Über das Dumpstern und Containern Der Griff in die Mülltonne

Gesellschaft

Dumpstern (oder auch containern) bezeichnet die Praxis, sich weggeworfene Lebensmittel, die man für noch verzehrbar hält, aus Müllbehältern zu nehmen und sie weiterzugeben oder selber zu konsumieren.

Containern in einer Brotfabrik bei Berlin.
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Containern in einer Brotfabrik bei Berlin. Foto: Theyeahyeah (GNU 1.2)Sigurdas(CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

30. Oktober 2015
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Dabei hilft der Umstand, dass Supermärkte Lebensmittel wegwerfen, wenn leichte kosmetische Schäden vorliegen (Verpackung zerbeult o.ä.) und wegwerfen müssen, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. Gesetzlich ist nämlich vorgeschrieben, dass sie nur darunter verkauft werden dürfen, solange dieses Datum nicht überschritten wurde. Meist sind Lebensmittel jedoch weit darüber geniessbar. Das wichtige dabei ist jedoch die Motivation warum gedumpstert wird. Dabei ist es für viele einfach ein Mittel um über die Runden zu kommen.

Das Geld reicht oft nicht hin, Lebensmittel kosten, also greift man in die Mülltonne und spart sich so etwas. Für manche mag es auch die einzige Möglichkeit sein an Lebensmittel zu kommen, da das nötige Geld für die tägliche Ernährung gar nicht vorhanden ist. Gegen alle diese Motivationen gibt es nichts einzuwenden – es sind vielmehr Anzeichen dafür, dass in dieser Gesellschaft andere Zwecke verfolgt werden, als alle Menschen mit dem Nötigsten zu versorgen, wenn dafür ein Griff in die Mülltonne notwendig ist. Es gibt jedoch auch noch eine andere Kategorie von Gründen fürs Dumpstern, die man grob als “politisches dumpstern” bezeichnen kann.

Aufmerksam machen

So dumpstern einige Menschen um damit auf ein dahinterliegendes Faktum aufmerksam zu machen: Das nämlich in unserer Gesellschaft viele noch brauchbare Lebensmittel weggeworfen, also verschwendet werden. Stören tun sich solche Menschen an Phänomenen die sie täglich sehen. Menschen hungern, die Umwelt wird zerstört. Diese Phänomene sehen sie als Folgen eines unsachgerechten Umgangs mit Konsummitteln die sich die Menschen leisten. Der Gedanke dieser Menschen geht ungefähr so: “Würden die Menschen nicht mehr so viele Lebensmittel wegwerfen oder sich auch mal welche mit Druckstellen kaufen, dann müssten nicht so viele Lebensmittel produziert werden und die Umwelt würde folglich auch nicht so stark belastet.”

Dabei liegt es nicht an den paar Lebensmitteln die zusätzlich produziert werden, dass die Umwelt durch die kapitalistischer Landwirtschaft zerstört wird. Für diese Art des Wirtschaftens ist die Natur nämlich Grundlage der Profitproduktion und wird auch dementsprechend genutzt. Es wird der Natur soviel entnommen wie möglich ohne sich über längerfristige Folgen Sorgen zu machen. Auch wenn der Umwelt nichts entnommen wird, kann sie als Grundlage für Profit dienen. So ist es oftmals billiger, Chemikalien in Flüssen zu entsorgen anstatt sich um sachgerechte Entsorgung zu kümmern. Auch die Atmosphäre dient als billige Ablagerungssphäre wie Abgase oder CO2 – mit bekannten Folgen.

Gleiches gilt für das soziale Argument. Es ist gar nicht so, dass es einfach zuwenig Felder und Traktoren gäbe um die Menschheit zu ernähren und deswegen jedes Brot welches weggeworfen wird einem anderen weg gestohlen ist. Vielmehr scheitern Leute, die nichts zu essen haben, gar nicht an einer natürlichen, sondern an einer gesellschaftlichen Grenze: Sie sind von den vorhandenen Lebensmitteln per Staatsgewalt getrennt (denn diese verfolgt Diebstahl) und können diese Trennung nur mit Geld überwinden, von dem sie zu wenig in der Tasche haben. Wenn jemand im Kapitalismus hungert, ist dass immer Ausdruck fehlender Zahlungskraft.

Freeganismus

Auch eine kapitalismuskritische Variante der Begründung von Dumpstern gibt es. Unter dem Namen Freeganismus wird diese verbreitet. Ausgegangen wird davon, dass der Griff in die Mülltonne statt in das Regal die Unternehmen nicht unterstützt und damit schon ein Schritt zur Abschaffung von auf Profit wirtschaftenden Unternehmen ist.
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Bild: Freeganer beim Containern, kollektives dumpstern in Stockholm, Schweden. / Sigurdas(CC BY-SA 3.0 unported - cropped)

Hier liegt eine Umdrehung des tatsächlichen Verhältnissen vor. Freeganer glauben, dass die Konsumenten die grösstmögliche Macht über Unternehmen haben. Weiters dass sie mit ihrer (vorenthaltenen) Kaufentscheidung diese dazu zwingen zu können gewisse Geschäftspraktiken zu stoppen und wiederum andere Dinge doch zu produzieren. Ja, schliesslich soll sogar die Art des Wirtschaftssystem von der Konsumentin abhängen, die eben mit dem Griff in die Tonne dieses System schon untergräbt. Dabei ist doch jeder Mensch in dieser Gesellschaft mit seinem Konsum das Anhängsel von der Profitrechnung von Unternehmen: Die Produkte werden so hergestellt, dass sie dieser Wirtschaft entsprechen (möglichst billig produziert) und dann auch nur gegen Geld (möglichst teuer) hergegeben.

Diese Abhängigkeit wird auch gar nicht aufgehoben wenn man in den Container greift: Landen tun diese Lebensmittel schliesslich nur dort, weil ein Supermarkt sie erst mal hergeschafft hat um daran zu verdienen. Dass es mit dem Zugriff auf die Lebensmittel in den Containern nicht mehr weit her ist, sobald durch diesen Zugriff das Profitziel der Unternehmen bedroht wird, merken Freeganer*innen auch an verschlossenen Containerstandplätzen sowie an über den Müll geschütteten Reinigungsmitteln.

Bassisgruppe Gesellschaftskritik Salzburg
[geskrit]