Was ist die Steigerung eines persönlichen Glücks? Zwischenstopp im Paradies

Gesellschaft

«Kennst du das Land, wo die Zitronen blühn, im dunklen Laub die Goldorangen glühn - ein sanfter Wind vom blauen Himmel weht – die Myrte still und hoch der Lorbeer steht – kennst du es wohl – dahin – dahin möcht` ich mit dir – o, mein Geliebter zieh´n»

St. Maurice de Cazevieille, Departement du Gard, Frankreich.
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St. Maurice de Cazevieille, Departement du Gard, Frankreich. Foto: Ben3011 (CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

28. Januar 2021
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Des Deutschen einst beliebtester Dichter, der Geheimrat Johann Wolfgang von Goethe, hatte dieses Paradies einst vor langer Zeit für sich entdeckt und war sprachlos vor Glück, als sein Blick erstmals auf diese paradiesischen Früchte fiel. Aus Freude darüber hat er sofort und wie im Rausch eine elegische Ballade geschrieben (siehe oben), die Generationen von romantischen Deutschen entzückt und in ihnen die grenzenlose Sehnsucht ausgelöst hatte, sich auch einmal auf den beschwerlichen Weg nach diesem Paradies jenseits der südlichen Alpen zu begeben, in dem diese beiden exotischen, so überaus köstlichen Zitrusfrüchte anzutreffen sind.

Weiss aber auch jeder Deutscher von heute, wo das Land liegt, in dem ebenso wohlgeformte gelbe Zitronen und fruchtige goldfarbene Orangen reifen über Nacht, wo der blaublütige Lavendel das Auge blendet und alle Sinne betört, wo der herbe Duft von Rosmarin und Thymian brennend auf der Zunge liegt und in der Nase kitzelt, wo sich bereits im Februar ein wie von sensibler Künstlerhand gewobener Teppich aus schneeweissen und rosaroten Mandelblüten wie ein Himmelsgeschenk leuchtend über das ganze Land legt, wo sich im März der erste Raps in seinem berauschenden Gelb-Grün zur Schau stellt wie ein in sich verliebter Pfau, der seine göttliche Potenz stolz spazieren führt, wo (um es mit den Worten eines Dichters zu sagen) ab April sich „erste Knospen und grüne Blättchen aus den alten Rebstöcken ihren Weg ins Leben bahnen, um im Rhythmus von vielen hundert Jahren zur vollen Frucht zu reifen“, wo Ravel in seinem bacchantischen Bolero (nachdem er gewiss viele Sommer den in wechselnden Rhythmen ertönenden « Säge-Gesängen » der unsichtbaren Zikaden andächtig gelauscht und deren Trommel-Feuer in sein Blut hatte strömen lassen) und Debussy mit seiner sensitiven Klaviersonate Clair de lune die Seele und den Geist einer von Licht überfluteten Landschaft in überirdische Musik gesetzt hatten, wo ich zwischen Mai bis Mitte Juni des Nachts und bisweilen auch noch am frühen Tag verzückt dem Gesang der Nachtigall lauschen kann, wenn sie mit ihren Silbertönen unstillbare Sehnsucht und süssen Schmerz in das Herz aller Liebenden träufelt.

Während ich diese Zeilen mit leichter Hand und wie beschwingt in den Computer eintippe, glaube ich ganz deutlich Schuberts wundervolles Ständchen «Leise flehen meine Lieder» in mir zu hören, das ich selbst vor fast sechzig Jahren zum ersten Male, danach sehr oft und als 81jähriger bisweilen auch heute noch singe, am Klavier dabei begleitet entweder von meinem Hamburger «Hauspianisten» Manfred Bergunde oder von meinem südfranzösischen Pianistenfreund Jacques Gillet, dem vor Ergriffenheit die Tränen oft nur so fliessen, wenn wir miteinander musizieren oder er die Namen von Schubert und Schumann auch nur leise ausspricht.

Ja, wo könnte dieses paradiesische Fleckchen Erde wohl zu suchen und sogar zu finden sein, wo zwischen Juli bis September Hunderte von süssen Feigensorten vom fruchtbeladenen Baum zunächst in des müden Wanderes Hand fallen und dann im Mund landen, wo nach der mühsamen Lese zwischen Mitte August bis Ende September bereits einige Wochen später junge, spritzige Weine in Strömen fliessen durch die trockne Kehle des Sängers und dessen Stimme im Handumdrehen veredeln mit dem Schmelz der Unwiderstehlichkeit, wo die strahlendste Sonne aller glühenden und dann wieder verglühenden Sonnen den Himmel 333 Tage so verschwenderisch mit den schönsten Tönen aus Blau, Grün, Violett, Gelb, Rosa und Lila überzieht, wo ein intensives weisses Licht, wie aus einer mystischen Welt kommend und der Anblick der koketten „tournesol“ bereits den armen Vincent van Gogh fast um den Verstand und (historisch verbürgt) um ein Ohr gebracht haben, wo ich zwischen Mai und September bei oftmals mörderischen 40 Grad unter dem dichten, grünen Blätterdach alter Olivenbäume oder unter dem noch dichteren, noch viel grüner sich zeigenden Blattwerk eines vielleicht hundertjährigen Maulbeerbaumes bis weit in die sternenklare Nacht hinein wohltuende Kühlung finde und immer wieder Inspiration empfange, wo die grosse Freude am leichten Dasein die Herzen der Menschen um mich herum und nun auch das meinige von Tag zu Tag heftiger schlagen lässt, wo heute, scheinbar stets aus dem Nichts kommend, glühend heisse und morgen überraschend eisige Winde aus den fernen Bergen über uns herfallen und die geschmeidigen Zypressen so ekstatisch vor Lust erzittern lassen, dass man glauben könnte, sie wollten mit mir nur noch feurigen Tango tanzen nach des rauen Windes stürmischer Melodie.

