Fluch der Karibik Was für ein Spass ...

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Sozusagen auf Anhieb eroberte Gore Verbinski mit seinem Piratenfilm die Charts. Piratenfilm – ja das ist „Fluch der Karibik“ auch und vor allem.

Jack Sparrow im Disneyland.
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Jack Sparrow im Disneyland. Foto: HarshLight (CC-BY 2.0 cropped)

30. Dezember 2022
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Doch der deutsche Verleihtitel verspricht einmal mehr etwas, was der Film nun gar nicht ist: Horror oder Thriller. Verbinski, der sich 2002 an dem Remake des japanischen Horrorfilms „Ringu“ versucht hatte, gelang mit „Pirates of the Caribbean: The Curse of the Black Pearl“ eine amüsante und kurzweilige Mixtur aus Komödie, Action und Abenteuer im klassischen Sinn, die übrigens auf einem erfolgreichen Event der Disney-Themenparks in Florida und Kalifornien basiert.

Captain Jack Sparrow (Johnny Depp) ist Pirat, Kapitän ohne Schiff und Mannschaft und – im wahrsten Sinn des Wortes – ein lustiger und luftiger Vogel. Mit seinen dunklen Augen im braungebrannten Gesicht, den Kopf eingehüllt in ein ur-echtes Piratentuch, bewaffnet mit einer Pistole, in der sich nur eine Kugel befindet, betritt er irgendwo in der Karibik eine britisch besetzte Insel, auf der Gouverneur Swann (Jonathan Pryce) samt bildschöner Tochter Elizabeth (Keira Knightley, bekannt aus „Bend It Like Beckham“) herrscht, bewacht von Soldaten unter Führung des äusserst britischen Offiziers Norrington (Jack Davenport). Sparrow ist ein ausgekochtes Schlitzohr mit menschlichem Antlitz. Und so rettet er zunächst einmal die unter ihrem Korsett leidende, weil ihr die Luft wegnehmende, Schönheit aus den Tiefen des Meeres. Zum Dank soll er am nächsten Galgen aufgeknüpft werden, denn die Briten kennen kein Pardon, was Piraten angeht, sind sie doch selbst die herrschende, noble und – wie sie meinen – einzig legitime Piratenclique auf Erden, genannt Commonwealth.

Sparrow wurde von Barbossa (Geoffrey Rush), der nun mit seinem Piratenschiff, der Black Pearl, die Weltmeere unsicher macht, kurzerhand gefangen genommen und auf einer unbewohnten Insel ausgesetzt. Doch Sparrow wäre nicht Sparrow, wenn er diese Schmach auf sich sitzen lassen würde – und wie es der Zufall will, entkommt er der Einsamkeit, angeblich, weil er zwei Schildkröten dazu missbrauchte, „Boot“ für ihn zu spielen, tatsächlich, weil ein paar Halunken, die Rum schmuggeln, ihn ein Stück des Weges mitnahmen.

Barbossa jedenfalls erscheint kurz nach Sparrows Einkerkerung mit seiner Crew und beschiesst die Engländer, was das Zeug hält. Er ist auf der Suche nach einer goldenen Medaille mit Totenkopf, der letzten, die er finden muss, um den Fluch, der auf ihm und seiner Mannschaft lastet, zu beenden. Barbossa hat nämlich einen Fehler begangen: Er plünderte einen alten Aztekenschatz, und der Fluch des ausgemerzten Volkes machte aus ihm und seinen Leuten Untote, die bei Licht wie normale Menschen aussehen, in der Nacht bei Mondlicht aber ihre wahre Gestalt offenbaren: Zombies.

Barbossa hat eine gute Nase. Denn das letzte Medaillon und dessen Besitzerin, deren Blut er benötigt, um dem zerfledderten Status ein Ende zu machen, findet er auf besagtem britischen Eiland: Elizabeth. Was er allerdings nicht weiss, ist, dass die Schönheit das Medaillon vor Jahren einem gewissen Will Turner (Orlando Bloom) abgenommen hat, als der als junger Bursche nach einem Piratenangriff von den Briten aus dem Wasser gefischt worden war. Sie wollte nicht, dass der Junge angesichts des Medaillons als Pirat verdächtigt wird. Turner schmiedet inzwischen Säbel und Degen und weiss von seiner Herkunft so gut wie nichts. Sparrow allerdings weiss Bescheid: Turners Vater war Pirat.

