Die Zerstörung verlangsamen? Klimawandel: Fridays for Future und Autonomie

Gesellschaft

Nicht erst seit Greta Thunberg und der „Fridays for Future“-Bewegung ist der Klimawandel in aller Munde, doch hat sich mit ihr der mediale Diskurs deutlich verändert.

Fridays for Future-Demo, März 2019.
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Fridays for Future-Demo, März 2019. Foto: Magnus Hagdorn (CC BY-SA 2.0 unported - cropped)

18. November 2019
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Lange war der Klimawandel bloss mögliches und vor allem zukünftiges Schreckgespenst, welches sich durch diverse Abkommen, ungeachtet deren Zwecklosigkeit, verscheuchen liess. Und jetzt: Talkshows, Nachrichten, die politischen Wendehälse aller Parteien und zunehmend auch Unternehmen aller Art, hecheln dem Thema hinterher, auch wenn sie kaum oder sogar überhaupt keine Ahnung haben, wovon sie da eigentlich reden. Mag schon jemand an einen Sinneswandel glauben? Wohl eher nicht. Das Klima im Allgemeinen ist für Staat und Wirtschaft nur insoweit interessant, wie sich damit Geld verdienen oder Einfluss gewinnen lässt. Das nun neu artikulierte Interesse ist bloss deshalb entstanden, weil es derzeit so wirkt, als ob beides, also Geld und Einfluss, in Gefahr sind sofern sich nicht mit Umweltthemen kritisch auseinandergesetzt wird.

Die anhaltenden Beschwerden der Jugend lösen die Besorgnis aus, den Anschluss an eine sich weiterentwickelnden Welt zu verpassen. Zudem beschimpfen die jungen Menschen die Älteren mit überraschender Ausdauer als inkompetent und lassen sich bisher nicht mit den üblichen Propaganda-Plattitüden abspeisen. Und wer lässt sich so etwas gerne sagen? Zumindest niemand, dessen aufgeblähtes Ego Voraussetzung war, es bis in die Elite von Politik und Wirtschaft zu bringen. Das macht vordergründigen Aktionismus notwendig, auch wenn dadurch keine Verbesserung der Lage erreicht wird und diese aus der Elite auch nicht wirklich beabsichtigt ist. Im Gegenteil schreitet die Zerstörung der Umwelt weiter voran.

Das liegt nicht zuletzt daran, dass der Staat und seine dazugehörige Wirtschaft gar nicht dazu in der Lage sind, etwas Sinnvolles zu verändern. Beide sind darauf ausgerichtet, für den/die jeweilige*n gegenwärtigen Nutzniesser*innen den maximalen Ertrag zu erbringen, sei es die Befriedigung persönlichen Machtstrebens oder der maximale finanzielle Gewinn. Dabei ist der Blick immer aufs Gegenwärtige gerichtet. Die Zukunft spielt wenn dann bloss für zukünftige Gewinne an Geld und Einfluss eine Rolle. Daher steht die Wende hin zum Thema Klimawandel und Umweltschutz fortwährend bloss unter diesem Interesse. Zumindest ein paar junge Unternehmer*innen und sonst ganz unbedeutender Grünenpolitiker*innen freuen sich, da ihre im Grunde genommen völlig bescheuerten Ideen ihnen nun den gewünschten Ertrag einbringen: Macht und Geld im Glanze moralischen und ökologischen Edelmuts.

Wie aber sieht es aber denn eigentlich aus mit der Bedeutung des Klimawandels für die Gesellschaft und welche Rolle nimmt die „Fridays for Future“-Bewegung für die Gesellschaft ein? Es stellt sich ja die Frage, a) was der Klimawandel eigentlich ist und ob b) die „Fridays for Future“-Bewegung dazu geeignete ist, relevante Probleme der Gesellschaft zu lösen und sofern das nicht der Fall ist, wie dann c) ein solcher Beitrag aussieht.

Der Begriff Klimawandel ist nicht bloss die Beschreibung einer Veränderung der weltweiten Wetterbedingungen hin zu einer globalen Erwärmung. Er ist vielmehr eine Chiffre für das Verhältnis vom Menschen zur Natur im Allgemeinen. Um das zu verstehen, ist es hilfreich, sich den Wandel in diesem Verhältnis genauer anzuschauen.

