Dead Man Walking – Sein letzter Gang Sensibles Thema Todesstrafe

Kultur

„Dead Man Walking – Sein letzter Gang“ nimmt sich des schwierigen Themas der Todesstrafe an, wenn sich eine Nonne mit einem verurteilten Mörder auseinandersetzen muss.

Susan Sarandon, April 2007.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Susan Sarandon, April 2007. Foto: David Shankbone (CC-BY-SA 3.0 unported - cropped)

19. Januar 2024
1
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Das ist stark gespielt und über weite Strecken von viel Ambivalenz geprägt, erst zum Ende hin werden dies und die ansonsten nüchterne Annäherung aufgegeben.

Für die Justiz ist der Fall klar: Matthew Poncelet (Sean Penn) ist ein brutaler Mörder und Vergewaltiger, der zwei Menschenleben auf dem Gewissen hat. Dafür wurde er zum Tode verurteilt, seit sechs Jahren wartet er auf die Vollstreckung des Urteils. Als doch noch das Datum näher rückt und seine Zeit sich dem Ende neigt, wendet er sich an die Nonne Helen Prejean (Susan Sarandon).

Sie soll ihm beistehen, denn noch immer beteuert er seine Unschuld und versucht, eine Aussetzung des Urteils zu bewirken. Für Helen bedeutet dies absolutes Neuland, die Ordensschwester kümmert sich sonst um die Menschen in einer heruntergekommenen Gemeinde in New Orleans. Aber sie lässt sich darauf ein und versucht, unterstützt von dem Anwalt Hilton Barber (Robert Prosky), alles, um ihm zu helfen. Dabei macht er es ihr aber ziemlich schwierig …

Sensibles Thema Todesstrafe Als Schauspieler machte sich Tim Robbins schon in den 1980ern einen Namen, bevor er dann in den 1990ern mit Filmen wie The Player und Die Verurteilten dann endgültig den Durchbruch schaffte. Dabei zeigte er jedoch schon früh Interesse daran, auch hinter die Kamera zu treten und selbst zu inszenieren. Sein Debüt, die Satire Bob Roberts, ging dabei 1992 noch eher unter. Dafür gelang ihm mit seiner zweiten Regiearbeit Dead Man Walking – Sein letzter Gang ein Volltreffer.

Das Drama um eine Nonne, die sich mit einem zum Tode verurteilten Mörder auseinandersetzen muss, wurde von der Kritik begeistert aufgenommen. Und auch das Publikum macht den Film zu einem Erfolg. Mehr als 80 Millionen US-Dollar spielte dieser ein, mehr als das Siebenfache des Budgets.

Das ist vor allem deshalb bemerkenswert, weil das Thema nun wirklich keines ist, mit dem man den Massengeschmack trifft. Wer redet schon gern über die Todesstrafe? Das ist zwar für Grundsatzdiskussionen gut, aber nicht unbedingt Stoff für unterhaltsame Kinoabende. Diskutiert wird in Dead Man Walking – Sein letzter Gang dann auch eifrig. Es kommen sowohl Befürworter wie Gegner derselben zu Wort. Hierzulande ist das weniger vorstellbar, 1949 wurde das letzte Todesurteil vollstreckt. Zwar plädierten später noch Leute dafür, sie wiedereinzuführen, doch dies blieb ohne Folgen.

In den USA ist das komplizierter, da die Bundesstaaten das unterschiedlich handhaben. Und wie bei vielen anderen Streitthemen dort geht ein Riss durch die Gesellschaft, eine Annäherung ist nicht möglich. Das bekommt auch Schwester Prejean zu spüren, als sie sowohl mit dem Verurteilten wie auch den Eltern der Opfer spricht, was so nicht akzeptiert wird.

Die Suche nach Menschlichkeit

Robbins, der auch selbst das Drehbuch geschrieben hat, verzichtet dabei darauf, zu sehr für eine von beiden Seiten Partei ergreifen zu wollen. Er überlässt es lieber dem Publikum, durch die gelegentlichen Perspektivwechsel sich selbst ein Bild zu machen. Erst zum Ende hin bezieht der Film stärker Position. Ganz raushalten wollte sich Robbins, der ebenso wie seine damalige Partnerin Susan Sarandon politisch sehr aktiv war, wohl doch nicht. Überhaupt ist das Finale von Dead Man Walking – Sein letzter Gang der schwächste Teil des Dramas, wenn es seine ansonsten sehr nüchterne Art über Bord wirft und mit einer immer dominanter werdenden Musik arbeitet. Auch wenn das Ergebnis nicht so schlimm ist wie bei so manch anderem Beispiel: Da sollten die Zuschauer und Zuschauerinnen emotional genötigt werden.

Ansonsten ist das Werk aber sehr stark und auch bald drei Jahrzehnte später unbedingt sehenswert. Gerade die schauspielerische Klasse des Duos trägt dazu bei, dass Dead Man Walking – Sein letzter Gang Pflichtprogramm zu dem Thema ist. Sean Penn fordert das Publikum immer wieder heraus, sympathisch ist seine Figur sicherlich nicht. Er ist sexistisch, rassistisch, verhöhnt andere. Aber sollte das eine Rolle spielen bei der Beurteilung? Ihm gegenüber steht mit Sarandon jemand, der die Ambivalenz des Themas in all seinen Nuancen herausspielen kann. Die Ordensschwester ist selbst mit der Situation überfordert, will alles richtig machen, ohne zu wissen, was denn richtig ist. Dafür erhielt Sarandon verdient nach zuvor vier erfolglosen Anläufen doch noch den Oscar als beste Hauptdarstellerin. Ihr Auftritt ist ein Plädoyer, selbst in den schlimmsten Abgründen noch das Menschliche zu suchen – selbst wenn es schwerfällt.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Dead Man Walking – Sein letzter Gang

USA

1995

-

122 min.

Regie: Tim Robbins

Drehbuch: Tim Robbins

Darsteller: Sean Penn, Susan Sarandon, Robert Prosky

Produktion: Jon Kilik, Tim Robbins, Rudd Simmons

Musik: David Robbins

Kamera: Roger Deakins

Schnitt: Lisa Zeno Churgin, Ray Hubley

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.