Black Hawk Down Die Macht der Bilder, die Verblendung des Krieges

Kultur

Wer über den Krieg reden will, darf nicht darüber schweigen, wie er zustande kommt.

Mogadischu während des Uno-Einsatzes, 1992.
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Mogadischu während des Uno-Einsatzes, 1992. Foto: CT Snow (CC BY 2.0 cropped)

17. März 2021
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„Ehrlich gesagt, diese Welt nach dem
11. September verwirrt mich sehr.
Der Benzinpreis in den USA ist gesunken.
Warum? Und diese Differenz im Preis
zwischen Amerika und Europa!
Ich habe einen Porsche, den zu füllen
mich in London 51 Pfund kostet –
und in Los Angeles nur 39 Dollar!“
(Ridley Scott) (1)

„Wir hatten keinerlei Ölinteressen,
sonstige Geschäfts- oder politische
Interessen. Der Auslöser [für den
Eingriff in Mogadischu] war letztlich
das Titelbild eines Nachrichtenmagazins,
das ein verhungerndes, sterbendes
somalisches Kind zeigte“.
(Jerry Bruckheimer) (1)

Es gibt politische Abenteurer, von ökonomischen Interessen geleitete Hasardeure und verlogene Filmemacher. Ihnen gemeinsam ist, dass sie skrupellos sind. Leider gibt es auch Menschen, die Mr. Bruckheimer glauben werden, dass das Bild eines sterbenden Kindes in Somalia die damaligen Präsidenten Bush Sr. bzw. Clinton dazu bewegt hätten, in Somalia einzugreifen. Der Kriegsfotograf James Nachtwey (und nicht nur er) liefert solche Fotos seit Jahren aus allen Kriegs- und Krisenregionen unserer Welt („War Photographer“, Schweiz 2002), z.B. aus Indonesien.

Dieses Land jedoch ist für die USA strategisch äusserst wichtig, und die Regierung wird den Teufel tun, dort zu intervenieren (ebensowenig wie jahrelang in Ost-Timor). Darum haben sich US-Administration und andere Regierungen der nördlichen Hemisphäre bisher herzlich wenig geschert. Es wird auch Menschen geben, die Scott abnehmen, es gebe irgendeine militärische Operation der USA (oder auch anderer Weltmächte oder solcher, die es sein möchten), bei denen strategische, politische oder ökonomische Interessen keine Rolle spielen würden.

Trotzdem!! Es bleibt die Frage, ob die Welt zuschauen soll, wenn in einem Land 300.000 Menschen den Hungertod sterben und dafür skrupellose, rivalisierende Banden – wie 1993 in Somalia – zumindest mitverantwortlich sind. Meine Antwort ist unumwunden: Nein! Aber die weiterhin umstrittene, so gut wie völlig ungelöste Frage ist: WIE? Diese Frage stellte sich in Ex-Jugoslawien, in Afghanistan und im Irak.

Um es vorwegzunehmen: „Black Hawk Down“ ist kein Beitrag zu einer vernünftigen Antwort auf solche Probleme. Im Gegenteil: Es ist (wieder einmal) einer jener Filme, die mehr verkleistern als aufbrechen.

Die Mission der UNO 1993, die Lebensmittelversorgung der somalischen Bevölkerung durch Friedenstruppen zu sichern, scheint gescheitert. Rivalisierende somalische Clans machen eine funktionierende Verwaltung im Land unmöglich. Mohammed Farrah Aidid, einer der Clanführer, beherrscht Mogadischu und fängt die Lebensmittellieferungen ab. Dabei schreckt er auch nicht davor zurück, auf hungernde Menschen zu schiessen.

Durch einen somalischen Gewährsmann erfährt General Garrisson (Sam Shepard) von der Anwesenheit hochrangiger Offiziere und Vertrauter Aidids in einem Gebäude der Stadt. Garrisson plant, diese Leute durch mit Bodentruppen und Hubschraubern agierende Spezialeinheiten gefangen zu nehmen und zur US-Basis ausserhalb Mogadischus zu bringen. Die Aktion soll nicht länger als eine halbe Stunde dauern: 19 Flugzeuge, 12 Fahrzeuge und 160 Mann werden in Bewegung gesetzt. Kurz nach Beginn der Operation stürzt ein Ranger aus dem Hubschrauber. Die erforderlich gewordene Rettungsaktion und die Angriffe der Männer Aidids verzögern die Abfahrt des Konvois, in dem sich die inzwischen gefangen genommenen Anhänger Aidids befinden. Als dann einer der Black Hawks noch von einer Granate getroffen wird und abstürzt, gerät die Mission insgesamt in Gefahr. Später stürzt noch ein weiterer Hubschrauber ab.