Und nun geht's erst richtig los. Sparrow bietet Turner an, die inzwischen von Barbossa entführte Elizabeth, die Turner natürlich liebt – vice versa –, zu befreien, wenn der ihn aus dem Gefängnis befreit. Gesagt, getan. Und nachdem beide Norrington an der Nase herumgeführt und ein britisches Schiff gekapert haben, nehmen sie die Verfolgung Barbossas auf ...

Hätte Verbinski das längst ad acta der Filmgeschichte gelegte Genre des Piratenfilms wiederaufleben lassen wollen, wäre „Fluch der Karibik“ ein glatter Flop geworden. Aber zum Glück aller Beteiligten hatte der Regisseur dies in keiner Weise im Sinn. Da jumpt kein Errol Flynn und auch kein Douglas Fairbanks mutig und ehrenvoll über die Weltmeere und schiesst sich den Weg frei, um Schätze anzuhäufen. Nein, Johnny Depp ist in Spiellaune (wie die meisten anderen auch) und kreiert einen ganz eigenwilligen Piraten, einen Outlaw zwischen Hippie des 18. Jahrhunderts, Schlitzohr und Clown, der mit einer guten Portion Intelligenz, Ironie und Humor natürlich vor allem an sich selbst denkt: an Rache und Wiedererlangung seiner Geliebten – nein, nicht einer Frau, sondern eines Schiffes, der Black Pearl. Depp zaubert einen lustigen Vogel auf die Leinwand, den man sich durchaus auch in anderen Zeiten vorstellen kann. Dadurch, dass auch Geoffrey Rush als Halunke Barbossa gut aufgelegt ist, Lebolas Orlando Bloom den wackeren Helden und Elizabeth Swann nicht nur die schöne, sondern auch mutige Gouverneurs-Tochter spielen, erhält die sich durch Slapstick, humorvolle Dialoge und Kampfgetümmel auszeichnende Piraten-Komödie ihren besonderen Reiz.

Durch die Zugabe zweier skurriler Zombie-Piraten – einer mit einem Holzauge, das dauernd herausfällt – und zwei entsprechender Soldaten, die den britischen Stolz nicht allzu sehr verinnerlicht haben, gewinnt das Piratenspektakel zusätzlich an Komik. Die Piraten, die als Untote zwischen Mensch und Leiche nicht sterben können, kämpfen sich wacker durch die Meere, und man könnte meinen, hier verfange sich der Film in unlogischen Handlungsabläufen, zumal an Schlachtgetümmel nicht gespart wird. Wozu um alles in der Welt duellieren sich Zombie-Piraten, wenn doch beide nicht sterben können? Aber solche Fragen an einen solchen Film zu stellen, ist sinnlos. Es geht nicht um logical lacks, sondern um Spass an der Freude.

Verbinski legte sehr viel Wert auf beeindruckende Bilder, ausgefeilte Degenkämpfe und vor allem Johnny Depp. Ohne ihn wäre der Film nicht halb so viel wert. „Fluch der Karibik“ ist ein ausgedehnter Spass, vielleicht ein wenig zu lang, und Verbinski verzichtet, was die Liebesgeschichte zwischen Turner und Elizabeth betrifft, auf sattsam bekannte Rührseligkeit. Selbst das Happyend ist äusserst knapp geraten, und das alles verschafft dem Film die nötige Verve und die verlangte Komik, um sich kurzweilig zu unterhalten. „Fluch der Karibik“ ist kein filmischer Durchbruch, aber ein Riesenspass. Was will man mehr?

Ulrich Behrens

Fluch der Karibik

USA

2003

-

143 min.

Regie: Gore Verbinski

Drehbuch: Ted Elliott, Terry Rossio, Stuart Beattie, Jay Wolpert

Darsteller: Johnny Depp, Orlando Bloom, Geoffrey Rush

Produktion: Clint Eastwood, Judie Hoyt, Robert Lorenz

Musik: Klaus Badelt

Kamera: Dariusz Wolski

Schnitt: Stephen E. Rivkin, Arthur Schmidt, Craig Wood