Auf welchen irdischen Breitengraden mag dieses von mir besungene Land sich befinden, in dem alles auf Harmonie, auf Gleichklang der Herzen und aller entflammbaren Sinne ausgerichtet zu sein scheint, in dem sich aber auch hin und wieder die gigantischen Schleusen des Universums urplötzlich auftun, um dann, wie in einem wilden Zeugungsakt und mit Wollust die in Trockenheit geratene Erde zu tränken und zu befruchten, wo sich sonst kaum wahrnehmbare Rinnsale und riesige Flüsse unerwartet aus ihren kalten, steinernen Betten erheben und in Sekundenschnelle, ohne Vorwarnung mit lautem Getöse alles überfluten und fort schwemmen, was sich ihnen heldenhaft in den Weg stellt? Wie klein, wie hilflos und ausgeliefert, wie zwergenhaft und noch kleiner ist in solchen Augenblicken der Mensch doch im geheimnisvollen Spiel der unberechenbaren Elemente.

Wo liegt und wie könnte das Land und der Ort wohl heissen, in dem das Leben vom ersten bis zum letzten Atemzug so leichtfüssig und so tänzerisch daher kommt, wo die Liebe zur Liebe und wo das lustvolle Essen die verwöhnten, sensiblen Gaumen und alle Sinne eines offensichtlich in jeden Augenblick und in sich selbst verliebten Volkes immer wieder paralysieren und den Sinn des Lebens täglich neu definieren, ja, wo könnte ein solches Paradies heute noch anzutreffen sein?

Heureka: Ich habe es gefunden, dieses wundersame Fleckchen Erde, es ist das südfranzösische 770-Seelen-Weindörfchen St. Maurice de Cazevieille, gelegen mitten im Herzen des Departements du Gard, die leuchtenden Raps-Sonnenblumen-und duftenen Lavendelfelder der Provence gleich vor der Tür, die archaische Carmagues mit ihren ganzjährig dort lebenden rosafarbenen Flamingos und Hunderten von anderen paradiesischen Vogelarten, mit den edlen weissen Pferden (es soll angeblich die älteste Pferderasse der Welt sein) und mit den schwarzen Stieren unmittelbar daneben, fünfzig Autominuten von dem zauberhaften Fischerort Grau du Roi am Mittelmeer, fünfundzwanzig Kilometer vom römischen Bauwunder Pont du Gard, etwa 70 Kilometer von Avignon mit seinen majestätischen Papstpalästen und einer vielbesungenen Brücke (Sur le pont d´Avignon), sechzig Kilometer vom mondänen Montpellier und eine Stunde bis in das einst von den Griechen gegründete Marseille, zwanzig Kilometer nur von der römischen Arena in Nîmes, etwas über eine Stunde von der «Heiligen Sarah» in Les Saintes-Maries-de-la Mer und achtzehn Kilometer entfernt von Uzés, von diesem himmlischen Ort der überbordenden Lebensfreude, der sich in meiner subjektiven Wahrnehmung längst und für ewig zum schönsten Städtchen in ganz Südfrankreich verankert hat.

Und so weiss ich denn nun auch um das grosse Glück, nach langen Irrfahrten durch diese Welt in einem Land angekommen zu sein, in dem das Leben (wie ich mich überzeugen konnte) tatsächlich so leichtfüssig und so überaus beschwingt im Gleichmass des Pulses daher kommt wie sonst nirgendwo auf dem grossen mir bislang bekannten Erdenrund.

Auch wenn sich mein Aufenthalt in diesem Paradies irgendwann einmal nur als ein Zwischenstopp auf meiner Reise in eine ungewisse Zukunft erweisen sollte, so weiss ich doch bereits heute, dass jede Sekunde meines intensiven Hierseins eine wundervolle Zeit und grosse Bereicherung meines Lebens gewesen sein wird. Das sagt mir nicht mein Verstand, sondern eine «innere Stimme»...

