Dawn of the Dead (2004) Furchtbar fürchterlich, aber auch komisch

Kultur

George Romeros Klassiker des Horrorfilms „Dawn of the Dead” (1978) setzte Massstäbe für das Genre.

Der US-amerikanische Schauspieler Ving Rhames spielt in dem Film die Rolle des Polizisten Kenneth.
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Der US-amerikanische Schauspieler Ving Rhames spielt in dem Film die Rolle des Polizisten Kenneth. Foto: Chris Yarzab (CC BY 2.0 cropped)

22. April 2022
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Darüber hinaus enthielt die Geschichte um die Zombies eine mehr oder weniger starke unterschwellige Kritik an einer überkommenen Gesellschaft. Auch wenn Romero sicherlich nicht davon ausging, dass die Vereinigten Staaten in absehbarer Zeit dem Untergang geweiht wären, kulminierte die Kritik an der „modernen” Gesellschaft doch darin, dass sie zwar weiter existieren werde, aber das, was sie als solches darstelle, letztendlich schon „tot” sei. Die Darstellung der verwaisten, verwüsteten Städte, der menschenleeren Landstriche und der Reste des Konsums, der Konsumgesellschaft, manifestiert in dem Kaufhaus, in dem sich ein paar Überlebende verschanzten, vermittelte ein Bild, bei dem es nicht mehr darauf ankam, ob dort noch Menschen existierten oder nicht.

Die Untoten sind letztlich in dem Rest dessen, was in ihrer Erinnerung übrig geblieben ist, nichts anderes als das Substrat einer vermassten, nur noch auf Konsum orientierten Gesellschaft, die nichts anderes mehr kennt. Die Untoten „vegetieren” zu einem einzigen Zweck: sich selbst über den ganzen Erdball auszudehnen. Der Biss in die überlebenden Menschen symbolisiert dabei sozusagen den Konsumtrieb in seiner primitivsten Form.

Kaum jemand wird an die Vorstellung glauben, dass sich eine Gesellschaft selbst sozusagen „an die Wand fahren” kann. Romero hat dieser Vorstellung in „Dawn of the Dead” ein erschreckendes Bild gegeben.

Aber Romeros apokalyptische Vision geht über ein solches Untergangsszenario hinaus, wenn er nämlich am Schluss zwei Personen überleben lässt: einen Mann und eine Frau, also die Grundvoraussetzung für eine neue Gesellschaft und ihre Reproduktion. Die Zivilisation wird auf ihre Ursprünge zurückgeworfen – und zwar zunächst einmal durch die Untoten, die Reste der Erinnerung an die Konsumgesellschaft, die durch ihr „primitives” Verhalten ganz unbewusst, ja geradezu in dem letzten Rest Dumpfheit, der ihnen geblieben ist, deutlich machen, dass ein Leben in einer solchen Gesellschaft wertlos geworden ist. Sie beissen sich an den letzten Menschen fest, als ob sie sagen wollten: Vergesst es. Es gibt kein Zurück. Es gibt nur zwei Möglichkeiten. Entweder ihr werdet wie wir oder es gelingt euch, zu entkommen und von vorne anzufangen. Der ganze Tand, den ihr angehäuft habt, ist wertlos angesichts des Todes.

Das Paar, das am Schluss bleibt, ist die letzte Hoffnung. Romero muss natürlich offen lassen, was die beiden jetzt anfangen. Doch klar ist: Sie können nicht da anfangen, wo sie aufgehört haben.

Irgendwann musste es kommen – das Remake dieses Films. Und Zack Snyder, ein Werbe- und Videoclipfilmer, unternahm 2004 den Versuch, indem er – in den Eckpunkten der Handlung Romero weitgehend folgend – die Geschichte neu erzählte. Dabei macht bereits die Anfangsszene deutlich, dass die Fahrt in eine doch etwas andere Richtung gehen soll – sowohl erzählerisch, als auch erzähltechnisch, als auch stilistisch, als auch in der Darstellung der Untoten selbst.

Die Anfangsszenerie ist gespenstisch und vermittelt schnell und unbarmherzig das Bild einer immens gefährdeten, zur Selbstverteidigung fast unfähigen Gesellschaft. Aus hübsch-hässlichen Vorgärten und Reihenhäusern, sauberen Strassen und ebenso sauberen Menschen wird in Minuten ein Bild der Verwüstung, des Todes und des Horrors gegenüber etwas, was die Überlebenden nicht begreifen können. Eine Krankenschwester namens Ana (Sarah Polley) kommt von der Schicht nach Hause zu ihrem Mann. Und in Sekunden verwandelt er sich durch ein ins Haus eingedrungenes Nachbarskind am nächsten Morgen zu einem aggressiven, fratzenhaften Monster, das nur noch eines kennt: alle beissen, die noch nicht zu den Zombies gehören. Die Kamera zeigt aus der Luft eine Vorstadt, die aussieht, als wenn ein Terroranschlag über sie gekommen ist. Ana bleibt nur noch die Flucht im eigenen Pkw, vorbei an Nachbarn und anderen, die zu Untoten mutiert sind, und wenigen Menschen, die in Angst und Schrecken um ihr Leben kämpfen und vergeblich um Hilfe schreien.

