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Queerfeminismus: Gemeinsamkeiten und Widersprüche

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Die Verbindungen der Geschlechterhierarchie zu den Herrschaftsmechanismen Queerfeminismus: Gemeinsamkeiten und Widersprüche

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Gesellschaft

Der Queerfeminismus hat einen internen Widerspruch: Kampf für Frauenrechte trotz der Forderung nach Abschaffung der Geschlechter.

Beispiel für die Überschneidung von Sexismus, Kapitalismus und Imperialismus: Eine Kleiderfabrik in Vietnam.
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Beispiel für die Überschneidung von Sexismus, Kapitalismus und Imperialismus: Eine Kleiderfabrik in Vietnam. Foto: ILO in Asia and the Pacific (CC BY-NC-ND 2.0)

Datum 23. Juni 2016
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Lesezeit7 min.
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KorrekturKorrektur
Warum dieser nicht weiter schlimm
oder gar notwendig ist und welche interessanten Gemeinsamkeiten zwischen Sexismus und anderen Unterdrückungsformen bestehen.

Wenn Mensch für die Abschaffung der
Geschlechter(-rollen) kämpft, wie kann
mensch sich dann für Feminismus einsetzen?
Ist mensch dann nicht Gehilf_in
der Reproduktion dessen, was mensch
abzuschaffen versucht? Wichtig für diese
Frage ist die Anerkennung der Teilung in
gesellschaftliche Realität und Utopie: Die
queere Utopie – zumindest meine – ist dabei
die Überzeugung, dass die Geschlechterunterschiede
an sich nicht existent oder
massiv überbewertet sind.

Die Unterschiede
innerhalb der Gruppen „Männer“ und
„Frauen“ werden dabei oftmals heruntergespielt,
Unterschiede zwischen den
Gruppen hervorgehoben – ein Phänomen,
dass die Psychologie schon lange bezüglich
Vorurteilen kennt, der gleiche Mechanismus
greift dabei auch bei Rassismus
und Nationalismus.
Frau und Mann sind
zwei Konstrukte, welche maximale Unterschiedlichkeit
proklamieren, in der Realität
gibt es jedoch sehr wohl Überschneidungen,
welche oftmals gesellschaftlich
bestraft werden (z.B. Bezeichnungen als
Weichei oder Schlampe). Aus queeranarchistischer
Sicht sind die Unterschiede
dabei kein Problem an sich.

Gewünscht ist
nicht ein Einheitsmensch oder eine Gleichschaltung.
Problematisiert wird vielmehr
die strukturelle Differenzierung von
Menschen in zwei vermeintlich homogene
Gruppen, welche keine Rücksicht auf
den einzelnen Menschen nehmen. So gesehen
ist queerness das genaue Gegenteil
von Gleichschaltung. Abgelehnt wird die
systematische Unterscheidung aufgrund
äusserlicher Merkmale wie Genitalien.

Die
radikalste Form von queerem Verständnis
kann dabei den Menschen als radikal
formbares Wesen sehen, als ein Produkt
des Wechselspiels zwischen strukturell
formender Gesellschaft und zugleich einer
durch Menschen geformten – oder zumindest
geduldeten und somit reproduzierten
– Gesellschaft. Die Annahme: Würden
Menschen – ähnlich Phänomenen wie Kapitalismus
und Staat – nicht mehr daran
glauben, so würde die Zweigeschlechtlichkeit
kollabieren und verschwinden.

Gesellschaftliche Realität

Daraus würde jedoch folgen, dass sich
Queeraktivismus eben gerade dieser
Zweipoligkeit verschliessen müsste und
somit Feminismus abzulehnen sei, da es
die feminine Rolle anerkennt. Teilweise
scheint dies in feministischen Strömunergen
auch so zu sein: Das feminine wird
als natürlich und gut bezeichnet [1].

Damit
wird die Reproduktion der Geschlechterunterschiede
nur unterstützt, da mit dem
Verweis auf die Natur die Teilung eben
gerade als natürlich bezeichnet, also essentialisiert
wird. Dies ist jedoch nur eine
Strömung unter vielen. Ich orientiere mich
hierbei vielmehr an der gesellschaftlichen
Realität der Geschlechterrollen, der
sozialen - veränderbaren - „Natur“.

Feminismus
ist dabei die Unterstützung oder
eher noch die Selbsthilfe für die hauptsächlich
unterdrückte Gruppe in einem
System, dass auch auf Geschlechterhierarchien,
besonders dem Patriarchat, basiert.