Wenn ich in diesem Augenblick aber über mein persönliches Glück nachdenke und mich auch nicht scheue, meine Gedanken und meine Gefühle so klar zu benennen, wie sie sich nun einmal in mir bemerkbar machen, wenn ich vom gefundenen Paradies schwärme, ein kleines Stückchen heile Welt in jeder Zeile heftig preise, so weiss ich sehr wohl, dass sich die Hölle der anderen nur wenige Flugstunden, mitunter auch nur noch einige Kilometer oder gar nur ein paar Schritte entfernt von meinem Glück befindet.

In diesem Moment frage ich mich: Muss ich, Axel Michael Sallowsky, ja, muss ich meine so kleine und von mir geliebte Welt deshalb verdunkeln und die Lebensfreude daraus verbannen und mich gar schämen, das Wort Glück überhaupt noch auszusprechen in diesen Tagen, in einer von Tag zu Tag widersprüchlicher werdenden Zeit, in der mehr Unglück als Glück über die Menschheit kommt ?

Nein, ich bin nicht bereit, mich zu schämen für meine Gedanken und für meine Gefühle zum Thema Glück und Lebensfreude. Ich schäme mich allerdings dafür, dass sich die reichen Nationen Europas (und auch darüber hinaus) so schwer dabei tun, ihre Türen für jene Menschen zu öffnen, deren Heimatländer durch Krieg und Terror zerstört worden sind, die Hab und Gut verloren und das Leben von Angehörigen zu beweinen und den Verlust des eigenen Lebens jeden Tag und zu jeder Stunde befürchten müssen - und die sich nun auf den langen Marsch nach Europa aufmachen, getragen von der grossen Hoffnung, dort eine neue Heimat zu finden und von einer kleinen Zukunft träumen zu dürfen.

Und wieder muss ich mich ernsthaft hinterfragen, ob ich persönlich weiterhin angesichts solcher Tragödien das Recht für mich in Anspruch nehmen darf, dennoch glücklich zu sein? Ich bin mir bewusst, dass ich mich dieser Frage immer wieder auf's Neue stellen muss, zumal mich dabei auch noch der Gedanke quält, diesen bedauerswerten Menschen mit dem bewussten Ausleben meines Glücks möglicherweise etwas weg zu nehmen von ihrem noch nicht erlangten Glück und auch von der Kraft, überhaupt noch an ein kleines Glück für sich zu denken, daran zu glauben und dafür kämpfen zu können.

Was ist die Steigerung eines persönlichen Glücks?

Ich zum Beispiel bin im Augenblick unter anderem auch deshalb glücklich, weil ich glaube überraschend die Gabe erlangt zu haben, die geheimnisvolle, fast schon ausgestorbene Sprache der alten Steine in Ruinen und an Häuserwänden in den südfranzösischen Dörfern ein wenig verstehen zu können, die darin enthaltenen Botschaften heraus hören und deren Feinheiten zumindest im Ansatz zu deuten weiss.

Das mag vielleicht Anmassung oder gar zu esoterisch und auch töricht sein, fest steht für mich aber, dass sich meinem persönlichen, bereits vorhandenen Glück im Zusammenleben mit einer wundervollen Frau nun auch noch durch die „Bekanntschaft“ mit den alten Steinmauern in unserem Dorf überraschend ein weiteres kleines Glück hinzugesellt hat. Und wieder quält mich die Frage: Darf ich mich tatsächlich noch zu einer solchen subjektiven, wohl auch egoistischen Definition meines emotionalen Zustandes und des Wortes GLÜCK bekennen, und dieses Glück auch noch ausleben, wenn doch zur selben Zeit die aus allen Himmelsrichtungen auf uns zurollenden Flüchtlingswellen immer gewaltiger werden und wenn ich davon ausgehen muss, dass es hier nicht um eine vom Schicksal oder einzig von politischen Tagesereignissen kurzfristig anberaumte und gewiss bald schon wieder kleiner werdende oder gar endende Flüchtlingswelle geht.

Nein, was sich da Tag für Tag in Deutschland, vor, an und hinter den Grenzen nahezu aller europäischen Länder und damit quasi vor unseren Augen abspielt, das ist eine im Augenblick möglicherweise kaum erfüllbare Herausforderung an alle Länder der Welt, handelt es sich meiner Meinung nach hier doch um eine gigantische, wenn nicht sogar um die grösste Völkerwanderung in der neueren Menschheitsgeschichte, nicht allein verursacht durch immer wieder plötzlich auftretende Naturkatastrophen und Hungersnöten, sondern ausgelöst vor allem durch Krieg und Terror, inszeniert von korrupten, menschenfeindlichen politischen Systemen, die, von Gier nach Macht und Reichtum zerfressen, alle moralischen und ethischen Prinzipien vor den Augen der Weltöffentlichkeit schamlos missachten, von Wahrung der Menschenrechte und Menschenwürde ganz zu schweigen.

