Biopic über Allen Ginsberg Kill Your Darlings – Junge Wilde
Kultur
«Kill Your Darlings – Junge Wilde» nimmt uns mit in eine Zeit, als die Beatnikhelden erst noch zusammenfinden mussten. Wer sich für die Zeit und Literatur interessiert, darf sich über ein gelungenes Biopic freuen. Spannend ist das famos gespielte Drama trotz seines gemächlichen Tempos aber auch für Unkundige.


Der Poet und Schriftsteller Allen Ginsberg in Miami Beach, Florida, 1972. Foto: Tony Schweikle (CC BY-SA 1.0 cropped)
«Kill Your Darlings – Junge Wilde» widmet sich der Frühzeit der Schriftsteller, als die kaum erwachsenen Männer noch weit davon entfernt sind, Literaturgeschichte zu schreiben. 1944, der junge Allen Ginsberg (Daniel Radcliffe) hat gerade sein Studium an der Columbia University in New York begonnen, als er dem rebellischen Kommilitonen Lucien Carr (Dane DeHaan) über den Weg läuft. Der ist selbstbewusst an der Grenze zur Arroganz, gut aussehend und immer daran interessiert, mit Allen und den beiden Autoren William Burroughs (Ben Foster) und Jack Kerouac (Jack Huston) Staub aufzuwirbeln. Das gelingt ihm auch ganz gut, die Uni hat er schon mehrfach wechseln müssen. Und auch bei Allen hinterlässt er bleibenden Eindruck. Doch leider nicht nur bei ihm, denn der Ex-Professor David Kammerer (Michael C. Hall) hegt ebenfalls Gefühle, was zu einer Menge Spannungen führt.
Und die entladen sich in einem blutigen Tod gleich zu Beginn des Films. Danach wird in einer Rückblende erzählt, wie die Jungs sich kennenlernten und auch, wie es zu der Eingangsszene kam. Auch wenn der Anfang darauf schliessen lässt, von einem Thriller hat der Film im weiteren Verlauf also nur wenig. Im Mittelpunkt steht vielmehr vor allem das komplexe Verhältnis zwischen dem zurückhaltenden, leicht verklemmten Allen Ginsberg und dem bewusst provozierenden Lucien Carr. Während Ginsberg heute als einer der grössten amerikanischen Poeten des 20. Jahrhunderts gilt, ist Carr höchstens Historikern noch ein Begriff.
Wenn es nach dem Film geht, ist das kein grosses Wunder, denn Carr kommt hier denkbar schlecht weg. Wenn es der junge Mann schafft, so viel Aufmerksamkeit zu erregen, dann durch seine Persönlichkeit, sein Charisma, weniger durch sein schriftstellerisches Talent. Gerade diese Diskrepanz zwischen eigenem Anspruch und kreativer Realität resultiert in spürbaren Spannungen, einem unausgesprochenen Konflikt über die Marschrichtung der ambitionierten Literaten. Dass er zudem zum Opportunismus neigt und David ausnutzt, wenn es ihm gerade in den Kram passt, steigert auch nicht gerade seine Sympathiewerke.
Und doch, obwohl man nur wenig Nettes über Carr sagen kann, geht von ihm durch die famose Arbeit des ewig jungen Dane DeHaan eine Faszination aus, die sich auch auf den Zuschauer überträgt. Hauptdarsteller Nummer zwei Daniel Radcliffe steht dem in nichts nach. Schon in Die Frau in Schwarz durfte der Jungschauspieler zeigen, dass er kein Interesse daran hat, das ganze Leben lang auf die Rolle in Harry Potter reduziert zu werden. Hier geht er noch einen Schritt weiter und ist den vielen homoerotisch aufgeladenen Szenen kaum noch als der brave Junge aus dem Zauberblockbuster wieder zu erkennen.
Ein wirklicher Aufreger ist Kill Your Darlings – Junge Wilde jedoch nicht, dafür ist das Tempo zu gemächlich und gleichmässig. Hin und wieder wird der ruhige Fluss des Films zwar schon unterbrochen, zum Beispiel wenn sich die Gruppe mal wieder Drogen eingeworfen hat. Doch das eigentliche Ziel des Biopics war es, die Stimmung der 1940er einzufangen, als eine lose Clique ambitionierter Schreiberlinge gezielt Grenzen suchte, um sie zu übertreten. Und das ist Regisseur John Krokidas bei seinem Langfilmdebüt gelungen. Wer mehr über die Zeit und die Beatnikhelden erfahren möchte, sollte die Gelegenheit hier nutzen. Und spannender als die allzu brave Adaption «On the Road» von 2012 ist der Film ohnehin geworden.
Kill Your Darlings – Junge Wilde
USA
2013
-104 min.
Regie: John Krokidas
Drehbuch: Austin Bunn, John Krokidas
Darsteller: Daniel Radcliffe, Dane DeHaan, Jack Huston
Produktion: Michael Benaroya, Christine Vachon, Rose Ganguzza, John Krokidas
Musik: Nico Muhly
Kamera: Reed Morano
Schnitt: Brian A. Kates
Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 3.0) Lizenz.
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