In aller Kürze: Die Natur stand dem Menschen gegenüber in frühen Zeiten sehr feindlich gegenüber. War er ihr schutzlos ausgesetzt, konnte er kaum überleben. Er musste also beginnen, sich gegen die Natur zur Wehr zu setzen. Das allerdings ging nur zu einem sehr begrenzten Masse aus eigenen Möglichkeiten und so nahm der Mensch sich die Natur selbst zur Hilfe. Da, wo möglich, begann er, sie seinen Interessen zu unterwerfen, um sich vor ihren Widrigkeiten zu schützen. Allerdings blieb der Mensch bei dieser für sein Überleben sichernden Notwendigkeit nicht stehen. War er erfolgreich, baute er die Herrschaft über die Natur weiter aus. Damit entwickelte sich das menschliche Leben weg von dem blossen Überleben hin zu einem Leben, dass zunehmend Annehmlichkeiten jenseits des Überlebenskampfes hervorbrachte.

Hieraus entwickelten sich zwei traditionelle Konflikte, bzw. Probleme. Zum einen war diese Fortentwicklungen in den verschiedensten Kulturen nie unumstritten. Der Konflikt entzündete sich an der Frage, wie weit die Herrschaft über die Natur gehen dürfe und ob die Natur nicht einen Wert an sich habe, etwas Heiliges sei, und dergleichen mehr. Wenn wir einmal von der Beantwortung der Frage ablassen, ob die Natur nun wirklich beseelt ist/etwas heiliges ist/etc, können wir im Mindesten davon ausgehen, dass die Beherrschung der Natur den Menschen zumindest teilweise schon früh ein gewisses Unbehagen bereitete.

Auf der anderen Seite stand schon immer die „Mache-Dir-die-Erde-Untertan“ Mentalität, also jene Haltung, die von Verzicht aus Rücksicht auf Mutter Erde/Natur nichts wissen will und die den Fortschritt (und Fortschritt als fortschreitende Naturbeherrschung) als produktive Entfaltung der menschlichen Existenz sieht. Letzteres ist die Haltung, die sich ausgehend aus der Antike in weiten Teilen Europas durchsetzen konnte und welche dann zur Zeiten der Entdeckung Amerikas und der Kolonialisierung Afrikas in der Verachtung, Versklavung und letzten Endes im Hinmetzeln der sogenannten Naturvölker und vermeintlich primitiven Kulturen äusserte, deren Vorstellungen einer beseelten Natur nur noch Spott hervorriefen und im weitesten Sinne bloss noch als Schauergeschichte dienen mochte.

Der andere Konflikt ist einer, der in erster Instanz im Menschen selbst abspielt, was dann in der Folge natürlich auch Auswirken für das Zusammenleben der Menschen untereinander hat. Der Mensch ist selbst ein Stück Natur. Sein Hinaustreten aus der Natur war nie vollständig. Egal wie sehr er sein Denken und seine Vernunft entwickeln mochte, so blieb er doch mit seinem Körper in der Natur verhaftet. Schon weit zurück in der Antike ist das den Menschen aufgefallen. Dies drückt sich aus in allen Vorstellungen eines im Körper sitzenden Geistes, einer Seele, usw., welcher nach dem Tod aus dem Körper heraustreten und sich mit einem grösseren Bewusstsein (Nirvana, der Himmel, die ewigen Jagdgründe) vereinen kann.

Und während dies in manchen frühen Kulturen einfach so, sagen wir mal wertfrei, angenommen wurde, so hat der Umstand, dass der Mensch einen Körper hat, in anderen Teilen der Welt, die Menschen zum Teil richtig gestört. Der Körper erschien ihnen als einengendes, unbrauchbares und auch schmutzig-/sündhaftes Gefängnis. Seine Unbrauchbarkeit zeigte sich letztlich auch in seinem Verfall: Ziel des Denkens und der Lebensführung konnte also nur sein, das Mangelhafte am Körper zu überwinden, so dass das Denken und die Vernunft in Reinform alles kontrollieren und so den Eintritt in das grosse Bewusstsein vorbereiten könnte.

