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In den Krallen des Hexenjägers | Untergrund-Blättle

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In den Krallen des Hexenjägers Leibhaftiges

Kultur

Billige Horrorfilme oder nicht? Vielleicht erinnern sich manche an Michael Reeves „Der Hexejäger” (1968) mit dem unvergesslichen Vincent Price in der Hauptrolle; oder an „Der Hexentöter von Blackmoor” des Spaniers Jesus Franco aus dem Jahr 1970.

Witches Lane near Witches Cottage.
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Witches Lane near Witches Cottage. Foto: Dave Spicer (CC-BY-SA 2.0 cropped)

17. Februar 2023
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Im gleichen Jahr inszenierte Piers Haggard einen ähnlichen Film, der in einem Dorf im England des 17. Jahrhunderts spielt und von manchem sicherlich auch zu den B-Movies des Genres gezählt wird – „Satan’s Skin”, eine düstere Geschichte um Satanskult und Hexentreiben, von denen das Dorf befallen wird.

Mehr als 30 Jahre danach war ich gespannt, welchen Eindruck ein solcher Horror-Trash-Film bei mir hinterlassen würde. Um es in einem Wort zusammenzufassen: Der Film bereitete mir Vergnügen, und zwar gerade weil er „billig” ist – was immer das auch heissen mag. Das hat seinen Grund wohl auch darin, vielleicht sogar vor allem darin, dass der Film in typischer 70er Jahre-Manier produziert worden ist. Man fühlt sich zurückversetzt in eine Zeit, die man selbst bewusst miterlebt hat – ausgerechnet auch noch eine Zeit, in der Aufbruchstimmung herrschte. Aufklärung, Enthüllung, Vernunft, „Vergangenheitsbewältigung”, Fortschrittsoptimismus und der Bruch mit alten, verhärteten Strukturen war angesagt – und da drehen einige solche Filme. Finsteres Mittelalter im Kino?

Worum geht’s?

Der junge Bauer Ralph Gower (Barry Andrews) findet Teile einer Leiche auf einem Acker, die merkwürdig aussehen. Sie scheinen weder zu einem Menschen, noch zu einem Tier zu gehören. Aufgeregt berichtet er seinen Fund dem gerade im Ort weilenden Richter (Patrick Wymark), der dem jungen Kerl nicht so richtig glauben will. Als er sich trotzdem bequemt, mit Ralph an den Fundort zu gehen, sind die Leichenteile verschwunden.

Dann geschehen jedoch seltsame Dinge. Peter Edmonton (Simon Williams) besucht mit seiner Verlobten Rosalind Barton (Tamara Ustinov, eine Tochter Peter Ustinovs) seine Tante Isobel Bonham (Avice Landone). Das Glück der beiden hält jedoch nicht lang, denn in der Nacht hört man plötzlich laute Schreie aus dem Schlafzimmer Rosalinds. Die junge Frau scheint verrückt geworden zu sein. Wenig später sticht Peter aus unerklärlichen Gründen in seine Hand und schneidet sie sich dann ab.

Der Richter ist ein aufgeklärter Mann und glaubt nicht an Hexenwahn und Teufelsspuk. Doch er will dennoch diesen merkwürdigen Ereignissen nachgehen. „Man kann ein solches Übel nur bekämpfen”, sagt er, „wenn man es kennt.”

Schlimmeres widerfährt den Kindern der Ellen Vespers (Charlotte Middleton). Mark (Robin Davis) bekommt unerklärlich starke Bauschmerzen, nachdem er einen mysteriösen Beutel angefasst hat, den die junge und schöne Angel Blake (Linda Hayden) angeblich gefunden hat. Mark und seine Schwester Cathy (Wendy Padbury) sind wenig später tot. Andere Jugendliche hingegen treffen sich unter Führung von Angel Blake an einem Ort im Wald und halten Messen ab. Als der Richter wieder in den Ort kommt, ist er entschlossen, dem unerklärlichen Treiben ein Ende zu setzen ...

„Satan’s Skin” ist ein – überraschend – verstörender Film dieses Subgenres des Horrorfilms. Im Unterschied zu anderen Streifen dieser Zeit ist der Satan keine Einbildung besessener Menschen, sondern wirklich präsent – wenn auch mehr oder weniger unsichtbar. Eine Kralle, ein Stück behaarte Haut, Andeutungen, vor allem aber die Tatsache, dass Kinder von Satan in Besitz genommen werden – all das verbreitet eine zunehmend düstere Stimmung, in deren Verlauf auch schnell falsche Verdächtigungen ausgesprochen werden. So wird Reverend Fallowfield von Bürgermeister Middleton festgenommen, weil ersterer angeblich Angel Blake vergewaltigt habe.

Das Produktionsdesign dieses im 17. Jahrhundert spielenden Films passt gut zur Atmosphäre. Handlungsorte sind der kleine Ort und der umliegende Wald, in dessen Winkeln sich das Böse versteckt und immer wieder hervorbricht. Das Böse greift Platz in der „unberührten” Natur. Das Ländliche, geprägt von mehr oder weniger armen Leuten und einigen wenigen Honoratioren, wird kontrastiert vom zunächst unsichtbaren, dann aber in den Kindern manifestierten Bösen. Ausgerechnet in diesen Kindern wird Satan handgreiflich. Aus der unschuldigen, schönen und braven Angel Blake wird ein skrupelloses Werkzeug des Teufels, während der gottesfürchtige Reverend feststellen muss, dass sein Glaube nichts gegen das Vorhaben Satans ausrichten kann.

Nicht nur der Bürgermeister spielt eine zwielichtige Rolle; auch der Richter kämpft gegen Satan nicht vor allem als Inkarnation des Bösen, sondern um seiner eigenen Macht willen. Die Doppelbödigkeit des Verhaltens der Obrigkeit wird bloss gestellt, und eigentlich ist es nur der junge Bauer Ralph, der sein gutes Herz bewahrt.

Zu den (grausigen) Höhepunkten des Films zählt sicherlich eine satanische Zeremonie, in deren Verlauf eine junge Frau dem Teufel geopfert wird. Obwohl der Richter und die Dorfbewohner wissen, das die Kinder „nur” verhext sind, bezeichnen sie sie als Hexen, die getötet werden müssten. Nicht Satan selbst steht mehr im Mittelpunkt, sondern die verhexten Kinder, die als das Böse ausgemacht werden. Das ändert sich erst im Showdown wieder, als der Teufel dann auch leibhaftig erscheint.

„Satan’s Skin” gehört also zu den besseren Vertretern dieses Subgenres des Horrorfilms. Nicht zuletzt die halb gruselige, halb verträumte Musik Marc Wilkinsons trägt dazu bei.

Ulrich Behrens

In den Krallen des Hexenjägers

England

1970

-

100 min.

Regie: Piers Haggard

Drehbuch: Piers Haggard, Robert Wynne-Simmons

Darsteller: Patrick Wymark, Linda Hayden, Barry Andrews

Produktion: Tony Tenser

Musik: Marc Wilkinson

Kamera: Dick Bush

Schnitt: Richard Best

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