Der Einsatz für das „ungeborene Leben“ ist in Wahrheit oft ein Instrument der Kontrolle Lebensschutz kommt nach der Geburt

Gesellschaft
Das ist mal wieder masslos übertrieben: Ungerechte Fesseln und alle Fesseln des Jochs lösen, die Unterdrückten freilassen, mit Hungrigen das Brot teilen, Obdachlose beherbergen, Nackte bedecken und nicht um's eigene Fleisch besorgt sein.


Mehr Artikel

Evangelikale Kirche in Cressing, England. Foto: Cressing Evangelical Church by Geographer (CC-BY-SA 2.0 cropped)

3
0



Weltweit mobilisieren konservative, evangelikale und rechtsradikale Kreise mit grossem Hallo für den „Schutz des ungeborenen Lebens“ und mähen nieder, was sich ihnen auf den Wiesen des Lebens in den Weg stellt. Unter dem Deckmantel des Lebensschutzes fordern sie strikte Abtreibungsverbote, kriminalisieren Schwangere und greifen die Selbstbestimmung von Frauen frontal an. Dabei stilisieren sie den Embryo zum schutzbedürftigsten Wesen der Gesellschaft – während sie gleichzeitig geborenes Leben sträflich - und strafbar! - vernachlässigen. Pustekuchen Menschenrechte.
Die Widersprüche dieser Politik sind eklatant: Dieselben Kräfte, die sich moralisch empört gegen Abtreibung positionieren, dulden gleichzeitig, dass schwangere Frauen an Grenzen abgewiesen werden – ohne Schutz, ohne medizinische Versorgung, oft in Lebensgefahr. Sie schauen weg, wenn Kinder in Flüchtlingsunterkünften ohne Schulbildung, ohne Spielraum, ohne Perspektive aufwachsen. Dass Frauen (nicht nur) dort sexualisierter Gewalt, Isolation und struktureller Abwertung ausgesetzt sind, interessiert sie so wenig wie die Frage, wie Familien menschenwürdig leben sollen.
Der Einsatz für das „ungeborene Leben“ ist in Wahrheit oft ein Instrument der Kontrolle: über Körper, Geschlechterrollen, gesellschaftliche Normen. Es geht nicht um Schutz, sondern um Machterhalt. Frauen sollen Kinder bekommen, aber keine eigenen Entscheidungen treffen. Sie sollen „an den Herd“, nicht Parlamente oder in entscheidende Positionen. Kinder sollen geboren werden – wie's dann weitergeht, interessiert die reichen Gesell-schaften allenfalls unter Verwertungsinteressen.
Diese selektive Sicht auf das Leben ist nicht nur heuchlerisch, sie ist gefährlich. Denn echter Lebensschutz beginnt nach der Geburt – mit Bildung, Gesundheit, Gewaltfreiheit, Gerechtigkeit. Wer wirklich das Leben schützen will, darf sich nicht nur auf den Fötus konzentrieren, sondern muss sich für das Leben in all seinen Phasen und Facetten einsetzen. Was für ein weites Feld für die fundamentalistischen Christen und ihre rechtskonservativen Anhängerinnen! Solange konservative Kräfte das „ungeborene Leben“ instrumentalisieren und das geborene Leben im Stich lassen, bleibt ihr Menschenbild zutiefst widersprüchlich – und vor allem: inhuman. Gell, Frauke, das siehst du auch so?