Garrisson verfolgt dies alles über Video. Ein Rettungstrupp wird zusammengestellt. Der Konvoi irrt derweil durch die Strassen der Stadt. Die Somalier scheinen immer mehr zu werden. Es brechen heftige Strassengefechte aus. Schliesslich ist Garrisson gezwungen, Hilfe der UN-Truppen anzufordern. Dazu gehören pakistanische Panzer und malaysische Panzerfahrzeuge. Garrisson gibt zudem den Befehl, dass kein US-Soldat, tot oder lebendig, zurückgelassen werden darf.

Schliesslich können sich die Soldaten, Fahrzeuge und Panzer in ein Sportstadium retten.

Bilanz: 18 tote amerikanische Soldaten, 73 verwundete, 500 bis 1.000 tote Somalis.

Was habe ich nicht alles an Positivem über diesen Film gelesen: Es sei ein Anti-Kriegs-Film, Ridleys Erzählkunst und Bruckheimers Talent für Mainstream-Action hätten sich zu einer gloriosen Symbiose vereinigt. Der (zweifellos) gekonnte „Realismus“ der Kampfhandlungen – die gut zwei Stunden der 142 Minuten des Films einnehmen – würde wohl jeden zum Kriegsgegner wandeln. Scott zeige auch (!) die somalische Bevölkerung und die kämpfenden somalischen Soldaten (tatsächlich zeigt er einen Mann, der mit einem toten Kind auf dem Arm über die Strasse geht, eine Frau, die ihre Arme schützend um ihre Kinder breitet und die wie Fliegen umfallenden somalischen Kämpfer), was wohl heissen soll, er sei nicht „einseitig“. Und so weiter und so fort.

Was zeigt Scott nun wirklich? Zunächst einmal: Die Bilder des Kriegsgeschehens sind insofern realistisch, als Scott und sein Kameramann Idziak (übrigens zur Musik von Hans Zimmer, der an einer Stelle ausgerechnet Jimi Hendrix „Voodoo Child“ laufen lässt) alle Raffinessen moderner Technik walten lassen, um die Strassenkämpfe, Hubschrauberabstürze usw. „authentisch“ wirken zu lassen. Doch diese Art von Realismus ist nicht realistischer als eine Liebesszene, in der X und Y sich „perfekt“ küssen. Die Frage, ob ein solcher „authentisch“ wirkender Kuss dem Betrachter auch als Ausdruck von Zuneigung erscheint, ist eine ganz andere Frage. Und hier genau verkleistern die Bilder von „Black Hawk Down“, sie schwindeln und betrügen.

Die Inszenierung teilt sich klar in drei Teile. Rechtfertigung des Einsatzes (300.000 Menschen Opfer eines Genozids) und Gedanken einzelner Soldaten angesichts des bevorstehenden Einsatzes, Kriegsgeschehen samt Schilderung der Eindrücke einzelner Soldaten, Schlusspointe Sgt. Eversmanns (Josh Hartnett, kriegserfahren schon in „Pearl Harbor“). Diese Art der Inszenierung verdeutlicht auf jeden Fall eines: Die Geschichte, die Umstände, die zu der damaligen Situation in Somalia geführt haben, bleiben ausgespart – und zwar restlos. Scott selbst hat dies in dem oben zitierten Interview unfreiwillig offenbart: „Es geht um US-Interventionen im Ausland, bei denen Amerikaner die Führungsrolle übernehmen, und die alte Auffassung, dabei handle es sich um Chauvinismus. Ich frage dann immer meine Befrager: 'Wissen Sie etwas über Somalia im Jahre 1993?' und sie sagen: 'Nein.'“

Dieses von Scott gemeinte „Wissen“ über Somalia im Jahr 1993 ist der Punkt. Denn das „Wissen“, das der Film vermittelt, besteht in dem Ergebnis (!) eines komplizierten historischen Prozesses, und resultiert nicht aus einer Reflexion dieses Prozesses selbst. Ähnlich wie in „Pearl Harbor“ wird ein Ereignis aus seinem historischen Kontext gelöst, gerissen kann man schon sagen, und zum Anlass genommen, um (hier) einen Kriegseinsatz zu rechtfertigen. „300.000 Menschen sind hier getötet worden. Das ist kein Krieg, das ist Völkermord“, sagt General Garrison gegenüber einem somalischen Waffenschieber. Recht hat er. Nur wer mit welchen Anteilen für diesen Völkermord verantwortlich ist, damit beschäftigt sich Scott nicht.

