UB-Logo Online MagazinUntergrund-Blättle

Auf der Suche nach Ingmar Bergman | Untergrund-Blättle

6751

Auf der Suche nach Ingmar Bergman Viele Anekdoten, wenig Relevanz

Kultur

„Auf der Suche nach Ingmar Bergman“ erinnert sich anlässlich des nahenden 100. Geburtstages von Bergman an den grossen schwedischen Regisseur.

Der schwedische Meisterregisseur Ingmar Bergman wärend den Dreharbeiten zum Film «Das Schweigen», 1963.
Mehr Artikel
Mehr Artikel

Der schwedische Meisterregisseur Ingmar Bergman wärend den Dreharbeiten zum Film «Das Schweigen», 1963. Foto: Unknown author (PD)

15. Januar 2022
1
0
4 min.
Drucken
Korrektur
Der Dokumentarfilm schafft es aber nur selten, sich dem Menschen wirklich anzunähern, ist zu oft reine Ehrerbietung, die zudem unter der mangelnden Distanz und einer zu grossen Selbstdarstellung leidet.

In Cannes war es, das Ingmar Bergman 1997 als bester Filmregisseur aller Zeiten gewürdigt wurde. Damals war der schwedische Filmemacher natürlich schon ein Urgestein gewesen. Und ein Dauergast beim prestigeträchtigen Filmfestival: Eine Reihe von Preisen hatte er an der Croisette erhalten, vor allem in den späten 1950ern. Insofern wundert es dann auch nicht, dass in Cannes anlässlich des nahenden 100. Geburtstages des Künstlers gleich zwei Dokumentationen ihre Weltpremiere feierten. Während die schwedische Produktion Bergman – A Year in Life derzeit noch ohne offiziellen deutschen Kinostart ist, nähert sich Auf der Suche nach Ingmar Bergman nach einer kurzen Stippvisite beim Filmfest München 2018 bereits den hiesigen Leinwänden mit grossen Schritten.

Dass dieser Dokumentarfilm den Vorzug erhielt, dürfte zwei Gründe haben. Zum einen handelt es sich bei Auf der Suche nach Ingmar Bergman um ein Werk der deutschen Regieveteranin Margarethe von Trotta. Und wer würde ihr das hiesige Kino vorenthalten wollen? Es liegt aber auch am Inhalt. Anders als bei den schwedischen Kollegen, die sich durchaus kritisch und kontrovers mit ihrem Thema auseinandersetzten, mag es von Trotta gern etwas gediegener. Netter. Ein freundlicher Plausch unter Freunden.

Ich und mein Projekt

Als von Trotta von den Hintergründen des Projekts erzählt, gibt sie an, zunächst Zweifel gehabt zu haben. Zweifel, die sich erst dann zerstreuten, als sie sich daran erinnert, dass Bergman einst einen Film von ihr als wichtig erachtete. Dass Regisseure eines Dokumentarfilms über sich sprechen, das ist eher selten. Augenblicke: Gesichter einer Reise war kürzlich eine solche Ausnahme. Nur könnten die Werke unterschiedlicher kaum sein. Agnès Varda und JR waren dort von ihrem Thema kaum zu trennen, da es hier um die persönliche Begegnung ging. Sie waren das Projekt.

Hier ist diese Zuschaustellung jedoch befremdlich. An vielen Stellen entsteht der Eindruck, dass von Trotta die Beschäftigung mit dem grossen schwedischen Kollegen als Bühne für sich selbst missbraucht. Immer wieder mischt sich die Regisseurin in die Interviews ein, lässt sich filmen, taucht nicht nur als Fragestellerin auf, sondern gibt auch Antworten vor. Der übliche Anspruch von Dokumentarfilmern, hinter ihrem Thema zu verschwinden und eine Distanz zwischen sich und dem Inhalt zu bewahren, von Trotta interessiert das nicht.

Viele Anekdoten, wenig Relevanz

Die grosse Regisseurin, die sich zuletzt mit dem katastrophalen Die abhandene Welt und dem schrecklich banalen Forget About Nick nicht gerade mit Ruhm bekleckert hat, irritiert daher auch bei ihrem seltenen Ausflug in den Dokumentarbereich. Auf eine wenig konstruktive Weise. Dabei gäbe es über Bergman eine ganze Menge zu erzählen. Teilweise tut es der Film auch, wenn er alte Interviews ausgräbt oder Angehörige und Freunde sich gemeinsam an den Schweden erinnern, dabei aus dem Nähkästchen plaudern. Zudem gibt es die obligatorischen Ausschnitte aus vergangenen Filmen, von Das Siebente Siegel bis zu Sarabande.