So wie es im Klassenkampf üblich
ist, sich für das Proletariat einzusetzen,
so ist es auch in den Geschlechterverhältnissen.
Langfristig fordern Feminismus
und Klassenkampf/Antikapitalismus wie
auch Antirassismus das gleiche: Überwindung
der jetzigen Unterdrückungsmechanismen,
damit jeder Mensch frei und
sich selbst sein kann, ohne eine von
aussen zugeschriebene Kategorisierung
und damit verbundener Rechte(-losigkeit)
und Pflichten – sprich Verhaltensnormen,
welche nicht wirklich ethischer
Natur sind, sondern der Systemerhaltung
dienen.
Sowohl Anarchismus wie auch
Kommunismus proklamieren den Zielzustand
einer klassenlosen Gesellschaft.
Dies ist das langfristige Ziel. Kurzfristig
wird die Unterstützung der unterdrückten
Klasse betrieben, zum Beispiel soll durch
gewerkschaftliche Tätigkeiten auch mit
kleinen Schritten dieses grosse Ziel erreicht werden. Ähnlich verhält es sich mit
dem Queerfeminismus. Kurzfristig ist die
teilweise Losung die Erkämpfung von
oftmals weiblichen Rechten, langfristig
ist es die Abschaffung der zwei Klassen
„Mann“ und „Frau“.

Kurzfristig betrachtet ist eben gerade diese
binäre Einteilung der Menschen in (westlichen?)
Gesellschaften ein zentrales Element
der persönlichen Realität. Ohne kritische
Hinterfragung ist „Mann“ und „Frau“
eine alle Lebensumstände überdauernde
Identität. Mensch kann verarmen oder
reich werden, Mensch kann die Nationalität
wechseln.

Doch die Geschlechtsidentität
bleibt oftmals durch den ganzen Lebenslauf
über die gleiche. Natürlich ist ein
Wechsel des „biologischen“ Geschlechts
durch Operationen möglich, doch erfordert
eine solche Geschlechtsumwandlung
weitaus mehr als es zum Beispiel
eine Einbürgerung würde.

Erforderlich
ist eine Einpassung in die entsprechende
Geschlechterrolle. Ein massiver Aufwand,
wenn mensch nicht in dieser sozialisiert
wurde, da diese oftmals auch durch subtile
Gesten und Verhaltensformen geprägt ist.
Und trotzdem ist es möglich, schon ohne
OP, wie schon die vielen männlich geprägten
Witze zum Beispiel in Filmen verraten,
dass die „Abgeschleppte plötzlich einen
Schwanz hatte“, also Transgender war.

Das widerständige Element

Die Emanzipation der bzw. von den Geschlechtern
ist dabei mehr als ein Kampffeld
unabhängig von Staat und Kapital.
Die Queer-Theorie ist mehrfach fruchtbar
für anarchistischen Widerstand: Antikapitalistisch
gesehen hängt die Reproduktion
der Arbeitskraft auch im Sinne der
Fortpflanzung sehr stark davon ab, dass
unbezahlte Care-Arbeit geleistet wird.

Wenn die oftmals weibliche Betreuung
von Kindern entgeltlich wäre, so müsste
das Einkommen von Erziehenden massiv
steigen und somit würde der Profit massiv
fallen bzw. die Staatsausgaben steigen. Erziehende
und besonders Alleinerziehende
sind zudem oftmals darauf angewiesen,
Teilzeit zu arbeiten und haben daher nur
begrenzt die Möglichkeit, sich zu wehren.
Dies da sie und ihre Kinder auf den
bescheidenen Lohn angewiesen sind und
gute Teilzeitarbeit rar ist.

Antistaatlich gesehen, ist Geschlecht auch
ein Grundpfeiler von Gewalt in Konflikten
und Kriegen: Einerseits wird es in der
Motivation des oftmals maskulinen Soldatentums
verwendet, indem der Schutz
der Unschuld personifiziert in den Frauen
propagiert wird. Wer nicht kämpft ist
ausserdem ein Feigling, eben kein „echter
Mann“. In der Realität des Krieges ist es
dann oftmals auch die geschlechtliche
Arbeitsteilung (Kampf und Care), welche
sowohl Nachschub für die Front liefert
und zugleich das Hinterland befriedet. Dabei
beinhaltet Krieg auch immer Gender.
Dies zeigt sich sehr deutlich darin, dass
die Geschlechterordnung während dem
Krieg flexibler gehandhabt wird oder gar
zusammenbricht. Gleichzeitig ist die Restaurierung
dieser Geschlechterordnung stets ein Symbol der Gewinner_innen,
dass wieder Ordnung Einzug findet. So
war der spanische Diktator Francisco
Franco nach dem Sieg gegen die republikanische
Seite darum bemüht, sämtliche
Praxis und Geschichten eines abweichenden
Frauenbildes auszulöschen.