Ohne nun die zahllosen Facetten einzufangen, was wirklich eine Schande ist, denn sie sind ja zweifelsohne interessant, können wir sagen, dass diese Vorstellung der Vernunft und der Natur in Europa mit viel Gewalt durchgesetzt wurde. Dabei veränderte sich auch das, wozu die Vernunft in der Lage war. Ihre „Macht“ vergrösserte sich. Einen entscheidenden Sieg errangen ihre Verfechter*innen dann vor allem in der Zeit der Aufklärung. Sperrige Ketten, wie etwa die Kirchenmoral, wurden abgelegt, sowie eine Hemmung bezüglich des Zerteilens und Zergliederns von allem, was da lebt, überwunden.

Die sich hieraus entwickelten Möglichkeiten waren enorm und beflügelten die Vorstellungen der Menschen dahin, dass im Grunde genommen ALLES möglich sei. Die äussere wie eigene Natur wurden zur modellierbaren Masse, an welcher nach belieben herumgespielt werden konnte und ja heute in einer bisher völlig ungekannten Weise immer noch wird. Der Mensch selbst, wie auch die äussere Natur, wurde, wie es schien, dem Menschen tatsächlich Untertan. Eine mythische Vorstellung davon, dass die Natur irgendwie beseelt sei oder dass ihr Eigenleben einen Wert an sich hätte, verloren für eine gewisse Zeit in der öffentlichen Rezeption an Bedeutung.

Was heutzutage passiert, ist jedoch weit mehr als das. Auf der einen Seite werden die technischen Fantasien, die bis vor Kurzem noch als Science-Fiction galten, Wirklichkeit. Teil dieser Entwicklung ist, dass der Mensch tatsächlich sich von seiner eigenen Natur (also seinem Körper) und von seiner Umwelt loslösen kann. Auf der anderen Seite aber haben fortdauernden Eingriffe in die Natur, diese verändert und zwar soweit verändert, dass sie begonnen hat, ihre bisherige Gestalt einzubüssen und wie es scheint in nicht unerheblichen Teilen abzusterben und ihre Substanz zu verlieren. Um es kontrastreich darzustellen: Die Natur kam ohne den Menschen aus, sie ist auf seine Herrschaft nicht angewiesen. Auf der anderen Seite will der Mensch eine Welt erschaffen, in welcher er selbst ohne Natur existieren kann. Dies ist das allgemeine Ziel des derzeitigen Fortschritts. Für die Vernunft und den Fortschritt den sie gebiert, hat die Natur keinen Wert an sich.

Die Veränderung des Klimas und die Folgen für die Natur spielen in der vernünftigen Welt nur insofern eine Rolle, wie der technische Fortschritt zu langsam ist. Würde der technische Fortschritt, dass der Mensch vollständig unabhängig ist von der Natur rechtzeitig einsetzen, also so schnell, dass der Mensch das Absterben der Natur überleben kann, so wäre das im Grunde genommen von der Vernunft her völlig egal. Noch ist das aber nicht so.

Der Begriff Klimawandel ist daher Chiffre für den Wettlauf zwischen technischem Fortschritt und Absterben der Natur. Noch ist der Mensch nicht unabhängig von der Natur, er braucht sie zu Überleben. Stirbt sie ihm jetzt und damit zu schnell weg, dann wird es auch nichts mehr mit dem grossen technisch-vernünftigen Heilsversprechen. Der Streit zwischen denjenigen, die die Bedeutung des Klimawandels hervorheben und denen, die ihn kleinreden oder leugnen, ist zum Teil ein Glaubensstreit darum, ob der Mensch in der Lage ist, qua seiner Fähigkeiten die sich verändernden Bedingungen zu überleben oder nicht, ein Streit darum, ob der Mensch die nötige Technik noch entwickeln kann/schon hat, oder eben nicht.