Die goldenen Paläste dieser in Selbstherrlichkeit schwelgenden Despoten sind nur wenige Flugstunden von uns entfernt, Politiker aus europäischen Demokratien gehen dort täglich ein und aus, machen nicht nur legale, sondern auch viele schmutzige Geschäfte (vor allem mit Waffen), in den Salons dieser Luxuspaläste werden von Staatsoberhäuptern und windigen Konzernchefs Deals in Milliardenhöhe eingefädelt, dort finden rauschende Feste statt und in den tiefer gelegenen Todeskammern wird zur selben Zeit im Namen der gerade gültigen Staatsraison gefoltert und gemordet. Wann werden die heute in diesen Palästen residierenden Machthaber für ihre Verbrechen zur Verantwortung gezogen und auf den Anklagebänken in Den Haag oder in Strassburg sitzen?

Wenn ich mich diesen Fragen und Gedanken intensiver überlasse, dann fällt es mir natürlich sehr schwer, das Wort Glück und jede damit verbundene Deutungsvariante abermals auszusprechen. Aus diesem Zustand einer niemals endenden Ohmacht werde ich (wie bereits angedeutet) wohl auch nicht so rasch heraus kommen. Ob mir die alten Steine im Midi (so nennt man die Region zwischen Avignon und dem Mittelmeer) einen Weg aus dieser Misere weisen können?

Ich bin mir da nicht mehr ganz so sicher. Denn wenn diese schwer atmenden, tief seufzenden, unter der Last von vielen hundert und noch mehr Jahren stöhnenden Steine mir an glühend-heissen Sommertagen oder in etwas abgekühlten, stillen Winternächten ihre aufregenden, so schönen, aber auch ihre so traurigen und bösen Geschichten aus uralten Zeiten erzählen und ich ihnen erstaunt, jedes Mal erneut gebannt von der Dramatik jeder einzelnen Geschichte, ja, wenn ich ihnen atemlos zuhöre, nicht immer glauben könnend und glauben wollend, was ich da hören muss, dann fühle ich mich, hilflos und gefangen in der Flut meiner Fragen, dem Weltengeist zwar immer noch recht nah, zugleich jedoch so fern wie noch nie.

Da geraten dann urplötzlich alle meine Gedanken und Gefühle in Aufruhr, wenn ich spüre, wie die alten Geschichten die Grenzen meines Mitgefühls und meines emotionalen Mitleidens und auch die Grenzen meines „normalen“ rationalen Verstehens oftmals überschreiten – so wie es eben auch in diesen Tagen geschieht, seit vielen Jahren schon, wenn mich täglich die Medien detailliert über die Flucht von Menschen und über deren Tod im Mittelmeer informieren und ich im Fernsehen in die von Trauer und Entsetzen gezeichneten Gesichter verzweifelter Menschen schaue, die dem Krieg, dem Terror, der sozialen und wirtschaftlichen Misere in ihren zerstörten Ländern zu entfliehen versuchen und an unsere Haustür klopfen.

Doch bevor sie, die alles verloren haben, frierend, hungrig, auf Hilfe angewiesen und auf Menschlichkeit hoffend vor unseren Haustüren stehen, müssen sie auf dem langen Weg zu uns erst einmal viele Höllenpfade und Schreckensorte passieren. Können und werden wir Europäer, die im Wohlstand Lebenden jemals verstehen, was sich da vor unseren Augen Tag für Tag und rund um die Uhr abspult und was in jenen Menschen vor sich geht, die von diesem gigantischen Flüchtlingsstrom aus ihrer Heimat fortgespült und im westlichen, reichen Nirgendwo einer ungewissen Zukunft ausgeliefert sind?

Plötzlich steigen unvermittelt Bilder aus meinem Unterbewusstsein, lösen sich aus der Versenkung des Vergessens und fallen gnadenlos über mich her: Wie war es denn im kalten Dezember des Jahres 1955, als meine Mutter, mein jüngerer Bruder und ich nach unserer Flucht aus der DDR auf dem Berliner Flugplatz Tempelhof endlich in einem US-Flugzeug Platz genommen hatten, um von dort nach Hamburg ausgeflogen zu werden, nachdem wir in Thiessow und in Sassnitz auf Rügen zwei voll eingerichtete Wohnungen mit einer recht umfangreichen Bibliothek und einem schwarzen Bechstein-Flügel und ich viele schöne Jahre meiner Kindheit und alle meine Freunde dort zurück gelassen und auf ewig verloren hatte, ja, wie fühlte ich mich, als wir uns mit drei Koffern, mit vier kleinen Hunden (Skyeterriern) und grossen Hoffnungen bei Eiseskälte auf die Reise ins gelobte Land namens Bundesrepublik aufgemacht hatten?