Das Patriarchat als weiterer Feind

Zudem ist die Theorie gesellschaftlich
fruchtbar: Mit der Abschaffung der Geschlechterrollen
fallen die oftmals unerfüllbaren
Anforderungen weg, welche das
Selbstvertrauen Vieler schwächen oder
eben dieses durch Abwertung anderer stärkt. Gerade die männliche Rolle basiert
darauf, in Konkurrenz mit anderen zu
stehen. Ähnlich Rassist_innen haben Sexist(_
inn)en immer noch eine Gruppe unter
sich, auf die sie hinabschauen können.

Dabei tritt die naturalisierte – jedoch nicht
natürliche – Hierarchie von Menschen
hervor. Das Patriarchat als alles durchziehendes
Machtprinzip unserer Gesellschaft,
gewichtet den Männern zugeschriebene
Attribute höher als „typisch“ weibliche:
Durchsetzungskraft und Rationalität werden
höher angesehen als Einfühlungsvermögen
und Passivität. In der Arbeitswelt
hat dies die Konsequenz, dass Frauen im
Schnitt immer noch 20% weniger verdienen,
als Männer in vergleichbaren Positionen.
Doch lediglich die Lohnungleichheit
anzugreifen, wäre dabei nur Symptombekämpfung,
die Spitze des Eisbergs.

Ebenso falsch wäre es, Feminismus als die
Formel „Frauen gut, Männer schlecht“ zu
verstehen. Das Patriarchat baut auf einem Wechselspiel zwischen wohlwollendem
und feindlichem Sexismus auf. Das heisst,
das rollenkonformes Verhalten belohnt
und abweichendes Verhalten als Bedrohung
gesehen und bestraft wird, dies zwar
viel stärker durch Männer, jedoch sind
dabei auch Frauen beteiligt. Dies scheint
auch eine Erklärung zu sein, warum homosexuelle
Männer so angefeindet werden.
Denn sozialdarwinistisch gesehen wären
sie eine Verminderung der Konkurrenz. In
dieser Logik sollten Männer also die Homosexualität
von anderen Männern befeuern
und nicht bekämpfen [2].

Bekämpft werden
„Schwule“ vielmehr, weil sie sowohl
die Natürlichkeit der maskulinen Rolle wie auch die Heteronormativität gefährden.
Die Geschlechterhierarchie hat also wichtige
Verbindungen zu den Herrschaftsmechanismen
unserer Zeit: Einerseits stellt
sie die fundamentalste Legitimation für
Hierarchien durch biologische Unterschiede
dar, ähnliche biologische Argumente
finden sich sowohl bei Patriot_innen wie
auch Rassist_innen gegenüber anderen Nationen,
Kulturen und „Rassen“.

Andererseits
stellt es einen wichtigen Faktor für das
Fortbestehen des Kapitalismus dar. Diese
Verwobenheit zwischen (National)Staat,
Kapital und Gender sollte uns daher zum
Anlass dienen, diese drei Unterdrückungsformen
gemeinsam zu denken, damit ein
umfassender Widerstand und eine grundlegende
Veränderung erreicht werden kann.

FAT / di schwarzi chatz 41

Fussnoten:

[1] ähnliche Züge hatte auch der Anarchafeminismus von Emma Goldmann. Ähnlich naturalistische Züge findet sich auch bei anarchistischen Theoretiker_innen, welche Anarchismus als der menschlichen (friedliebenden etc.) Natur entsprechend benannten. Dies ist nicht unproblematisch, da die Realität ein anderes Wesen des Menschen nahelegt, welches Anarchismus eher als unnatürlich erscheinen lässt.

[2] Dies zeigt auch die Beschränktheit der kapitalistisch angehauchten sozialevolutionären Sichtweise oder gar die Absurdität, Liebe, Sex und Fortpflanzung in Marktmechanismen zu denken, so wie es die sozialevolutionäre Psychologie versucht