Zur derzeitigen Kulturkrise Die Angst des Menschen vor der eigenen Courage
Gesellschaft
Viele Menschen haben heute Angst vor der Zukunft, da sich der Eindruck in den letzten 10 Jahren immer mehr erhärtet hat, dass die Autoritäten der Kultur mit der Kulturführung überfordert sind.


Die meisten gegenwärtig sich passiv und gleichgültig verhaltenden Menschen haben in ihrer Kindheit die Erfahrung gemacht, dass gegen eine absolutistische, sadistisch agierende Autorität nicht anzukommen ist. Diese Erfahrungen wurden in der Regel so internalisiert, dass die Betroffenen nicht in Rechnung stellen, dass sie inzwischen erwachsen geworden sind und ganz andere Möglichkeiten besitzen. Solange der strategisch passiv bleibende Mensch diese Tatsache nicht verarbeitet und seine Haltung korrigiert, entwickelt er zwar immer wieder den inneren Impuls, couragiert für eine bessere Welt zu handeln, wird aber unmittelbar darauf mit einer inneren Angstreaktion konfrontiert. Die meisten Menschen ziehen es daher letztlich vor, passiv und unverantwortlich zu bleiben.
Eines der wesentlichen Gesetze, die der Mensch in Bezug auf diesen Ablauf seiner inneren Selbstorganisation begreifen und in Rechnung stellen lernen muss, ist das Gesetz der natürlichen Ökonomie. Dieses Naturgesetz bewirkt, dass in einem Lebewesen nur das an Fähigkeiten aufrecht erhalten wird, was im regelmässigen Gebraucht steht. Das bedeutet für den Kulturmenschen auch, dass er durch eine chronische passive und verantwortungslose Haltung ein entsprechendes Denken und Handeln bestärkt, während er gleichzeitig seine Fähigkeiten zum Mut und zur Entschlossenheit schwächt.
Welche Folgen diese chronische „Verbesserung“ der im Grunde aktiven und mutigen Natur des Menschen hat, wird erst durch das Faktum hinreichend nachvollziehbar, dass sich die Natur der Erde grundsätzlich durch das Individuum verwirklicht. Die natürliche Vergemeinschaftung von Individuen ist und bleibt biologisch gesehen ein Produkt der Individuen. Wenn diese Individuen eine absolutistische Staatskonstitution durch eine diktatorische Ordnungsherrschaft akzeptieren, dann handelt der Einzelne nicht länger natürlich, weil sich die Natur auf eine relative und nicht auf eine absolutistische Weise organisiert. Eine absolutistische Gemeinschaftsorganisation finden wir im Reich der Tiere und Pflanzen nicht, so dass sich der Mensch seit etwa 5000 Jahren auf eine unnatürliche Weise organisiert.
Der Begriff der „Sünde“ stammt aus dem Griechischen und wird traditionell mit einer Trennung von Gott oder der Natur gleichgesetzt. Die Sünde des Menschen bestand und besteht daher bis heute nicht darin, dass der Mensch gottgleich sein will, sondern darin, dass er es seit der Begründung einer absolutistischen Standeskultur besser weiss als Gott bzw. die Natur selbst. Der Kulturmensch ist daher vor allem deshalb in vieler Hinsicht destruktiv, bösartig und unzurechnungsfähig geworden, weil er sich mit einer widernatürlichen Kulturorganisation über alles Natürliche willkürlich hinwegsetzt und die Natur auf eine absolutistische Weise zu beherrschen und zu diktieren versucht.
Diese ungeschminkte Schlussfolgerung macht deutlich, dass der Kulturmensch, der gegenwärtig in einer fortschrittlichen Weise alles Natürliche übergeht und eine gigantische übernatürliche Kulturblase kultiviert, sich zwangsläufig in einer zunehmenden Weise selbst kontaminiert. Der Mensch kann das ihm daraus erwachsende „Schicksal“ einer immer unerträglicher werdenden Alltagsrealität nur dann aufheben, wenn er sein Kulturbild korrigiert und durch einen bewussten und aktiven Respekt vor der Natur wieder zu dem progressiven und freien Wesen wird, das er von Natur aus ist.
Niemand kann heute wissen, ob der Mensch die derzeitige Kulturkrise meistert oder ob er an einem bodenlos werdenden zentralisierten „immer mehr“ Kapitalismus scheitert. Dennoch kann eine aktive Auseinandersetzung mit der relativen Natur des Menschen und den Möglichkeiten des Menschen, sich auf eine natürliche Weise zu organisieren, die reale Hoffnung nähren, dass der Mensch aus dieser Krise geläutert hervorgeht. Erst dadurch kann der Mensch eine Gesellschaft gestalten, in der er respektvoll mit sich selbst und allen natürlichen Lebewesen umgeht und in der er auf eine natürliche Weise frei ist.
Für eine solche Agenda können wir heute in den Sichtweisen von Eleanor und Franklin D. Roosevelt eine wertvolle Inspiration finden: „Das einzige, was unser Volk zu fürchten hat, ist die Furcht selbst. Wir fürchteten den wirtschaftlichen Zusammenbruch, wir haben uns mutig gegen diese Angst gewehrt und sie überwunden. Nun meine Freunde gilt es auf den Frieden hinzuarbeiten, nicht nur diesen Krieg zu beenden, sondern die Anfänge aller Kriege. Alle, die sich mit uns zu einem dauerhaften Frieden bekennen, sage ich: die einzigen Grenzen zur Realisierung unsere Zukunft werden unsere gegenwärtigen Zweifel sein. Lasst uns voranschreiten in starkem aktiven Vertrauen.“ Franklin D. Roosevelt (März 1945 Warm Springs Georgia)
„Mut ist auf lange Sicht berauschender als Angst. Wir müssen nicht über Nacht zu Helden werden. Wir tun einen Schritt nach dem anderen, stellen uns den Dingen, wie sie kommen, merken, dass sie nicht so schlimm sind, wie sie erscheinen, und entdecken, dass wir die Kraft haben, ihnen zu trotzen.“ Eleanor Roosevelt
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