Da ich weiss, dass damals sehr viele Menschen diese Erfahungen und sich auf diesem Weg in eine ungewisse Zukunft gemacht haben, darf ich mit der Schilderung der ebenso dramatischen wie traurigen Details meiner Erlebnisse an dieser Stelle gewiss verzichten. Mit der Zeit verheilten viele einst sehr schmerzhafte Wunden, muss ich sie also durch Erwähnung meiner Geschichte partout in mir und in anderen Leidensgenossen von damals wieder aufreissen? Nein!

Und doch muss ich noch einmal zurück kehren in den eisigen Dezember des Jahres 1955: Wir zitterten vor Kälte und zugleich vor Freude darüber, in der ehrwürdigen Hansestadt an der Elbe eine neue Heimat zu finden, frei zu sein und nicht mehr Tag und Nacht von der Stasi beobachtet, bedroht oder gar abgeholt zu werden. Dieses Schicksal blieb uns erspart. Und so kamen wir als Deutsche zu Deutschen, natürlich voller Hoffnung, auch frei von grösseren Ängsten und voller Vertrauen, sprachen wir doch dieselbe Sprache, hatten dieselben kulturellen und historischen Wurzeln und waren, so dachten wir, wenn auch seit zehn Jahren getrennt, dennoch ein Volk von sich liebenden Brüdern und Schwestern, ein jeder darin dem anderen (so glaubten wir) vertraut und blind vertrauend.

Den Menschen in der Bundesrepublik Deutschland blieb nach dem Untergang des 1000jährigen Reiches eine neue Diktaur erspart, uns in Ostdeutschland hingegen nicht. Wir flüchteten aus einem Land, dessen neue Machthaber uns den sozialistischen Himmel auf Erden, also ein besseres Deutschland versprochen hatten und uns in Wirklichkeit in eine neue Diktatur führten, wobei sie der schmutzigen Farbe Braun der Nazis einfach nur ein kräftiges Stalin-Rot entgegen gesetzt hatten.

Es fand also lediglich ein Farbenwechsel statt. Das war, so empfand ich es dann einige Jahre später, der einzige Unterschied zwischen zwei menschenfeindlichen Systemen auf deutschem Boden, nur eben zeitversetzt. Obwohl wir bei den meisten hanseatischen Behörden auf Entgegenkommen und hin und wieder sogar auf ein wenig Freundlichkeit stiessen, mussten wir doch zugleich schmerzlich und mehrfach erfahren, dass wir keineswegs allen Hamburgern willkommen waren, dass wir (wie erwartet und erhofft) auch nicht als Deutsche betrachtet und wie Deutsche behandelt wurden.

Nein, wir waren für viele Hamburger Flüchtlinge und somit Fremde im eigenen Land. Ich habe dieses Kapitel über meine Ankunft in der Freiheit und über die erste Zeit in der reichen Hansestadt Hamburg weder vergessen noch verdrängt, es hatte sich alles nur ein wenig an den Rand meiner Erinnerungen verschoben und kam nun angesichts des Flüchtlingsstromes von heute überraschend in das Zentrum meiner Gedanken und meiner Gefühle zurück. Und so glaube ich zu wissen, was in den Menschen vor sich geht, die heute aus ihrer Heimat fliehen müssen, aus anderen, uns Deutschen zumeist fremden Kulturen kommend, alles zurück lassend, was sie sich in ihrem bisherigen Leben unter grossen Mühen aufgebaut hatten und was sie nun wieder verloren haben.

Wenn einer von ihnen an meine Tür klopfen sollte, so werde ich ihn in mein Haus eintreten lassen und zu Tische bitten und ihm auch ein Nachtlager anbieten. Das bin ich mir schuldig, hatten doch auch mir damals in Hamburg und in Ahrensburg einige Menschen überraschend die Tür zu ihrem Haus und zu ihren Herzen immer wieder einmal geöffnet. So fiel das schmerzhafte Gefühl, ein Fremder in Deutschland zu sein, ganz langsam von mir ab. Und so konnte das, was ich als junger Mensch vor, während und nach unserer Flucht damals Hoffnung nannte auch weiterhin in mir verbleiben, bis heute, worüber ich sehr glücklich bin.

Ich kann aber auch nicht verhehlen, dass ich mitunter sogar Verständnis für Politiker aus ganz Europa habe, die noch kein sofort umsetzbares Gesamt-Konzept für das Flüchtlingsproblem gefunden haben, denn es handelt sich (wie bereits einmal angedeutet) schliesslich nicht um ein „Problemchen auf Zeit“, das man rasch mit ein bischen Logistik, mit ein wenig Integration und mit viel Geld so en passent meistern könnte, nein, es ist eine gigantische Völkerwanderung, eine Katastrophe, ein globales Drama ohne Ende, das sich also nicht nur auf der Europäischen Lebensbühne abspielt.