Die Zerstörung verlangsamen - Fridays for Future

In der patriarchalen Menschheitsgeschichte hat sich etwas entwickelt, was wir die Totalität der Vernunft nennen. Dies bedeutet, dass der Mensch das „Vernünftige“ absolut über alles andere setzt und davon ausgeht, dass bloss das, was vernünftig ist, auch gut oder richtig sein kann und zugleich verkennt, dass aus der Vernunft heraus gar kein Massstab abzuleiten ist, nach welchem sich gut und richtig erfassen lassen. Leider hat sich dieses patriarchale Element so weit in die menschliche Gesellschaft hineingefressen, dass es den meisten Menschen als völlig selbstverständlich und richtig vorkommt.

Dabei ist „das Vernünftige“ schon immer das gewesen, was der Herrschaft diente und die Unterworfenen zum Schweigen bringen sollte. Denn WAS vernünftig ist, darüber entscheiden nicht alle gleichermassen mit. Entgegen der allgemeinen Ansicht über die Vernunft, die ja gerade eine neutrale Rolle einnehmen soll, ist vernünftig immer bloss der Versuch, die eigene Machtposition abzusichern oder eine neue aufzubauen und dabei gleichzeitig persönliche Interessen zu verschleiern. Daraus folgt, dass der Dialog zwischen Herrschenden und Beherrschten für die Beherrschten zur Umsetzung ihrer Interessen sinnlos ist.

Sofern die Herrschenden ihre Machtbasis nicht gefährdet sehen, werden sie nach unten immer erklären, das dass, was getan wird, gerade notwendigerweise getan werden muss (Überhaupt eine interessante autoritäre Technik: Nicht zu sagen „dies und das ist so“, sondern zu sagen „es ist notwendigerweise so“) und sie nicht die eigenen und bloss persönlichen Interessen umsetzen, sondern die allgemeinen Interessen und das sowieso alles so gemacht werden muss, ganz jenseits der persönlichen Position dazu („Ich finde es selber schlimm, aber...“ ist die sprachliche Figur dazu). Dies ist der Weg, von oben nach unten zu sprechen. Wer von unten nach oben sprechen will und sozusagen darauf hinwirken will, dass die da oben zuhören, der muss immer noch etwas dabei haben und das ist eine Gefahr oder zumindest eine Bedrohung, also etwas, was denen oben Angst macht.

Die aufbegehrende Jugend von „Fridays for Future“ stellt für die aktuell Herrschenden ein Problem dar, schliesslich sind sie sowohl Konsument*innen, als auch Wähler*innen und ihre Anzahl zu gross, als dass sie einfach ignoriert werden könnten. Ihr anhaltendes Missfallen hat schon etwas an sich, was bei den aktuell Herrschenden Unbehagen auszulösen scheint. Darüber hinaus entfaltet Friday for Future eine Wirkung auch auf Erwachsene.

In einer Zeit, wo Katzenbilder die Menschen bewegen, sind Kinder und Jugendliche, die sich gegen den Klimawandel einsetzen, etwas, was die Menschen anrührt, was die temporäre Hochphase der Grünen begründen dürfte. Und hastdudichnichtversehen hat sich die Zahl und Bedeutung der Jugendlichen durch die Zahl der angerührten Erwachsenen vergrössert. Insofern können Staat und Wirtschaft die Fridays for Future Bewegung zumindest für den Moment nicht ignorieren, zumal sich diese nicht mit der üblichen Propaganda abspeisen lässt. Dies liegt daran, dass die Jugend ja tatsächlich etwas zu verlieren hat, wenn das Absterben und genauergenommen das Ausrotten der Natur sich vor der Verwirklichung des technologischen Sieges vollzieht. S

ie wissen noch nicht (oder manche wissen es vielleicht schon sehr genau), wo sie im Verteilungskampf eigentlich stehen, ob sie also im Moment des Niedergangs der Natur auf der Seite der Nutzniesser*innen des technologischen Sieges stehen, oder eben nicht. Zum Teil sind sie vielleicht auch noch nicht amoralisch genug, dass es ihnen egal ist, dass es neben den Gewinner*innen auch Verlierer*innen geben wird und es ist ja sehr wünschenswert, wenn auch nicht so wahrscheinlich, dass sie sich das erhalten. Für die aktuellen Herrschenden spielt das „nach mir“ kaum mehr eine Rolle, aber genau dieses „nach mir“ ist für die Jugend noch das „vor mir“, weswegen sie gut daran tun, den Klimawandel zu beachten, um nicht von den derzeitigen Mächtigen, die ja nur ihr eigenes Überleben im Sinne haben, die Möglichkeiten für ein späteres Überleben versautzubekommen.

