23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers Armeen von Morgen

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Kultur

„23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers“ ist eine Dokumentation um den Tod Karl Kochs, der bis heute Fragen aufwirft.

Der Hacker Karl Koch, 1985.
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Der Hacker Karl Koch, 1985. Foto: Schnittwerk (CC-BY-SA 4.0 cropped)

Datum 1. Juni 2024
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Carsten Gutschmidts Film geht den unterschiedlichen Theorien rund um den Todesfall nach und kommt dabei auf Verweise bis in die politische Realität des Jahres 2023, die provokant und teils auch sehr beunruhigend sind.

In 23 – Nichts ist so wie es scheint verfolgt der Zuschauer die Geschichte des Hackers Karl Koch, gespielt von August Diehl. Aus heutiger Sicht ist der Film in vielerlei Hinsicht interessant, weil er zum einen eine Zeit zeigt, in der es noch so etwas wie einen freien Meinungsaustausch innerhalb der Computerszene gab, bevor dieser überschattet wurde von dem ständigen Lärm der sozialen Medien, und zum anderen, weil sich viele der heutige Themen, die unsere gesellschaftlich-politisches Themen bestimmt, in der Geschichte um Koch zeigen.

Man kann Hans-Christian Schmids Film als ein menschliches Drama um einen Menschen verstehen, der sich mehr und mehr in einem Sumpf von Drogen und Paranoia verliert, doch es geht um weitaus mehr. Der Satz „Nichts ist wahr. Alles ist erlaubt“, welcher Koch zugeschrieben wird, enthält letztlich eine Warnung vor einer Realität, die von einer fremden Macht definiert wird, was keinesfalls mehr Verfolgungswahn ist, sondern eine Tatsache, wenn man bedenkt, welchen Einfluss Konzerne wie Facebook oder X auf unser Leben haben und wie weit die Überwachung durch den Staat tatsächlich geht, was wir spätestens seit den Enthüllungen Edward Snowdens wissen.

Am 1. Juni 1989 wurde Kochs Leiche in einem Waldstück bei Ohof im Landkreis Gifhorn gefunden. Während die offizielle Untersuchung von einem Suizid durch Verbrennung ausgeht, gibt es nach wie Theorien über die wahren Hintergründe um Kochs Tod, angefangen von einer Hinrichtung durch den KGB oder durch die Drogenszene, die befürchteten, Koch könne den Behörden Namen von Drogendealern sagen. Mehr als 30 Jahre also nach diesem rätselhaften Ereignis ist es nun möglich, die Akten rund um den Fall einzusehen und zu erfahren, ob an den Theorien wirklich etwas dran ist.

Angesichts dieser Entwicklung zeigt der Sender Sky mit 23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers eine Dokumentation, die einerseits den Fall noch einmal neu aufrollt und zum anderen den verschiedenen Erklärungsversuchen rund um den Tod Kochs nachgeht. Carsten Gutschmidts Dokumentation basiert auf Gesprächen mit Angehörigen und Freunden Kochs sowie auf Interviews mit Journalisten wie Frank Plasberg oder Thomas Ammann, die den Hinweisen in den Akten nachgehen, aber zugleich die Dokumente kritisch hinterfragen, weil keinesfalls alle Fragen geklärt sind und nach vor wichtige Informationen fehlen.

Armeen von Morgen

Auch wenn der Titel es vielleicht vermuten lässt, sollte man nicht den Fehler begehen und 23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers als True Crime betrachten. Die Nacherzählung des Lebens und der letzten Tage verlässt Gutschmidts Dokumentation schon bald und geht über zu jenen Aspekten, die eine besonderes Licht auf den Todesfall werfen und teils bis ins Jahr 2023 hineinreichen. Koch, so wird deutlich, war Teil eines grossen Getriebes und sein (vermutetes) Wissen über bestimmte Wahrheiten wurde ihm zum Verhängnis, wobei er durch seine Vergangenheit als Junkie es seinen Verfolgern vielleicht auch sehr einfach machte, als er diesen schliesslich ins Netz ging.

Der Begriff „Verschwörungstheorie“, wie Steffen Wernéry, Mitbegründer des Chaos Computer Club, erklärt, versperrt dabei den Blick des Betrachters, kanzelt dieser doch einen Erklärungsversuch als fehlgeleitete Fantasie ab. Es geht eben nicht um eine vereinfachte Erklärung sondern vielmehr um ein komplexes Netz aus diversen Verstrickungen Kochs, in das die Dokumentation zumindest ansatzweise versucht, etwas Ordnung hineinzubringen. Besonders spannend sind dabei die Verweise auf die Realität des Jahres 2023, auf den Status eines Wladimir Putin sowie die Cyberarmeen Russlands, deren volle Macht bis heute noch ein Rätsel ist und wahrscheinlich noch nicht einmal ansatzweise ausgespielt wurde. Koch ahnte um diese „Armeen von Morgen“ und welche Rolle Hacker dabei spielen, und vielleicht war dies mit ein Grund, warum er sterben musste, sofern man nicht an den Suizid glaubt.

Peter Gutting
film-rezensionen.de

23 – Der mysteriöse Tod eines Hackers

Deutschland

2023

-

93 min.

Regie: Carsten Gutschmidt

Drehbuch: Benjamin Braun, Saskia Weisheit

Musik: Raoul A. Nagel

Dieser Artikel steht unter einer Creative Commons (CC BY-NC-SA 4.0) Lizenz.