Wir wissen alle oder können es jedenfalls wissen, dass die Verhältnisse in vielen afrikanischen, lateinamerikanischen und asiatischen Ländern nicht allein auf das Treiben örtlicher politisch rivalisierender, korrupter oder undemokratischer Regime zurückzuführen ist, sondern auch Ergebnis eines langen kolonialistischen und neo-kolonialistischen Prozesses sind. In den 70er Jahren schlachtete ein Idi Amin in Uganda Zehntausende von Landsleuten ab. Solche Figuren wie Amin sind keine „rein“ afrikanischen Produkte. Auch Mugabe, der in Zimbabwe eine Clan-Herrschaft aufgebaut hat, und inzwischen durch Korruption und Gewalt über das Land herrscht, ist stark geprägt durch europäische Einflüsse.

Die Politik dieser Regimes war nur möglich aufgrund der zivilisatorischen Hinterlassenschaften der europäischen Kolonialmächte und setzt sich fort in der modernen Politik der strategischen Interessen, auch und vor allem der USA, die z.B. Aidid vor 1993 Waffen lieferten, und deren Regierung von den Ölfirmen im eigenen Land aufgefordert wurde, die Ölanlagen in Somalia militärisch zu schützen. Was würde Präsident Bush ein Saddam Hussein interessieren, wenn der nicht einer der Hauptlieferanten des schwarzen Goldes wäre und der Irak eine geostrategisch bedeutende Lage hätte? Genauso wenig wie Tibet, dessen Bevölkerung unter der chinesischen Okkupation seit Jahrzehnten zu leiden hat, genauso wenig wie jahrezehntelang die Bevölkerung des kleinen Ost-Timor, die nach dem Ende der Kolonialzeit von Indonesien drangsaliert wurde. Die Beispiele liessen sich fortsetzen.

Filme können nie vollständig historische Zusammenhänge aufzeigen oder klären. Aber es gibt ausreichend Möglichkeiten, diese Kontexte in die Inszenierung aufzunehmen.

Scott und Bruckheimer sind sich nicht zu schade, derartige Zusammenhänge in einer Weise auszublenden, die – vor allem in Relation zu den überschwänglich auf das Publikum herabstürzenden Kriegsbildern – die Grenze zur Geschichtsfälschung überschreiten. Die Aussage des Films: Der Einsatz war sinnlos, unüberlegt, ist keine Aussage gegen den Krieg – zumal zumindest ein Ziel der Aktion, die Gefangennahme der somalischen Gefolgsleute Aidids, ja erreicht wurde.

Der Film beginnt mit einer landsermässigen Schilderung der Ängste und „Romantik“ im US-Camp: Die üblichen Jokes, der übliche Galgenhumor wechselt mit (dramaturgisch gesehen) vorgetäuschten Ängsten und einem Josh Hartnett, der „einfach nur helfen“ will. Die US-Soldaten vermitteln eher das Bild einer Truppe auf dem Weg zum Adventure-Urlaub, die Charaktere sind nur vordergründig gezeichnet. Dann wird das Kampfgeschehen eingeleitet: „Wenn dir die erste Kugel um die Ohren fliegt, kümmert dich Politik einen Dreck!“ Genau das ist das Motto des Films. Nach dem Totschlagsargument der 300.000 verhungerten Somalier, mit dem sozusagen alles und nichts (hier: alles) gerechtfertigt werden kann, legt man die Politik (und meist auch das Denken) beiseite.

Es bleibt nichts weiter als Kampf. Zwei Stunden schleust uns Scott durch diesen Kampf, bei dem es nicht die Bohne darauf ankommt, ob er in Somalia oder sonst wo stattfindet. Die Perfektion in der Inszenierung des Kampfgeschehens, die „Echtheit“, die „Authentizität“ des Geschehens – das ist eine Erfahrung, die man schon bei „Pearl Harbor“ machen konnte – führt eben nicht zum Grauen. Im Gegenteil: Sie offenbart die Macht der Bilder, von der wir uns beeindrucken lassen, als würde dort etwas gezeigt, was 1:1 „so sei“, als ob Bild und Realität kongruent seien. Das Eintrüben der Bilder in das „moderne“ leichte Blau verstärkt noch die Künstlichkeit dieser Welt der Bilder, die uns Realität vorgaukeln.

