Eine «Fahne» des politischen Islam Burkini, nein danke!

Gesellschaft

Sommerzeit, Burkinizeit: Der Ganzkörperbadeanzug ist nichts weiter als Sexismus und kein «liberaler» politischer Islam.

Frauen mit Burkini beim Baden.
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Frauen mit Burkini beim Baden. Foto: Michael Coghlan (CC BY-SA 2.0 cropped)

20. Juli 2018
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Vor zwanzig Jahren kam ein Kleidungsstück auf den Markt, das es muslimischen Frauen ermöglichen sollte, schwimmen zu gehen, ohne die eigene «Aura» zu beschädigen. Der Scharia-konforme Badeanzug, verniedlichend als «Burkini» vermarktet, ist eine Art zweiteiliges Ganzkörperkondom, das bis auf Hände, Füsse und Gesicht den weiblichen Körper weit umhüllt, so dass dessen Konturen nicht mehr zu erkennen sind. Damit soll nach islamischer Vorstellung die «Aura», sprich der Schambereich des Menschen, vor fremden Blicken geschützt werden.

In der Tradition der Männerherrschaft

Bei Frauen ist dies der ganze Körper, bei Männern der Bereich vom Bauchnabel bis zu den Knien. Deshalb sieht man in Schwimmbädern die muslimischen Jungs auch nur in übergrossen Badeshorts. Für Kopftuch wie für Badeburka gibt es – das sollte inzwischen hinlänglich bekannt sein – keinerlei religiöse Begründung. Sie gehen ausschliesslich auf die islamische Tradition der Männerherrschaft zurück und dienen dem politischen Islam als Fahne.

Am liebsten ins Haus verbannt

Eigentlich hat nach den Vorstellungen konservativer Gläubiger die Frau im Schwimmbad gar nichts zu suchen. Auf einer islamistischen Website mit dem Titel «Islamfatwa» und mit dem Slogan «Islam gegen Extremismus» wird denn auch gleich gedroht: «Frauen, welche die Grenzen der Scharia überschreiten, bringen Leid und Korruption über sich und andere.» Besser wäre es, sie blieben zu Hause, heisst es, denn «Mädchen (die nicht verheiratet sind) leiden unter zu viel Freizeit und versuchen mit allen Mitteln die Zeit totzuschlagen, etwa mit dem Besuch solcher Schwimmanlagen. Es ist Pflicht für jeden Muslim, Allah zu fürchten, die Aura der muslimischen Frauen zu schützen und möglichst schnell etwas zu unternehmen, damit diese Schwimmanlagen schliessen.»

Kopftuch wie Badeburka gehen ausschliesslich auf die islamische Tradition der Männerherrschaft zurück und dienen dem politischen Islam als Fahne.

Die Badeburka, wie das Kopftuch mitunter bereits vor-adoleszenten Mädchen verordnet, ist wie die Burka nichts anderes als der Versuch, die Sexualisierung der Geschlechterverhältnisse im Alltag weiter zu etablieren. Die islamische Ordnung sieht sich nämlich doppelt bedroht, schreibt die marokkanische Soziologin Fatima Mernissi: «von aussen durch die Ungläubigen und von innen durch die Frauen». Der Islam «bekämpft nicht die Sexualität – zum Beispiel mittels Körperbeherrschung –, sondern die Frau … Diese ist fitna, die Inkarnation des Unbeherrschbaren».

Das Kopftuch wie auch die kuriose Badeverkleidung sind ein Ausdruck von Sexismus. Beide reduzieren die Frau auf ein zu verhüllendes Sexualobjekt und verklären den Mann als potenziell Unbeherrschten, ohne jede Eigenverantwortung. Dabei sollte eigentlich der umgekehrte Grundsatz herrschen: Man(n) muss lernen, sich zu beherrschen. Wenn er das nicht tut, hat er mit Sanktionen zu rechnen.

Schwimmen als Freiheitsrecht

Ein Gymnasium im nordrhein-westfälischen Herne hat kürzlich «Burkinis» angeschafft, damit muslimische Schülerinnen sich am Schwimmunterricht beteiligen. Die Berliner Familienministerin Franziska Giffey (SPD) meinte dazu, das «Wohl der Kinder» – also: schwimmen zu lernen – sei wichtiger als Kleidervorschriften. Und äusserte «pragmatisches» Verständnis. Kann aber eine Stigmatisierung als Sexualobjekt zum «Wohl» eines Kindes geschehen? Meiner Ansicht nach handelt es sich dabei um Kindsmissbrauch.

Auch wenn die Äusserung inzwischen relativiert wurde – die Toleranz einer Ministerin gegenüber religiös verbrämten Ansprüchen ist nicht untypisch für eine in linken und vermeintlich liberalen Kreisen geübte Nachsicht mit dem politischen Islam. Eine links-grüne Bewegung gegen islamischen Sexismus hingegen ist mir nicht bekannt.

Islamvertreter und ihre Unterstützer sprechen von Freiheit und Selbstbestimmung, wenn sie Frauen und Kinder mittels Kleidung zu Sexobjekten stigmatisieren. Solches aber ist kein Zufall, sondern eine Strategie des global agierenden radikalen Islam. Seit Jahren geben islamische Stiftungen aus Saudiarabien und den Emiraten Milliarden dafür aus, berechtigte Kritik am Islam als krankhafte Angst («Islamophobie») zu diffamieren. Sie sind damit bis in die Universitäten und in die Politik hinein erfolgreich. Kritik an islamischen Menschenrechtsverletzungen gilt als kultureller oder antimuslimischer Rassismus.

Es wird Zeit, anderen Prinzipien zur Durchsetzung zu verhelfen: Jedes Mädchen, jede Frau hat das Recht, schwimmen zu können – als Teil der persönlichen Freiheit. Denn wer schwimmen kann, wird auch sonst im Leben nicht untergehen. Deshalb bin ich unbedingt dafür, dass alle muslimischen Mädchen und Frauen schwimmen lernen, dabei aber auch das Recht haben, Wasser auf ihrem Nacken, ihren Armen und Beinen sowie den Wind in ihren Haaren zu spüren.

Mit der Badeburka oder dem muslimischen Schwimmzelt soll ein vorgeblich religiöses Recht auf Apartheid von Männern und Frauen zur akzeptierten Norm gemacht werden. Dagegen sollten wir uns wehren und zum Beispiel das Kopftuch bei Kindern verbieten. «Burkinis» gehören nicht in öffentliche Schwimmbäder. «Kopf frei» für die Schule, muss es heissen. Es soll jede Frau und jedes Mädchen die Gelegenheit haben, «Freischwimmerin» zu werden.

Necla Kelek / Infosperber

Die Autorin Necla Kelek ist Publizistin und Sozialwissenschaftlerin in Berlin und im Vorstand von «Terre des Femmes – Frauenrechte sind Menschenrechte».