Auf der Suche nach Ingmar Bergman bleibt dabei aber relativ oberflächlich. Es wird viel über den Regisseur gesprochen, teils auf Fakten basierend, teils mutmassend. Der Dokumentarfilm ist aber, wie so viele, die einem einzelnen Künstler gewidmet sind, zu sehr ehrfürchtige Verneigung. Eine Rede, wie man sie auf der Beerdigung hält, um die kleinsten Unebenheiten wegzuwischen. Dass dies ausgerechnet bei ihm passiert, ist etwas ironisch – eine der komischeren Anekdoten erzählt, dass er lange vor seinem Tod schon seinen eigenen Sarg und die Gästeliste für die Beerdigung fertig hatte. In solchen Momenten schafft es von Trotta vereinzelt durchaus, sich dem Menschen Bergman anzunähern. Aber es ist eher die Ausnahme, es mangelt dem Film an spannenden Erkenntnissen und wirklicher Relevanz. -

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

Oliver Armknecht
film-rezensionen.de

Auf der Suche nach Ingmar Bergman

Deutschland

2018

-

99 min.

Regie: Margarethe von Trotta

Drehbuch: Margarethe von Trotta, Felix Moeller

Produktion: Benjamin Seikel

Kamera: Börres Weiffenbach, Florian Lampersberger

Schnitt: Bettina Böhler

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.

Mehr zum Thema...
Der US-amerikanische Filmschauspieler Elliott Gould spielt in dem Film von Ingmar Bergman die Rolle von David Kovac.
BerührungenDas Problem mit der Sprache

17.12.2021

- „Berührungen“ ist ein herausforderndes Beziehungsdrama über emotionale Kälte und Distanz.

mehr...
Der schwedische Regisseur Ingmar Bergman mit Kameramann Sven Nykvist, 1961.
Abend der GauklerGeschichte eines Verfalls

13.07.2019

- «Abend der Gaukler» ist ein beachtenswertes Frühwerk des grossen Ingmar Bergman.

mehr...
Liv Ullmann, 1966.
PassionDas eigene Leid und das der anderen

31.12.2020

- „Passion“ von Ingmar Bergman ist ein schwermütiger Film über die Rolle des Leidens im Leben. Die starken Darsteller und die formale Präzision geben der Geschichte einer tragische Unausweichlichkeit, der man als Zuschauer sprachlos folgt.

mehr...
"Eine Metapher für unsere ganze Gesellschaft" - Pleasure

11.06.2022 - "Linnéa (Sofia Kappel) ist 19 Jahre alt und hat nur ein Ziel: Sie möchte der nächste grosse Pornostar werden. Dafür verlässt sie ihre schwedische Heimatstadt und zieht nach Los Angeles, um ihren Traum wahr werden zu lassen.

Politische Filme auf dem Filmfestival in Cannes 2010 - Draquila und Illegal

03.06.2010 - Zwei politisch interessante Filme auf dem Filmfestival in Cannes 2010. In einem kurzen Gespräch kommentieren Alex und Martin aus Cannes zwei Filme, die sie auf dem Festival gesehen haben: a) die italienische Doku "Draquila - Italien zittert" der Regisseurin Sabina Guzzanti, aufgrund derer die italienische Regierung unter Berlusconi beschlossen hat, die diesjährigen Festspiele von Cannes zu boykottieren, und b) den Spielfilm "Illegal" des belgischen Regisseurs Olivier Masset-Depasse, der auf anschauliche und bewegende Weise vom Leben einer jungen Frau aus Russland erzählt, die in Belgien als illegale Einwanderin zusammen mit ihrem jungen Sohn lebt und ohne Papiere ständig in der Furcht lebt, erwischt und abgeschoben zu werden.

Dossier: Edward Snowden
Felipe Crespo
Propaganda
Helene Fischer: Von Kinderhand für mich gemacht

Aktueller Termin in Wien

Textdiskussion: Wolfi Landstreicher - Gegen die Logik der Unterwerfung

Textdiskussion - letzer Dienstag im Monat

Dienstag, 28. März 2023 - 23:45 Uhr

Wielandgasse 2-4, Wielandgasse 2,4, 1100 Wien

Event in Zürich

The Baboon Show

Mittwoch, 29. März 2023
- 19:00 -

Dynamo (Saal)

Wasserwerkstrasse 21

8006 Zürich

Mehr auf UB online...

Les Gilets Jaunes, Bordeaux, Februar 2019.
Vorheriger Artikel

Luisa Michael: Wir sollten uns vertrauen – Der Aufstand in gelben Westen

Wir sollten uns vertrauen

Der deutsche Schauspieler Albrecht Schuch (hier an der  Berlinale 2019) spielt Thomas Brasch.
Nächster Artikel

Lieber Thomas

Thomas allein auf der Welt

Untergrund-Blättle