Army Go Home „Krieg ist die Hölle – aber Frieden ist höllisch langweilig“

Kultur

... Frieden ist höllisch langweilig.“ „We're in the army now!“ und langweilen uns zu Tode. 1989.

Joaquin Phoenix in Cannes, 2000.
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Joaquin Phoenix in Cannes, 2000. Foto: Caulfieldh (CC BY-SA 2.5 cropped)

19. Juli 2021
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Kurz vor dem Fall der Berliner Mauer stellt der US-Soldat Ray Elwood (Joaquin Phoenix) lapidar in der Rückschau auf sein soldatisches Leben fest: „Meine Jungens hatten nichts anderes totzuschlagen als die Zeit.“ Gregor Jordan allerdings zeigt gleich in der ersten Szene des Films ein bisschen mehr. Als die Soldaten in einem Raum ihrer Kaserne nahe Stuttgart mit einem Basketball spielen und streiten, fällt einer von ihnen mit dem Kopf auf die Tischkante und ist tot.

Elwood kann seinem naiven Vorgesetzten Colonel Berman (Ed Harris) einen handlichen Vorschlag unterbreiten, wie der „Fall“ in der Öffentlichkeit verkauft werden kann: Der Tote stürzte aus dem Fenster, genauer: Elwood warf ihn hinaus. Selbstmord, Unfall, ganz egal. Im gleichen Atemzug ringt er Berman eine Unterschrift für die Bestellung von 1.000 Gallonen Putzmittel ab. Berman setzt seinen Namen unter das Papier und kommentiert: „Sauberkeit kommt gleich nach Gottseligkeit“. Elwood hat es wieder einmal geschafft. Das Zeug wird illegal verhökert, um einen schwungvollen Drogenhandel finanzieren zu können.

Jordans bitterböse Satire konterkariert alles, was in den Kriegsfilmen der letzten Jahre über das „schöne“ Soldatenleben bei der US-Army zu sehen war – ein wahrer Segen angesichts aller „Black Hawk Down“-Kriegslüsternheit und „We Were Soldiers“-Patriotismen, eine erfrischende Brise gegen den Kriegswillen und die Glorifizierung des Militärs.

Nicht nur mit Drogen handelt Elwood, der (wegen einer Verurteilung) bei der Army drei Jahre seinen Dienst ableisten muss. Er „handelt“ auch mit Bermans attraktiver Frau (Elizabeth McGovern), sprich: er teilt ab und an das Bett mit der Dame, die ein nettes Doppelleben führt: ihren Mann treibt sie zur Karriere an, ihren Hunger auf Sex befriedigt sie mit seinem direkt Untergebenen. Elwood „kocht“ sein Heroin selbst. Und als ob der Zufall seiner Langeweile vollends ein Ende setzen wollte, profitiert er auch noch von einem Unfall. Als drei seiner Kumpel – völlig zugeknallt mit Drogen – während eines Manövers zuerst in einer Kleinstadt mit dem Panzer einen VW platt machen und dann eine Tankstelle in die Luft jagen – drei andere Soldaten kommen dabei ums Leben –, finden Elwood und seine Kumpel einen Lkw voll mit teuren Waffen und lassen das wertvolle Zeug verschwinden. Sein türkischer Drogenhändler bietet ihm 30 kg Heroin für die Waffen.

Alles scheint gut zu laufen. Aber dann trifft Sgt. Robert E. Lee (Scott Glenn) auf dem Stützpunkt ein – ein Aufpasser, Saubermacher und gestählter Patriot mit Vietnamkriegserfahrung. Elwood ist Lee von Beginn an ein Dorn im Auge. Zuerst muss Elwood sein Zimmer nach Vorschrift einrichten: dabei gehen sein Fernseher zu Bruch – Lee tritt ihn kaputt –, das teure Sofa verschwindet und last but not least bekommt der Gebeutelte noch einen Soldaten ins Zimmer gelegt. Der scheint ein unerfahrener Softie zu sein, und Elwood kümmert sich um ihn.

Als sich Elwood dann zu allem Überfluss in Lees bildhübsche Tochter Robyn (Anna Paquin) verliebt, ist es mit Lees Geduld endgültig vorbei. Mit allen Mitteln will er den ungeliebten Soldaten fertigmachen, so dass selbst Robyn vermutet, ihr Vater wolle Elwood töten ...

