Das Schloss Wozu das Ganze?

Kultur

Michael Hanekes Adaption von Franz Kafkas Romanfragment behält typische Charakteristiken früherer Filme des Österreichers bei, ohne aber vergleichbar wirkungsvoll zu werden. „Das Schloss“ über einen vergeblich umherirrenden Landvermesser mag eisig und düster sein, lässt einen selbst aber ungewohnt kalt.

Schloss Friedland i. Böhmen galt als Vorlage für Kafkas Roman «Das Schloss».
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Schloss Friedland i. Böhmen galt als Vorlage für Kafkas Roman «Das Schloss». Foto: Robert J. Weber (PD)

7. Januar 2020
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Eigentlich war der Landvermesser K. (Ulrich Mühe) vom Schloss dazu auserkoren, in dem Dorf seinen Dienst anzutreten. Nur muss dabei vergessen worden sein, den Leuten vor Ort auch Bescheid zu geben. Also heisst es erst einmal auf der Ofenbank in der Wirtsstube zu nächtigen und darauf zu warten, dass seine beiden Gehilfen (Frank Giering, Felix Eitner) mit der Ausrüstung nachkommen. Doch das klappt alles nicht so wie geplant. Erst tauchen die beiden ohne jegliche Gerätschaften auf, dann stellen sie sich als komplett unfähig heraus. Und als K. versucht, auf eigene Faust zum Schloss zu kommen, muss er feststellen, dass das alles nicht so einfach ist …

Zwei Pessimisten unter sich

Michael Haneke verfilmt ein Buch von Franz Kafka, das ist eine Kombination, die einem nicht unbedingt als erstes einfallen würde. Die einem irgendwie seltsam erscheint, gleichzeitig aber einleuchtet. Als sich der Regisseur vor etwas mehr als zwanzig Jahren für das Fernsehen des Romanfragments Das Schloss annahm, war er zumindest in Arthouse-Kreisen längst etabliert. Vielleicht auch ein bisschen gefürchtet. Ob nun die auseinanderbrechende Familie in Der siebente Kontinent oder die teilnahmslose Gewaltfaszination in Benny's Video, immer zeigte er Individuen, die ihren Zugang zu der Welt verloren haben.

Das ist in den Werken von Kafka natürlich ähnlich. Dort verschwinden aber die Figuren selbst ganz gerne mal, tragen wie K. keinen Namen, sind wenig greifbar. Verstärkt wird dies dadurch, dass die Bücher Kafkas immer irgendwie unvollendet sind, als würde da etwas Entscheidendes fehlen, von dem wir aber nicht wissen, was es ist. Und natürlich verbinden wir die Texte des deutschsprachigen Literaten gerne mit absurden bis surrealen Situationen, anders als Haneke, der so sehr Teil einer unaussprechlichen Realität ist, dass einem angst und bange wird. Gerade seine dokumentarisch anmutende Herangehensweise, beispielsweise durch den Verzicht auf Musik, gibt einem das Gefühl, wirklich in unserer Welt unterwegs zu sein, selbst wenn wir diese nicht verstehen.

Das gilt dann auch für Das Schloss. Warum K. es einfach nicht zum Schluss schafft, bleibt ein ebenso grosses Geheimnis wie das Verhalten der Leute. Warum wurde K. engagiert, wenn niemand daran Interesse hat? Wieso haben die alle so komische, willkürliche Regeln? Während sich die berühmte Szene in Asterix erobert Rom, wenn die Jagd nach einem Formular eine komplette Behörde in den Wahnsinn treibt, über diese Willkürlichkeit lustig macht, ist sie hier Anlass zur Apathie. Hier nicht von der Stelle zu kommen, führt zu Ratlosigkeit, führt zu Frust, irgendwann auch zu Langeweile. Wenn es nicht vorangeht, warum dann überhaupt weitermachen? Anders als der unglückselige Protagonist, der in der Situation gefangen ist, bleibt man selbst so weit aussen vor, dass das Abschalten immer eine verführerische Option ist.

Haneke behält in dem Film die Kälte seiner vorangegangenen Werke bei, die Strenge und das Alltägliche. Und doch ist Das Schloss sehr viel weniger wirksam als die anderen Titel des Österreichers. Was hier geschieht, geht einem nicht vergleichbar durch Mark und Bein. Man hat auch nicht das Gefühl, etwas über die Gesellschaft zu lernen, anders als bei den anderen frostigen Dramen. Zum Teil ist das vielleicht auch der Laufzeit geschuldet: Mehr als zwei Stunden ist das Labyrinth lang, zu viel angesichts der Ereignislosigkeit. Während man in dem Buch noch sehr gut verlorengehen konnte, geht hier eher das Interesse verloren, man fühlt sich einfach nicht vergleichbar ausgeliefert. Seine Momente hat die Adaption, welche auf der Berlinale 1997 Premiere hatte, durchaus, dazu einige düstere Bilder. Es sind nur nicht genug, um aus der Geschichte des fremden Landvermessers mehr als ein Experiment zu machen.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Das Schloss

Österreich

1997

-

123 min.

Regie: Michael Haneke

Drehbuch: Michael Haneke

Darsteller: Ulrich Mühe, Susanne Lothar, Frank Giering

Produktion: Veit Heiduschka, Christina Undritz

Kamera: Jiří Štíbr, Heinz Mensik, Marcus Knaus, Marcus Kanter

Schnitt: Andreas Prochaska, Daniela Hoffmann

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.