Und Josh Hartnett – konsequent – liefert am Ende die Moral. Er steht vor einem toten Kameraden und erzählt, er sei gefragt worden, ob er sich als Held gefühlt habe, ob er ein Held werden wollte. Nein, er habe nicht gekämpft, um ein Held zu werden, aber manchmal ergebe das die Situation.

Ich muss gestehen, dass mich dieses Kunstwerk an sauber, perfekt inszeniertem Krieg keine Minute lang berührt hat. Verstärkt wurde meine Emotionslosigkeit noch durch die Art und Weise, wie gesichtslos die Soldaten dargestellt und wie anonym – trotz der Nähe am Geschehen – das Töten und Sterben blieb. In einer Szene stirbt ein junger Mann, der eine stark blutende Wunde am Bein hat. Eversmann und ein anderer Soldat drücken auf die Wunde, versuchen alles mögliche, aber es nutzt nichts. Das alles liess mich ziemlich kalt. Ich würde sogar so weit gehen zu behaupten, dass diese schier endlose Aneinanderreihung von Kriegsgetümmel, Schiessereien usw. auf Dauer abstumpft.

Identifikationsmöglichkeiten fehlen völlig. Die Bilder, in denen Soldaten Fotos ihrer Familien in der Hand halten, diese Bilder (mehr als oft in anderen Filmen eingesetzt) sind inzwischen so abgegriffen, in ihrer Wirkung „vergilbt“, dass das manchmal schon lächerlich erscheint. Und nicht zuletzt wirkt Sam Shepard als General am Bildschirm wie ein Video-Game-spielender Zivilist im Soldatenrock, der sein Spiel verliert.

Tatsächlich ist dies mein Gesamteindruck von „Black Hawk Down“: eine Art Kriegs-Video-Game des Kinos, leblos, gefühllos, technisch, gesichtslos und durch das völlige Ausblenden der politischen Hintergründe zudem geschichtslos. Im Unterschied z.B. zu „Wir waren Helden“ verzichtet Scott weitgehend auf verbalen Patriotismus und heldenhaftes Getue. Das benötigt er nicht. Das kunstvoll, wie ein Gemälde inszenierte Kriegsgeschehen selbst wird zu einer kalten patriotischen – wenn in diesem Fall auch wegen des Misserfolgs für die Einheiten mit teilweise negativem Ergebnis ausgehenden – Schlacht erkoren.

Schliesslich: Ja, die somalischen Kämpfer Aidids und die Bevölkerung werden gezeigt. Aber nicht um ihrer selbst willen, sondern nur zur Rechtfertigung des Geschehens und auch des Films.

Wer über den Krieg reden will, darf nicht darüber schweigen, wie er zustande kommt. In vielen (Anti-)Kriegsfilmen wird der Krieg als eine Art isoliertes Ereignis behandelt, als deus ex machina, als Ausnahmeerscheinung par excellence. Ganz anders als „Full Metal Jacket“ oder „Wege zum Ruhm“ von Kubrick oder auch „Platoon“ von Oliver Stone gehört „Black Hawk Down“ zu jener Sorte moderner amerikanischer Kriegsfilme, die sich vor allem durch Ausblenden der Zusammenhänge hier, Fokussierung auf das Kriegsgeschehen dort auszeichnen. Als ob man Krieg auf Schlachten und Abschlachten reduzieren könnte. Diese filmische Reduktion aber macht mir immer wieder deutlich, wie mächtig Bilder sein können, wenn man sie nicht auseinander nimmt, zerlegt – und reflektiert, was einem da eigentlich vorgesetzt wird.

Ulrich Behrens

(1) Interview mit Scott und Bruckheimer in: „Die Welt“

Black Hawk Down

USA

2001

-

143 min.

Regie: Ridley Scott

Drehbuch: Ken Nolan

Darsteller: Josh Hartnett, Eric Bana, Tom Sizemore

Produktion: Jerry Bruckheimer, Ridley Scott

Musik: Hans Zimmer

Kamera: Sławomir Idziak

Schnitt: Pietro Scalia