Sollte es ein Happy-End in dieser globalen Tragödie geben, (was ich hoffe) so werden wohl noch einige Generationen auf diesen Augenblick warten müssen. Ja, wenn sich derartige Erinnerungen und Gedanklen hier im Midi plötzlich einstellen, wenn sich die alten Geschichten mit den ganz neuen Geschichten und den vielen menschlischen Tragödien vermischen, dann fällt es mir nicht leicht, den spannenden Erzählungen der Steine zuzuhören wie bisher, es verschlägt mir oft die Sprache und vernebelt alle meine Sinne, wenn ich hören muss, wie grausam und wie blutig es zum Beispiel in acht Hugenotten-Kriegen (1562 bis 1598) zwischen Protestanten und Katholiken in ganz Frankreich und auch hier im heissen Midi und in den kühlen Cevennen zugegangen ist.

Und was geschieht in unserer Zeit in Syrien, in Afganistan, im Irak, in einigen Staaten Afrikas und überall dort, wo der IS und andere ideologisch verblendete Räuberbanden mit Mord und Terror wüten? Wie sich doch die Bilder immer wieder gleichen: Warum nur ist die Geschichte der Menschheit und der Weg durch die Gezeiten immer wieder mit so grossem Leid verbunden und mit unversiegbaren Strömen von Blut befleckt?

Wenn sich also die Bilder immer wieder gleichen, so bin ich darüber aber eigentlich nicht sehr erstaunt, weiss ich doch mittlerweile, dass der Mensch stets das ist und bleibt, was er schon immer war. Ein Monster, das über 2000 Jahre mehr gebrandschatzt, zerstört und gemordet als jemals aufgebaut hat Was zwang und zwingt den Menschen dazu und was hindert ihn daran, es nicht zu tun ?

Auf der Suche nach einer schlüssigen Antwort ist es kaum tröstlich zu wissen, dass nach Ernst Cassirer (1874 bis 1945) die Zivilisation nichts anderes ist als „eine dünne Kruste über einem Vulkan“. Wenn dem so sein sollte (und ich fürchte, dass es so ist) dann wird es vielleicht das Schicksal der Menschheit sein, solange auf diesem Vulkan brutal herum zu trampeln („Tanz auf dem Vulkan“), bis der eines Tages aus reiner Notwehr so viel Feuer speit und seine tödliche Lava bis in den letzten Winkel des Erdballs strömen lässt, dass alles Leben erstirbt und es vielleicht erst wieder in Millionen Jahren neues Leben auf diesem Planeten geben wird. Müssen wir also davon ausgehen, dass das Schicksal der Menschheit und deren Untergang bereits beschlossen worden ist? Von wem aber?

Gut, wir wissen, dass der Mensch « des Menschen Wolf » ist (Thomas Hobben, 1588-1679). Ist es also dieser Wolf im Menschen, der den Planeten Erde zerstören wird? Muss es uns nicht alle täglich in allertiefste Verzweiflung stürzen, wenn man ohnmächtig zuschauen muss, (was sehr schmerzhaft ist), dass immer noch Vorurteile und Intoleranz, dass das Hässliche und das Böse, dass Dummheit und Hass, dass immer wieder Gewalt, Terror und Krieg, die Gier nach Macht und nach Reichtum, dass all diese kranken Begierden mehr Macht über das Denken, über das Fühlen und über das Handeln der Menschen auszuüben scheinen als die Wahrheit und das Schöne, als das Gute und die Liebe, als Toleranz und Weisheit, als die Bereitschaft zu verstehen und zu verzeihen?

Wie kann man den Regierungen aller Nationen in West und Ost, in Nord und Süd, wie kann man einer bis an die Zähne bewaffneten „zivilisierten Welt“ (gibt es einen grösseren Widerspruch?) überhaupt noch trauen, geschweige denn vertrauen? Ausgerüstet mit immer tödlicheren Waffen, mit zielsicheren Raketen, die selbst noch eine Briefmarke in der Hand eines Postboten lautlos wegpusten können, mit Bomben, die noch tödlicher sind, mit teuflischen Giften, die noch giftiger sind als alle bisher bekannten Gifte - im Besitz dieser Waffen befinden und gefallen sich mittlerweile viele Staaten und deren Armeen.

Ob das kleine Nordkorea (ein kleiner Furz nur in der Geschichte des 20../21. Jahrhunderts und dennoch brandgefährlich) oder die übermächtige USA (noch gefährlicher als Nordkorea, da ihr jetziger Präsident, eine Art „Doppel-Reinkarnation“ aus Caligula und Nero, nur noch Gift und Galle spuckt und Feuer speit und Hass in die Seelen seiner Jünger träufelt, sogar schamlos mit einem Atomkrieg droht), ob Deutschland, das sich durch das Anzetteln zweier Weltkriege für alle Zeiten und vor allen Generationen schuldig gemacht hat (und trotzdem fest im Sattel des Waffenhandels sitzt), ob die vielzüngige Türkei, in der ein demagogischer Präsident die ganze Welt an der Nase herum führt, ob Schweden und die ewig marode und bankrotte, einst so grosse Kultutnation Italien, ob das schlitzohrige China oder das sich zaristisch gebärdende Russland (dessen Präsident mal diskret, mal offen von der Weltherrschaft träumt), ob das ölreiche und das mit gespaltener Zunge sprechende Saudi-Arabien (das viele Jahre lang den IS finanzierte), ob England, die Schweiz (allerbeste Waffentechniken stets parat), ob Iran, Pakistan und Indien (auch dort rühmt man sich stolz des Atombombenbesitzes), wodurch unterscheiden sich diese Länder, wenn sie heuchlerisch und mit Engelszungen vom Frieden sprechen, zugleich aber vor unser aller Augen weltweit Kriege anzetteln oder (mit riesigen Gewinnen) zumindest Kriege und Terror finanzieren?