Gleich vorneweg. „Buffalo Soldiers“ ist keine Militärklamotte – im Gegenteil. Vieles, was Jordan zeigt, kommt der Realität wahrscheinlich sehr nahe. Der Film demaskiert alles, was mit Militär zu tun hat, ohne dass er sich ausschliesslich auf das US-Militär konzentriert. Er enthüllt die fadenscheinigen Legitimationsriten, die sich Grossorganisationen zulegen, um eine Art „Identität“ als Mittel zum Zweck zu produzieren. Gnadenlos desavouiert Jordan z.B. den Patriotismus als das, was er ist: eine Seifenblase, die zerplatzt, wenn man hinter die Kulissen schaut, ein Nichts, hinter dem sich Personen verbergen, um Machtstrukturen zu rechtfertigen, aufrechtzuerhalten, zu perpetuieren.

Das ist nicht so ganz einfach in einer Zeit, in der der Kalte Krieg sich dem Ende zuneigt. Die „einfachen“ Soldaten geben sich der Kriminalität hin, verscherbeln Militäreigentum, produzieren und handeln mit Drogen, verschieben Waffen. Colonel Berman (grossartig Ed Harris), ein unfähiger Offizier, der nichts blickt, versteckt sich hinter seiner vermeintlichen Vergangenheit und ist zufrieden, wenn alles glimpflich über die Bühne geht. Bermans Frau hat herausgefunden, dass irgendein Vorfahre ihres Mannes ein Bürgerkriegs-Held gewesen ist. Mit diesem Wissen will er seinen Konkurrenten um die Beförderung Colonel Marshall (Brian Delate) ausstechen, beisst allerdings bei beider Vorgesetztem General Lancaster (Dean Stockwell) auf Granit. Der hat nämlich keinen glorreichen Vorfahren und deshalb missfällt ihm Bermans Angeberei.

Auch der Figur des anfänglich als ehrlichem, wenn auch biederen Saubermann daherkommenden Sgt. Lee reisst Jordan alle Masken herunter. Lee erweist sich nämlich als skrupelloser, zu allem entschlossener Machtmensch, der keinen neben sich duldet, schon gar nicht so einen hergelaufenen Drogendealer wie Elwood.

Nach dem Motto „When there is peace, the warlike man attacks himself“ (Nietzsche) hat er sein neues Feindbild mangels Masse im Osten auserkoren: Ray Elwood. Die Liaison Elwoods mit seiner Tochter ist Legitimation genug. Oder? (Sehenswert ist in diesem Zusammenhang der Showdown im Kampf zwischen Ray und Lee).

Wie die Mauer in Berlin langsam aber sicher eingerissen wird, fallen alle Schranken auf dem Militärstützpunkt. Jordan gelingt dabei eine überzeugende Mischung aus Tragik und Humor, vor allem in den Szenen, in denen es Tote gibt. Als die drei zugekifften Soldaten durch die brennende Tankstelle fahren, sehen sie auf dem kleinen Zielbildschirm im Panzer nur noch rot. Sie vermuten, dass ihr Zustand der Grund dafür ist, tatsächlich ist es das Feuer, das sie sehen. Glücklich kehren sie über Feld und Wiesen zu ihrem Manöver zurück.

Die ganze Institution enthüllt sich als das, was sie ist: als eine Mischung aus Verhaltensmustern, Denkweisen, Machtallüren, Eifersucht, kriminellen Energien usw. unterschiedlicher Figuren, die aufeinander treffen, prallen, sich gegenseitig fertig machen etc. Alles andere Getue ist Fassade. Die Institutionen bleiben erhalten, auch nach dem Crash. Man hat sich jedenfalls auch im Frieden die Zeit vertrieben – und dass dabei ein paar oder ein paar mehr Soldaten ihr Leben lassen mussten, beweist nur eines: Krieg ist eigentlich ständig.

Eine exzellente Besetzung, ein ausgezeichnetes Drehbuch, eine Kamera, die das Geschehen „sauber“, „ordentlich“ und amüsant einfängt – was für ein Befreiungsschlag nach all dem platten Kriegsgetöse, den patriotischen Klängen und den ideologischen Vorgaben der Kriegsfilme der letzten Jahre.

Ulrich Behrens

Army Go Home

USA

2001

-

98 min.

Regie: Gregor Jordan

Drehbuch: Gregor Jordan, Eric Weiss, Nora Maccoby, nach einem Roman von Robert O'Connor

Darsteller: Joaquin Phoenix, Anna Paquin, Ed Harris

Produktion: Rainer Grupe, Ariane Moody

Musik: David Holmes

Kamera: Oliver Stapleton

Schnitt: Lee Smith