Rezension zum Film von Paolo Sorrentino Ewige Jugend
Kultur
Ein erstklassiges Ensemble, wunderbar pointierte Dialoge und gewohnt kunstvolle Kompositionen aus Bild und Musik machen „Ewige Jugend“ zu einer hervorragenden Tragikomödie, die einen mal wehmütigen, dann wieder spöttischen Blick auf das Leben und die Kunst wirft.


Die Schauspieler des Films «Ewige Jugend» bei der Präsentation in Cannes, Mai 2015. Foto: Georges Biard (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)
Die majestätischen Alpen im Hintergrund, weitläufige Wiesenlandschaften, der nicht enden wollende Himmel – die Naturaufnahmen von Ewige Jugend sind ein Fest fürs Auge. Und doch ist das neueste Werk von Paolo Sorrentino kein idyllischer Heimatfilm. Vielmehr sind sie die Kulisse, vor der sich Natürlichkeit und Künstlichkeit, gestern und heute, Leben und Tod zu einem einzigartigen Gemälde vermischen. Wie schon in seinem letzten Film, dem oscargekrönten La Grande Bellezza – Die grosse Schönheit, gelingt es dem italienischen Regisseur hier, geradezu magische Kompositionen aus Bildern und Musik zu kreieren, die für ihren Inhalt keine Sprache brauchen.
War es beim letzten Mal die Oberschicht Roms, die in ihrer grotesken Dekadenz vor laufender Kamera auseinandergenommen wurde, sind es dieses Mal die Gäste besagten Luxushotels. An Biss hat Sorrentino dadurch aber nicht verloren, er nutzt den begrenzten Handlungsort, um eine ganze Schar kurioser Gestalten aufeinander loszulassen, seltsame Eitelkeiten und Marotten zu karikieren. Dabei stehen diese nicht unbedingt im Vordergrund: Viele Figuren tauchen nur am Rand auf, fungieren als Running Gag, sind vielleicht sogar nur in einer Szene zu sehen. Mehr braucht es aber auch nicht, denn um vollwertige Charaktere geht es hierbei nicht. Dann schon eher um einen humorvollen Blick auf die Welt der Künstler – echter wie eingebildeter.
Anders als bei La Grande Bellezza belässt es der Italiener aber nicht bei kunstvollem Spott, sondern gibt seinen Figuren dieses Mal mehr Raum und Entwicklung. Immer wieder ist es die Vergangenheit, die ihren Weg in den Alltag und die Dialoge findet. Vergangenheit und Vergänglichkeit. Die Sehnsucht nach früher, nach Jugend, nach Schönheit. Bei allem Zynismus und bizarren Witz ist Ewige Jugend daher auch ein wehmütiger Film, vielleicht sogar ein trauriger Film. Ein Film über Kunst und persönlichen Ausdruck, über Wahrhaftigkeit und das Leben. Ein grossartiger und zugleich kleiner, leiser Film, der von einem erstklassigen Ensemble getragen wird.
Am prominentesten ist dabei natürlich das Duo Michael Caine und Harvey Keitel als alte Freunde, die den Urlaub zum Anlass nehmen, ihr langes Leben Revue passieren zu lassen, und sich dabei in wunderbar pointierten Dialogen die Bälle zuspielen. Dahinter versammeln sich zahlreiche weitere mal mehr, mal weniger bekannte Gesichter, darunter auch Jane Fonda in einem – leider viel zu kurzen – Auftritt als eigensinnige Schauspieldiva. Beim jährlichen Endspurt auf die Geldbeutel des Kinopublikums wird Ewige Jugend natürlich keine Chance haben, zu gross ist die Blockbusterkonkurrenz. Wer es aber gerne eine Spur kleiner hat und sich nicht an dem zuweilen sentimentalen Ton stört, der erlebt hier grosses Schauspielkino und einen der besten Filme dieses Jahres.
Ewige Jugend
Italien
2015
-118 min.
Regie: Paolo Sorrentino
Drehbuch: Paolo Sorrentino
Darsteller: Michael Caine, Harvey Keitel, Rachel Weisz
Produktion: Nicola Giuliano, Francesca Cima, Carlotta Calori
Musik: David Lang
Kamera: Luca Bigazzi
Schnitt: Cristiano Travaglioli
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