Erst kommt das Fressen (das Geschäft), dann kommt (immer seltener) die Moral (sagte einst Bert Brecht). Und ich frage: ist das der „ethische Leitfaden“ unserer Epoche: McDonalds als Symbol einer verfressenen Zeit - Politiker ohne Moral und zu jedem Meineid bereit - Skrupellose Seelenverkäufer in Ost und West verhökern täglich Raketen, Drogen, den Tod und die Pest.

Was ist das doch für ein teuflischer Singsang. Ist es gar die Auftaktmelodie zur globalen Apokalypse und die endgültige Götterdämmerung? Wer gibt wann das Zeichen, wer wirft den ersten und wer wirft den letzten Stein in das schicke und doch so brüchige Glashaus unserer verlogenen, paranoiden und täglich kränker werdenden Zivilisation?

Immer nur „den Frieden verteidigen“ und regionale Unruhen weltweit im Keim ersticken, militärisch rund um die Uhr präsent sein als „Beschützer“ in afrikanischen, in asiatischen und arabischen Ländern (in denen es Öl und andere Bodenschätze gibt)„ in Afghanistan, im Irak, in Lybien, in Syrien (auch hier gibt es überall Öl, Öl, nichts als Öl im Überfluss) oder wo auch immer in der von Krisen aller Arten gebeutelten Welt von heute - ist das auf Dauer nicht doch recht langweilig oder gar (vor allem finanziell, politisch und militärisch) unergiebig und somit töricht?

Ja, da könnte doch ein neues Sarajewo, ein klitzekleines Weltkriegchen in der Tat so manches über Nacht wieder zurecht biegen, zum Beispiel alte Grenzen oder neue herstellen, verlorene Gebiete zurück holen (man denke an Zyper vor langer Zeut oder an die erst kürzlich anektierte Krim) und neues Einfluss-Terrain im Handstreich erobern, einfach so nebenbei brandneue Tatsachen schaffen, begehrenswerte fremde Märkte erobern und so weiter. Und die militärischen Muskeln provozierend spielen lassen: 16.000 (in Worten: sechzehntausend) Atomraketen und Bomben lagern in den Waffenkammern unserer Welt, abrufbar zu jeder Zeit (es können auch mehr sein).

Und dieser Wahnsinn geht weiter: Wer und wie viele unter den reichen arabischen Ölstaaten belieferten die islamischen Terror-Gruppen mit Öl und stecken ihnen möglicherweise und heimlich auch heute noch das Geld zu, mit dem diese Barbaren sich alle Waffen und Kriegsgeräte bei den „Männern mit den weissen Westen“ in den reichen Industrienationen kaufen können, um damit weltweit zu morden, brutal alles zu zerstören, was die Menschheit an Kultur, an Humanismus, an Zivilisation, an Freiheit und Demokratie, an Menschenwürde und Gerechtigkeit in zweitausend Jahren so mühsam aufgebaut hat?

Wenn diese mörderischen Banden, die sich „Gotteskrieger“ nennen, immer wieder und wahllos mal in London, in Berlin und Paris, in Nizza und Boston, in Brüssel und wo auch immer in der Welt unschuldige Kinder, Frauen, Männer töten und dabei auch noch ausrufen „Gott ist gross“, dann ist das eine kaum noch fassbare Dimension von Gotteslästerung, deren Zynismus alles übersteigt, was die Menschheit jemals erlebt hat.

Oder war das etwa einst auch der Schlachruf der Christen auf ihren Kreuzzügen gegen Jerusalem und gegen die angeblichen Barbaren von damals? Die „Gotteskrieger“ von heute werben für ihr schändliches Tun mit teuflischen Slogans: „Tötet sie, wie ihr wollt, zertrümmert ihnen den Kopf, schlachtet sie mit einem Messer, überfahrt sie mit einem Auto, werft sie von einem hohen Gebäude, erwürgt oder vergiftet sie“ Mit der Sprache der Zivilisation lässt sich eine solche zynische Parole, die zum Mord an jedermann aufruft, kaum noch benennen. Das ist Wahnsinn pur, lässt sich das Wort Wahnsinn überhaupt noch steigern?

