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Skripal: Vom seriösen Doppelagenten | Untergrund-Blättle

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Das Giftattentat in Grossbritannien Skripal: Vom seriösen Doppelagenten

Gesellschaft

Ich las und hörte von einem Doppelagenten, auf den in Britannien ein Giftattentat verübt wurde. Ich gestehe, dass mir Doppelagenten unsympathisch sind. Sie spähen für eine Seite die andere Seite aus; sie spähen für die andere Seite die eine Seite aus.

The Mill – der Pub in Salisbury, in dem Skripal und seiner Tochter mutmasslich das Gift beigebracht wurde.
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The Mill – der Pub in Salisbury, in dem Skripal und seiner Tochter mutmasslich das Gift beigebracht wurde. Foto: Sebastian Ballard (CC BY-SA 2.0 cropped)

19. März 2018
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Korrektur
Das halte ich für miserables, verwerfliches Tun. Doppelt miserabel, doppelt verwerflich. Dass sie dafür von der einen oder der anderen Seite bestraft werden – Berufsrisiko. Beruf?

Ich las und hörte in den Medien-Nachrichten stets die Bezeichnung „Doppelagent“ mit. Als wäre es ein Beruf wie Diplomingenieur, Dompteur, Dressurreiter, Dolmetscher; als wäre ein Doppelagent eine ehrbare Profession, die nur derjenige ausüben kann, der sie erlernt hat. Was lernt ein Doppelagent ausser Täuschung, Verrat, doppelte, dreifache, hundertfache Moral? Warum spioniert einer für die eine und für die andere Seite?

Aus Überzeugung (welche wäre das, wenn Freund und Feind ihm als Gleiches gelten?), für Geld, weil er Romantiker ist, weil er sonst Langeweile hätte, weil er den Kitzel des (Doppelt)Geheimen braucht, weil er schon als Kind davon träumte, mit Füllfederhaltern, in denen Fotoapparate stecken, durch die Welt zu reisen? Ist es alles zusammengematscht in so einem Doppelagenten?

Etwas muss achtbar und bemerkenswert am Beruf des Doppelagenten sein, wenn er doch als solcher in der nüchternen Prosa der Nachrichten geführt wird. Als sei es ein normaler Beruf, ich wiederhole mich. Als wäre es ein achtbarer und bemerkenswerter Beruf, ich wiederhole mich. Als wäre ein Attentat auf ihn, den Doppelagenten, mindestens so schlimm wie ein Attentat – auf einen Klempner, auf mich, auf Sie, auf meine Nachbarin, auf die Leute, die gerade gegenüber eingezogen sind … Und dann die Folgen, mein lieber Schwan und Kokoschinski!

Die eine Seite, für die der Doppelagent spioniert hat, jault auf, sanktioniert und empfindet den Anschlag als Anschlag auf ihr Land, ja auf die westliche Welt. Die andere Seite, globusmässig östlich (obwohl auch das, drehe ich den Globus auf meinem Schreibtisch, relativ ist) kontert, dass dies ja wohl eine Zirkusshow sei, und Sanktionen könne auch sie, weil Sanktionen können alle.

Kann ich mir vorstellen, dass sich aus solchem Hin-und-Her-Gehabe und Wort-Gefechten ein Waffen-Gang ergibt? Ich meine, so ein richtiges Gefecht, in dem Kugeln, Raketen und Bomben eingesetzt werden? Mit Toten und Versehrten und Ruinen und allem Drum und Dran, von dem ich ohnehin täglich lese und höre; dass es noch nicht vor meiner Haustür stattfindet, dieses Massakrieren, beweist nichts. Nichts ist von Dauer, sage ich mal simpel, nichts kann von Dauer sein, wenn selbst Doppelagenten auffliegen, diese Schlauberger der Gemeinheit, in die seriöse Welt der Nachrichten und der Politik?

Was, frage ich mich endlich, sollte ich in Ausführungszeichen setzen? „Seriös“, „Doppelagent“, „Schlauberger“? „Gemeinheit“ - nicht, das kann stehenbleiben als Gemeinheit.

Samuel Kröger

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