Die Zerstörung der Natur auf eine Weise, die das Überleben der nachfolgenden Generation vielleicht schon verunmöglicht und zumindest erschwert, stört das Verhältnis von den aktuell Mächtigen in Politik und Wirtschaft und der Jugend. Eigentlich wollen Politik und Wirtschaft, dass die Kinderlein sich durch Erziehung und Ausbildung zu produktiven Erwachsenen entwickeln, die dann entweder den Fortbestand der eigenen Macht sichern und dafür selbst später etwas davon abbekommen, oder aber zumindest doch in fleissige Durchschnittsarbeitskräfte und wenn das auch nicht funktioniert zumindest doch in jemanden der einfach zuhause sitzt und die Fresse hält. Der Vorgang ist eigentlich immer dergleiche, die derzeit Mächtigen sagen: „Ihr bekommt schon alle was, jaja, auch du, der du nichts machen musst, ausser die Fresse zu halten, auch du bekommst etwas, halt nur nicht soviel, aber es wird dir schon reichen, nur sei halt still.“ Und die Antwort ist traditionell: „Ja gut, dann sind wir halt mindestens still.“

Dieser Deal geht für die Jugend eventuell aber gar nicht mehr auf, weil fleissig sein oder still halten eventuell beides schon Zeit des Lebens dazu führt, dass nichts mehr geht. Dass FfF anhaltend auf die Strasse geht, ist insoweit wirklich gut nachvollziehbar. Aber ist das schon alles, oder sagen wir mal, würde es hier reichen, wenn die Rasselbande etwas mehr Rums hinter ihre Forderungen bringen würde, damit denen da oben auch schön die Knie ins Zittern kommen? Nun, also wem die Natur soweit egal ist und wer selbst an Vernunft und den technischen Sieg der Menschen über die Natur glaubt, der kann diese Frage bejahen. Denn den Vernünftigen geht es ja darum, sich mehr Zeit zu erschliessen, bis der Mensch sich einfach alles durch technische Geräte ermöglichen kann, wie etwa bei Star Trek: Das Holodeck, welches jede beliebige Zeit und Landschaft herbeizaubern kann und der Replikator, mit welchem alles auf Zuruf irgendwie sagen wir mal ausgedruckt wird (und in der Gegenwart heisst das dann VR-Brille und 3D-Drucker, noch nicht ganz so Leistungsstark, aber immerhin).

Ob FfF hier tatsächlich etwas bewegen kann, ist schwer vorherzusagen. Sie müssten ja soviel Wirkung entfalten, dass nicht nur ein paar Politiker*innen und Firmen ihren Vorteil aus der Bewegung abschöpfen und sie danach wieder fallen lassen, sondern dass tatsächlich die jeweils regierende Partei tatsächliche Massnahmen unternimmt, um etwas für das Klima zu erwirken. Und zumindest für diesen Punkt gibt es gerade keinerlei Anzeichen. Auch keine Anzeichen gibt es dafür, dass sich FfF weiter radikalisieren wird, obwohl das natürlich nie auszuschliessen ist. Bei den Aktionen von Ende Gelände am Tagebau blieben sie zuletzt brav an der von der Polizei gesetzten Schwelle stehen, aber das muss ja nichts für die Zukunft heissen.

