetwas wie Wärme und Normalität, mit Menschsein zu konterkarieren.

Daraus entsteht die Groteske zwischen Tod und Komik. Man will am Leben bleiben, das heisst das, was das Leben ausmacht, auf irgendeine Weise erhalten, perpetuieren in einer ansonsten, für sich gesehen, skrupellosen, existentiell katastrophalen Situation des Todes. Diese Versuche kulminieren in einem Football-Spiel, bei dem die Normalität der Heimat vollständig Einzug in die Kriegssituation gewonnen zu haben scheint. Tanzende Schwestern als Cheerleader, Soldaten als Spieler, ihre Vorgesetzten als Trainer, Tricks, einzelne Spieler als taktische Trumpfkarten – alles scheint sich im Lazarett von dessen eigentlicher Bestimmung zu lösen, Heimat statt Front.

Der Biss von „MASH“ entsteht nicht aus einem direkten Angriff auf die amerikanische Vietnam-Politik oder einzelne Soldaten, die dieser Politik folgen, sondern eher sozusagen durch den Nachweis der Absurdität des Krieges als zerstörerischem und selbstzerstörerischem Prozess. Die Konfrontation von Grauen (die verwundeten Soldaten, Blut, zerrissene Leiber auf dem OP-Tisch) und dem grotesken Verhalten der Ärzte und Schwestern im Lazarett erzeugt eine teilweise unerträgliche Spannung, zerreisst die gesamte Situation bis fast zum Bersten. Dieser Prozess steigert sich bis zum Football-Spiel und endet dann jäh mit der Entlassung einzelner Ärzte aus dem Dienst.

Dadurch erreicht „MASH“ letztlich, die Unvereinbarkeit zweier Prinzipien zu visualisieren: das des Krieges und das des Menschseins. Zwar sind nur Menschen in der Lage, Kriege zu führen, aber sie handeln damit gegen ihre eigene Natur, die mit der übrigen (Lebens-)Welt verbunden ist. Krieg ist seiner Tendenz nach totale Destruktion, letztlich Zerstörung jeglichen Lebens. Menschsein heisst seiner Tendenz nach, mit anderen einen Weg des kollektiven Lebens zu finden. Krieg ist die extremste Form von Macht und Machtausübung. Menschsein bedeutet tendenziell, Macht über sich selbst zu besitzen, und daher Verzicht auf Machtausübung über andere.

„MASH“ veranschaulicht dies dadurch, dass Komik und Grauen den genannten diametral entgegengesetzten Prinzipien zugehören und daher unvereinbar sind. Die Komik degeneriert unter den Bedingungen des Grauens zur Absurdität, zum grotesken und verzerrten Spiegelbild der Brutalität. Das mag auch partiell der Grund sein, warum einem das Lachen ab und an im Halse stecken bleibt und mancher Kinogänger mit dieser Art Komik nichts anzufangen weiss. Der Grausamkeit des Krieges entspricht die partielle Grausamkeit der Komik, wobei man auch sagen muss, dass ein anderer Teil dieser Komik die innere Verbundenheit der Ärzte und Schwestern zum Ausdruck bringt, das Menschsein reklamiert.

„MASH“ funktioniert in dieser Hinsicht im übrigen durch einen inszenierten Trick: die relative Narrenfreiheit der Ärzte, auf die das Militär angewiesen ist. So erlauben sich Hawkeye und Trapper – beide hervorragend mit Sutherland und Gould besetzt –, bei ihrem „Ausflug“ nach Japan den dortigen Befehlshaber zu missachten, ihn sogar zu desavouieren, indem sie ihn mit einer Frau nackt ins Bett legen, die Szene fotografieren und den Mann damit neutralisieren; er kann ihnen nicht mehr gefährlich werden. Kein anderer Captain oder gar Private hätte sich derartiges erlauben können.

„MASH“ ist für mich in erster Linie eine der schönsten und furchtbarsten Tragödien der Filmgeschichte, nicht so sehr eine Komödie.

Ulrich Behrens

MASH

USA

1970

-

116 min.

Regie: Robert Altman

Drehbuch: Ring Lardner Jr. nach dem Roman von Richard Hooker

Darsteller: Donald Sutherland, Elliott Gould, Tom Skerritt

Produktion: Ingo Preminger

Musik: Ingo Preminger

Kamera: Harold E. Stine

Schnitt: Danford B. Greene