Es geht ein Wahnsinn
um die Welt
und hinterlässt
von Ost nach West,
von Süd nach Nord
eine blutige Spur
aus Gier, aus Hass
aus Krieg, aus Mord
Er zerstört
was ihm in die Hände fällt,
schändet Gott,
weiss von Glaube, Hoffnung, Liebe nichts.
kennt Mitleid nicht
und auch kein Erbarmen
Dieser Wahnsinn trägt den Namen:
M E N S C H
Das Gegengift,
um sich von diesem Wahnsinn
zu befreien und zu gesunden
wurde bis heut nicht gefunden

Um diese grausigen Bilder und bösen Gespenster aus meinem Bewusstsein zu vertreiben, kehre ich doch rasch lieber wieder zurück nach Südfrankreich und zu meinen Versuchen, das Leben hier im Midi zu verstehen und mich der französischen Sprache peu à peu zu nähern. Hatte ich mich einst mühsam zunächst in die italienische und ein wenig später dann ebenso mühsam in die griechische Sprache hinein getastet, so arbeite ich mich heute, noch mühsamer und nur mit ganz kleinen Schritten vorankommend (und dennoch mit winzigen Erfolgen), in die französische Sprache hinein.

Diese Sprache (ich hatte das bereits einmal erwähnt), so unglaublich elegant und charmant, von jedem Franzosen (ob Marktfrau, Priester oder Staatspräsident) lässig aus dem Mund heraus strömend, wo sich jeder Satz in ein zärtliches Chanson von George Brassens verwandelt, ja, diese Sprache, die sich wie eine süsse Droge ins Ohr setzt, diese einst von allen Kaisern und Königen und in den feinen Salons untergegangener Epochen gesprochene Sprache, die ihre feinen nasalen Vokale und knallharten Konsonanten so virtuos und so spielerisch miteinander verknüpft, sie fasziniert mich stets aufs Neue. Und da gibt es noch etwas, das mich immer wieder staunen lässt, es ist die geradezu unglaubliche Höflichkeit und die unbändige Lebensfreude der Franzosen.

Zu diesem Thema wage ich, der Neuankömmling, mittlerweile ausgestattet mit zwölfjährigen und allerschönsten Fest-Erlebnissen zwischen Nîmes, Montpellier, Uzés, Marseille und Avignon bereits heute folgendes zu behaupten: Es gibt in ganz Frankreich, vor allem im Süden des Landes wahrscheinlich kein einziges Dorf, in dem während eines Jahres nicht mindestens ein Dutzend und mehr üppige Feste stattfinden, an denen sich alles beteiligt, was in einem Dorf noch sehen, hören, essen und trinken, tanzen und krauchen kann.

Frankreich ist, so will es mir scheinen, der alleinige Weltmeister aller dörflichen Fest-Inszenierungen mit stets traditionellen, kulturellen, mystischen und rituellen Hintergründen (wobei die Stiere eine wichtige Rolle haben), deren tiefe Wurzeln weit ins Mittelalter, bis in die Zeiten der Römer und sogar bis hin zu den Griechen reichen.

Worauf diese überbordende Leidenschaft des Festefeierns tatsächlich beruht, nun, ich werde es noch erkunden. Ich vermute aber schon mal heute : Die heiss sprudelnde Quelle, aus der sich die unbändige Lust der Franzosen am Festefeiern speist, sie heisst ganz einfach Lebensfreude, es ist die unbändige Lust zu sein.

Und gemeint ist hier nicht das oftmals so missverstandene Prinzip des „dolce vita“, das vor allem viele Deutsche anbeten, weil sie der Meinung sind, dass Nichtstun, dass Fressen, Saufen und Huren, sich auf Ibizza, auf Mallorca, in Rimini oder an den weissen Stränden der Côte d'Azur von der Sonne bräunen zu lassen, dass bereits all das der wahre und tiefere Sinn des Lebens und das Finden der grossen individuellen Freiheit sei. Sehr spät, bereits im siebten und mittlerrweile im achten Jahrzehnt meines Lebens stehend, erst da entdeckte ich das mir durch seine Literaten zwar bereits seit meiner Jugend so vertraute, mir bisher dennoch immer etwas fremd gebliebene Frankreich und dessen Bewohner.

Dieses Volk, das sich stets nur durch sich selbst definiert, holt sich (und das wohl bereits in jeder Generation seit 1789), sein unglaubliches Selbstbewusstsein aus dem Geist und aus der magischen Kraft dreier grosser Gedanken, die die gesamte Welt und das Denken der Völker auch in Europa wesentlich verändert haben und die bis heute die geistigen Säulen der Grande Nation sind. Égalité, liberté, fraternité. Ein Europa ohne Frankreich wäre wie ein menschlicher Corpus ohne Kopf oder wie eine Verdi-Oper ohne Overtüre. Vive la France!

Axel Michael Sallowsky

Vorabdruck aus "Treibgut nur im Strom der Zeit", 600 Seiten, 2021