Nach der Schilderung der Konfliktlinie zwischen Staat/ Wirtschaft und FfF haben wir auch den Nutzen von FfF für die Gesellschaft beschrieben. Es geht um das Erkaufen von Zeit und dieser Kauf hat auch für die Gesellschaft einen konkreten Nutzen. Er besteht eben darin, dass sie von der grundsätzlich rücksichtslosen und zerstörerischen Wirtschaftsform und der politischen Elite nicht ganz so fix zerrieben wird, bzw dass das Ende noch etwas hinausgezögert wird. Sofern sich aber nichts am Verhältnis von FfF zum Staat ändert, sie also die grundsätzliche Feindschaft zwischen der Jugend und dem Staat nicht erkennt, besteht weiterhin die Aufgabe für autonome und progressive Strukturen, sich selbst aus der Umklammerung durch Politik und Wirtschaft zu befreien und so einen Weg zu öffnen, gegenüber den zerstörerischen Tendenzen im Weltgeschehen zu widerstehen.

Eigener Beitrag und was geht denn noch? Autonomie

Mag ja sein, dass von FfF derzeit nicht viel in Richtung Umschwung zu erwarten ist und auch die Wirkung hinsichtlich des Klimas eher gering bleiben wird. Wer sich hier vor Ort Hoffnung machen will, der braucht sich ohnehin nicht an den wechselnden und unterschiedlichen gesellschaftlichen Regungen orientieren, sondern an sich selbst. So stellt sich wie immer die Frage nach dem eigenen Beitrag, aber seien wir mal ehrlich: Angesichts der Weltlage stellt sich die Frage ganz grundsätzlich, was denn überhaupt noch ein sinnvoller Beitrag sein kann. Ist denn überhaupt noch was zu retten?

Das ist mehr als eine Frage der Mittel. Hoffnung auf Veränderung kann sich bezüglich der aktuellen Probleme weder bloss entwickeln aus der Bereitschaft zu drastischen Mitteln in der Aktion zu greifen, noch am clever gewählten Ziel einer solchen. Radikalität muss sich auch beweisen als radikaler Gedanke, als radikaler Inhalt und als solcher steht er in der Pflicht, sich nicht bloss durch die Steigerung der allgemeinen Forderung zu gebärden (wie zB angesichts der Forderung von FfF, Flugpreise zu erhöhen, um die aktuell immer noch steigende Anzahl der Flüge zu reduzieren, dadurch radikalisieren zu wollen, die Stilllegung allen Flugverkehrs zu fordern, auch wenn das für das Klima sicher gut wäre und dann diesbzeüglich vielleicht noch die eine oder andere Aktion durchzuführen). Demgegenüber finden sich radikale Gedanken aber auch nicht bloss durch intensives Nachdenken oder Ähnlichem. Sie entstehen vor allem durch die Aufmerksamkeit gegenüber den Verhältnissen in der Welt und den Problemen der Menschen, (also auch unserer Problemen) und unserer Fähigkeit, diese anzunehmen und zu verstehen und damit eine Änderung zum Besseren herbeiführen zu können.

Dazu gehört auch, nicht zu versuchen, ein Problem, welches erkennbar wird, durch ein anderes Problem zu erklären und quasi die Lösung beider falsch zu verknüpfen. So ist es zwar so, dass der Klimawandel sich unter derzeitigen Bedingungen zum sozialen Konflikt, zum „Survival of the Richest“ entwickelt: Die technischen Möglichkeiten sich den negativen Auswirkungen des Klimawandels zu entziehen sind bereits enorm (so ist beispielsweise die Entwicklung einer Mondbasis, in welcher unter den Bedingungen der Mondathmo- und Biosphäre Lebensmittel angebaut werden können, schon sehr weit fortgeschritten, bei aller sagen wir mal Wahnwitzig-und Sinnlosigkeit), sie sind bloss extrem aufwendig und damit teuer. Nur wenige können sich bisher leisten, unter drastischen Klimaveränderungen sowie dem derzeitigen Massensterben von Arten, ein Leben zu führen wie bisher, trotzdem scheint es möglich.

Unter dieser Perspektive erscheint der Klimawandel nicht als Problem für sich, sondern ein Problem der Ressourcenverteilung. Ist dieses gelöst, also der Wohlstand gerecht verteilt und nicht mehr auf einige Wenige konzentriert, ist der Effekt des Klimawandels nicht mehr entscheidend. Alle Menschen kommen fortwährend in den Genuss jener Errungenschaften, die das Überleben sichern, auch wenn das Klima sich verändert und die Natur abstirbt. Ein radikaler Beitrag zur Lösung der Probleme der Menschen stellt eine solche Erklärung (oder sagen wir mal besser „Ansicht“, denn das ist keine Erklärung, das ist eine Ansicht) jedoch in keiner Weise dar.