Wohin fliehen? Die Gedanken konzentrieren sich nur auf diese Frage: wohin, um dem Schrecken zu entkommen, für den niemand, auch die klugen Leute nicht, die über die verbliebenden Fernsehsender ihre Spekulationen preisgeben, eine Erklärung parat hat. Ana trifft auf Michael (Jake Weber), den Cop Kenneth (Ving Rhames), den jungen Andre (Mekhi Pfeifer) und dessen schwangere Frau Luda (Inna Korobkina), und da kein anderer Fluchtweg greifbar scheint, flieht man in den nahe gelegenen, von Menschen längst verlassenen Konsumtempel, in dem nur noch die Waren und die Kaufhausmusik daran erinnern, was hier einmal war.

Dort scheint man relativ sicher, da das Kaufhaus mit Sicherheitsglas abgesichert ist. Doch andere Probleme tauchen auf, als die fünf auf drei bewaffnete Security-Männer treffen. Und deren Anführer CJ (Michael Kelly) verlangt, das die vier ihre Waffen abgeben, wenn sie bleiben wollen. Es kommt zu Spannungen zwischen beiden Gruppen.

Auch wenn später noch andere überlebende Menschen mit einem Lkw dort eintreffen, ist doch klar, wie der Hase jetzt läuft: Einer nach dem anderen wird Opfer der Untoten – bis schliesslich eine rettende Idee den verbleibenden Menschen die lebenserhaltende Flucht zu garantieren scheint ...

Zweifellos nimmt Snyder seine Sache nicht bierernst. Nach einer der zahlreichen Zerfleischungsszenen lässt er beispielsweise einen Song spielen, der mit den Worten beginnt „Oh, shit”. Überhaupt trägt die rasante Musik des Films dazu bei, die Gefahrensituationen stets aufs Neue aufzulockern. Vieles, wenn auch nicht alles, löst Snyder in Komik auf. Aber trotz alldem und trotz der modernen Technik, die es ihm ermöglicht, Zombiemassenszenen ebenso beeindruckend, ja manchmal geradezu überwältigend ins Bild zu setzen, wie den Kampf der Überlebenden gegen die tödliche Gefahr oder einzelne Zombies, geht die Fahrt in eine deutlich andere Richtung als bei Romero. Auch bei Snyder sind die Vorgärten und Einfamilienhäuser zerstört, die Gegend ist menschenleer und von Untoten übervölkert. Und doch ähnelt die ganze Szenerie eher einer Situation, in der ein ausserirdischer oder auch irdischer, überdimensionaler Terrorangriff die USA heimgesucht hätte. Nicht dass Snyder dies unbedingt beabsichtigt hätte. Aber die gesellschaftskritische Komponente von Romeros „Dawn of the Dead” ist in Snyders Inszenierung des Stoffs kaum vorhanden.

Im Vordergrund steht die grässliche Angstsituation ca. eines Dutzend von Überlebenden im Kaufhaus – also eine Panic-Room-Atmosphäre. Verstärkt wird diese Grundstimmung noch durch die deutlich andere Darstellung der Untoten. Während die Zombies bei Romero eher verhalten, langsam und wesentlich weniger aggressiv daherkamen, zeichnet sie Snyder als extrem aggressionslüsterne, auch in ihrem Äusseren wesentlich blutrünstigere Gestalten, die noch dazu in erheblich höheren „Stückzahlen” auftreten. In einer Szene sieht man vor dem Konsumtempel kurz vor der Flucht der Menschen gar Tausende von eng zusammengedrängten Zombies – gleichsam eine Massendemonstration des Weltuntergangs.

In dieser Hinsicht hat Snyders Film eher Gemeinsamkeiten mit Filmen, in denen Riesenspinnen Menschen den Garaus machen wollen, denn mit Romeros Original.

Was die Schauspieler angeht, kann man getrost schlussfolgern, dass sie ihre Sache ernst genommen haben. Die Charaktere sind durchaus glaubwürdig, ihre Mentalitäten durchaus unterschiedlich, was nicht zuletzt auch wesentlich zur immer vorhandenen Spannung des Films beiträgt.

Nach dem Ende des Films geht Snyder dazu über, durch zwischen den Abspann einmontierte Sekundenbilder mit der Handkamera, die in ihrer Art sehr stark an „Blair Witch Project” erinnern, die Frage völlig offen zu lassen, was mit den Überlebenden wohl passieren wird.

Insgesamt fehlt dem Film zwar die kritische Komponente des Originals. Aber dennoch ist Snyder ein durchaus spannender, stilistisch und technisch exzellent inszenierter Streifen gelungen, den es sich lohnt, auch mehrmals anzusehen. Es macht einfach Spass.

Ulrich Behrens

Dawn of the Dead (2004)

USA

2004

-

105 min.

Regie: Zack Snyder

Drehbuch: James Gunn

Darsteller: Sarah Polley, Ving Rhames, Jake Weber

Produktion: Marc Abraham, Eric Newman, Richard P. Rubinstein

Musik: Tyler Bates, Tree Adams

Kamera: Matthew F. Leonetti

Schnitt: Niven Howie