Zum einen läge ein dem der FfF-Bewegung ähnlicher Schluss nahe, bloss dass das Objekt im Satz „wir brauchen noch Zeit für den technologischen Sieg“ ersetzt werden müsste durch „für die soziale Revolution“. Ein für sich genommen völlig aussichtsloser Schulterschluss aller, die noch Projekte in der Zukunft vorhaben, erschiene mithin sinnvoll, also die Organisation einer Einheitsfront der Klimaretter*innen. Daneben wäre es ebenfalls möglich, sich bei denjenigen einzureihen, die den Klimawandel herunterspielen oder ganz leugnen, weil dadurch das eigentliche Projekt, die soziale Revolution bloss behindert wird, weil Energie und Zeit in sinnlose Projekte zur Klimarettung flössen.

Geholfen wäre mit beidem niemandem, auch wenn der Aspekt, dass der Klimawandel die Armen zuerst trifft, natürlich richtig ist. Aber weder gibt es Anzeichen dafür, dass die FfF-Bewegung einer sozialen Revolution Vorschub leisten wird, noch gibt es überhaupt Anzeichen für eine soziale Revolution. Wenn gerade Menschen aufbegehren, weil sie mit der innergesellschaftlichen Verteilung unzufrieden sind (wie etwa in Frankreich), so zeichnet sich in keiner Weise ab, dass das Klima dabei eine besondere Rolle spielt (auch das Zusammengehen der Klimabewegung und den Gillet Jaunes war einmaliges und konstruiertes Ereignis ohne sichtbare Konsequenzen für die gesamte Bewegung).

Also was stattdessen? Am Anfang steht, die Bedeutung des Klimawandels zu verstehen und zu sehen, dass er kein isoliertes Phänomen ist. Für manche ein alter Hut, allerdings gewiss noch kein Common-Sense. Die Zusammenhänge zwischen den negativen Globalentwicklungen, von denen der Klimawandel bloss eine ist, neben etwa dem technologischen Angriff, dem Rechtsruck in der „westlichen Welt“, zunehmende internationale Kriegsbereitschaft, Bedrohungen innerhalb des Weltwirtschaftsgefüges, grassierende und wachsende Armut in weiten Teilen des Trikonts, sind dabei nicht bloss additiv zu behaupten. Vielmehr muss ihnen im Sinne eines tiefgreifenden Verständnisses nachgespürt werden.

Der Erwerb dieses Wissens ist für das Erzielen einer Veränderung substantiell, da sonst die Ebene der Teil- und Einzelbereichskämpfe nicht verlassen werden kann, was wiederum zur Folge hat, dass die Kämpfe mit ihren Angriffen nicht gut treffen können. Das Einleiten klimaerhaltender Massnahmen ist überhaupt gar nicht zu erwirken, sofern nicht auch die ja tatsächlich damit zusammenhängenden anderen Felder angegangen werden. Auch ein altes Phänomen, aber genauso wie die Kenntnis darüber schon länger da ist, so oberflächlich bleibt auch die Beschäftigung damit.

Nicht selten lassen wir uns verleiten, eine Haltung einzunehmen, die sich vielleicht damit umschreiben lässt, dass alle an ihrem jeweiligen Steckenpferd arbeiten und dass dies in der Summe schon das für die Veränderung Nötige ergäbe. Aber dem ist nicht so. Zum einen ist die Entfernung zwischen den Teilbereichskämpfen ganz faktisch viel zu gross. Überschneidungen und Kooperationen bleiben Einzelerscheinungen und bilden soweit zu sehen kaum dauerhafte gemeinsame Strukturen hervor. Die Annahme der Perspektive „alle zusammen mit jeweils ihrem Einzelthema, dann kommt auch alles raus, was wir brauchen“, ist bisher einfach nur eine Annahme über einen schönen Moment in der Zukunft geblieben und findet seinen Ausdruck ja selbst bei den Gruppen nicht, die das auch von sich behaupten (wie etwa die Linkspartei oder die IL).

Zum anderen ist die Erwartung, dass der Fortschritt in vielen Teilbereichen zu einem Fortschritt insgesamt führen wird, nicht sehr verschieden von der generellen Vorstellung linken Reformismus und damit eine Abkehr von der Idee grundsätzlicher Neugestaltung. Die Idee der grundsätzlichen Neugestaltung ist hierbei jedoch nicht bloss persönliche Fantasie, sondern die unmittelbare Folge aus der Einsicht in die Verbundenheit der negativen Globalentwicklungen und deren Ausdruck auf kommunaler Ebene.

Demgegenüber erscheint es sinnvoll, in einem rückbesinnlichen Nachvorneschauen, den Begriff der Autonomie und die darin gefasste Perspektive auf sich selbst, die Gesellschaft und den Staat, mit neuem Leben zu füllen. Es wäre wünschenswert, wenn die gar nicht so seltenen Angriffe und Anfeindungen gegen die bestehende Ordnung sich beziehen könnten auf den Aufbau autonomer Strukturen oder mehr noch, dass diese Angriffe vielmehr deren Ausdruck wären. Das dies nicht so ist liegt daran, dass der Auf und Ausbau autonomer Strukturen vielerorts zum Erliegen gekommen ist oder selten weiterging als der Aufbau eines Autonomen Zentrums mit einer darauffolgenden Ideenlosigkeit, wie sich die Vorstellungen einer gelebten Autonomie jenseits der Zentrumsmauern weiter verwirklichen lassen könnten. Dabei ist es nicht so entscheidend, nun mit einer Ideensammlung anzufangen. Schliesslich gibt es einen Grund für die Ideen- und Praxislosigkeit bezüglich des Aufbaus eigener Autonomer Strukturen. Und dieser Grund sind wir selbst. Wir sind in vielerlei Hinsicht viel zu gefangen in der Welt, die wir verändern wollen und haben noch keine ausreichende Autonomie in uns verwirklicht. Unser eigenes Leben ist Ausdruck davon.

Die Faszination für die kurdische Bewegung heute oder zuvor für die Zapatistas liegt ja unter anderem in deren tatsächlichen autonomen Strukturen begründet. Nicht wenige, die den Weg nach Chiapas und Rojava fanden, berichten davon, dass das Leben dort sich anders angefühlt hätte, dass ihnen unter diesen Bedingungen vieles möglich wurde, was ihnen hier nicht möglich ist. Und das ist gut zu glauben, bloss war das ja jeweils da und dort nicht von Anfang an so. Die heutigen Strukturen kamen ja aus einer Situation, in welcher der Aufbau von Autonomie von staatlicher Macht und Herrschaft ebenfalls recht unplausibel gewesen war. Das Besuchen der Genoss*innen mag interessant sein, entbindet uns aber nicht von der Frage, wie wir hier Autonomie entwickeln können.

Das voranbringen einer neuen Autonomie hier ist dabei kein „Heilmittel“ für Probleme wie den Klimawandel, wie auch für alle anderen Probleme. Ein solches Heilmittel scheint es ohnehin nicht mehr zu geben, die grossen globalen Verwerfungen kündigen sich an und es sieht einfach nirgends danach aus, als ob eine ausreichende progressive Kraft dies verhindern könnte. Diese Welt stirbt, weil der Mensch sie umbringt. Und wir sehen an uns, aber auch an ganz vielen anderen Menschen um uns herum, dass trotz des grossen Wissens darüber, niemand bereit ist, etwas zu ändern, sich zu ändern. Das Entwickeln einer neuen Autonomie hier ist vielmehr eine Option, sich in zunehmenden und kommenden Krisen und Verwerfungen zu behaupten und der Idee der Freiheit aller Menschen und einem tatsächlichem friedlichen Leben ein Zuhause zu geben, gerade dann, wenn um uns herum dieser Gedanke dabei ist, Bedeutung zu verlieren.

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